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Armee und Volk


Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in deutschen Landen durchweg nur Söldnerheere, die allein dem zahlenden Fürsten oder anderen Heerführern   – bekannt ist Wallenstein   – dienten. Im Gefolge der preussischen Heeresreform nach der Niederlage gegen Napoleons Wehrpflichtarmee wurde in Preussen zwar die Wehrpflicht eingeführt, herausragende Gestalten dabei wie Gerhard von Scharnhorst zeugen von edlen Gesinnungen und mutigem Denken unter den führenden Offizieren. Aber diese Reformen waren nur am Anfang von demokratischen Gedanken mitbestimmt.

Mit der Restauration der Adelsherrschaft nach 1815 waren auch die deutschen Wehrpflichtarmeen nicht mehr dem Volk, sondern nur noch ihren Fürsten verpflichtet. Das Ringen um die erste gesamtdeutsche Verfassung 1848/49 scheiterte nicht zuletzt an den Armeen der Fürsten. Und wo sich danach politischer Widerstand regte wie im preussischen Landtag, wurde dieser mit einem Verfassungsbruch niedergerungen.

Der damalige preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck erinnerte sich später, wie er Partei ergriffen und gefunden hatte, «die Abgeordneten [müss­ten] das möglichst grosse Gewicht von Eisen und Blut in die Hand des Königs von Preussen legen, damit er es nach seinem Ermessen in die eine oder andere Waagschale werfen könne». Es folgten 3 Kriege.

Die Verfassung des Kaiserreiches (1871  –1918) bestimmte, dass der deutsche Kaiser (und König von Preussen) Oberbefehlshaber der Armee war. In den Geschichtsbüchern findet man die von den Soldaten geforderte Gesinnung. So liess Wilhelm II. die Rekruten seines Postdamer Garderegiments wissen: «Ihr habt mir Treue geschworen, das heisst, ihr seid jetzt meine Soldaten, ihr habt euch mir mit Leib und Seele ergeben; es gibt für euch nur einen Feind, und der ist mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich euch befehle, eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschiessen   – was Gott verhüten möge   –, aber auch dann müsst ihr meine Befehle ohne Murren befolgen.»

Das Elitebewusstsein deutscher Offiziere spiegelte sich in einem Artikel des Militärwochenblattes wider:

«In keinem anderen Land der Welt steht der Offiziersstand auf einer so hohen Stufe, nimmt er auf der Skala der menschlichen Gesellschaft einen so hohen Rang, eine so angesehene und geachtete Stellung ein als in Deutschland. Die dem Urgedanken des Offizierstandes entstammenden Gesinnungen sind: dynastischer Sinn, unbedingte Treue gegen die Person des Monarchen, erhöhter Patriotismus, Erhaltung des Bestehenden, Verteidigung der seinem Schutze anvertrauten Rechte seines Königs und Bekämpfung vaterlandsloser, königsfeindlicher Gesinnung.»

Das millionenfache Töten und Sterben im Ersten Weltkrieg ist hinlänglich bekannt.

Aber auch die Reichswehr in der Weimarer Republik sah sich nicht der Demokratie verpflichtet. Ihre Offiziere, die zumeist der kaiserlichen Armee entstammten, verachteten die Demokratie und waren nicht bereit, die junge Republik gegen rechtsgerichtete Aufstände im Inneren des Landes zu verteidigen. Viele Offiziere der Reichswehr begrüssten die Machtergreifung der Nationalsozialisten, unterstützten die Morde an Hitlers innerparteilichen Gegnern im Sommer 1934 und fügten sich lange widerspruchslos in Hitlers Wehrmacht sowie dessen Aufrüstungspolitik und Vertragsbrüche ein.

Ja, es gab auch damals aufrechte Offiziere mit edler Gesinnung. Es gab den 20. Juli 1944 und dessen Vorgeschichte. Es gab hohe Offiziere der Wehrmacht, die schon 1938 Hitlers Kriegspläne als Fehlleistung eines Hasardeurs ablehnten und für eine kurze Zeit sogar bereit waren, Hitler zu stürzen. Aber selbst ein Mann wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde nach Hitlers ersten Kriegserfolgen ein Verehrer des «Führers» und träumte noch lange, auch als er sich innerlich schon von den Nationalsozialisten distanziert hatte, von einem deutschen Sieg in einem ungerechten Krieg. Nicht alle Wehrmachtsoffiziere und schon gar nicht alle Wehrmachtssoldaten waren Verbrecher, aber auch die Wehrmacht war an schwersten Verbrechen während des Krieges beteiligt.

All dies war namhaften Gründervätern der Bundeswehr und der Wehrverfassung im Grundgesetz bewusst und sollte berücksichtigt werden. Die Bundeswehr sollte eine reine Verteidigungsarmee sein, der Bundeswehrsoldat ein seinem Volk verbundener Staatsbürger in Uniform, die Bundeswehr eine Armee mit demokratischem Auftrag und demokratischem Rückhalt. Aber wo steht sie heute   – und wo soll sie hingesteuert werden?

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Quelle: Zeit-Fragen

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