Roger Waters äußert sich zu den Vorwürfen in Deutschland & dem Israel-Gaza-Konflikt
(Red.) Dieser Mensch Waters ist wirklich sehr beeindruckend. Seine kluge und menschliche Herangehensweise an unsere wirklich völlig aus den Fugen geratene Welt ist wie ein Leuchtturm in der Brandung. Waters Mutter hat mit ihrer liebevollen ernsthaften Beziehung zum Sohn eine wichtige Weiche zur Entwicklung seiner Persönlichkeit gelegt und könnte ein Vorbild für viele Mütter sein. Glenn Greenwald stellt gute Fragen und die Antworten gehen ins Herz und in den Verstand. In diese "Bar" sollten wir alle gehen und uns zusammentun.(am/ww)
Roger Waters äußert sich zu den Vorwürfen in Deutschland & dem Israel-Gaza-Konflikt*
Transkript Andreas Mylaeus
Glenn Greenwald:
Guten Abend. Es ist Mittwoch der 1. November. Willkommen zu einer neuen Folge von System Update, unserer täglichen Liveshow, die jeden Montag bis Freitag um 19 Uhr Ostküste exklusiv hier auf Rumble, der alternativen Plattform für freie Meinungsäußerung, auf YouTube ausgestrahlt wird.
Heute Abend ist der Musiker Roger Waters zu Gast, den man eigentlich nicht groß vorstellen muss. Seine Band Pink Floyd ist eine der erfolgreichsten und einflussreichsten in der Geschichte der Rockmusik. Alben wie „The Dark Side of the Moon“ und „The Wall“ gehören zu den meist verkauften und bekanntesten Alben der letzten sechs oder sieben Jahrzehnte.
Aber Waters ist heutzutage oft mindestens genauso bekannt, wenn nicht sogar noch bekannter, für seine politischen Positionen. Vor allem in den letzten Jahren wurde er zu einer äußerst umstrittenen Figur, da er sich offen gegen den Krieg der USA und der NATO in der Ukraine aussprach und ein ständiger Kritiker der israelischen Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens ist. In westlichen Medienkreisen und in den etablierten Medien-Institutionen wurde er als Extremist und Antisemit defamiert. Im Grunde wurde er mit allen möglichen Begriffen diskreditiert, einschließlich pro-russisch und pro-Kreml, die ihm zugeschrieben wurden.
Derzeit befindet er sich in Brasilien, in Rio de Janeiro, wo er im Rahmen seiner Welttournee auftritt. Er begann in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia und kam heute für eine Show am Samstagabend nach Rio de Janeiro und wir konnten uns mit ihm hier im Studio zu einem faszinierenden und häufig nachdenklichen und weitreichenden Gespräch über viele verschiedene Themen, sowohl politische als auch persönliche, zusammensetzen.
2018 besuchte er Rio de Janeiro im Rahmen seiner damaligen Tournee und ich konnte zusammen mit meinem Mann David Miranda während seiner gesamten Woche in Rio viel Zeit mit ihm verbringen und habe eine Seite von ihm kennengelernt, die, wie ich glaube, die meisten Menschen nicht kennen, insbesondere diejenigen, die der Verleumdungskampagne erlegen sind.
Ich glaube, es hat mir wirklich geholfen, über Roger Waters und seine Ansichten zu reflektieren, sie zu verstehen und zu verarbeiten, und ich wollte mich mit ihm zusammensetzen, damit diejenigen von Ihnen, die die Sendung sehen, die gleiche Art von Perspektive, die gleiche Art von Argumentation und den Ursprung seiner Ansichten erfahren können, wie ich es konnte. Wir haben einige Zeit über Themen gesprochen, die zu erwarten waren, wie der Israel-Gaza-Krieg und die Rolle und Unterstützung der USA und des Westens in diesem der anhaltende Krieg in der Ukraine, sowie ein wenig über den Krieg in Syrien, aber natürlich auch seine musikalische Karriere beleuchtet, Gründe für seine Entscheidung, sich in diese sehr unruhigen und umstrittenen politischen Gewässer zu begeben, was ihn dazu veranlasst hat, obwohl er dadurch Schwierigkeiten und Karriereverluste erlitten hat, einschließlich des Verlustes eines Vertrages mit seiner Musikfirma, strafrechtliche Ermittlungen in Deutschland, die zu behaupten versuchten, dass seine Darbietung von „The Wall“, die stets eine Satire tyrannischer Despoten war, in irgendeiner Weise eine Verherrlichung des Nationalsozialismus darstellte, was sich bis nach Brasilien ausweitete, wo die brasilianische Regierung ihn warnte, dass er mit dem brasilianischen Gesetz in Konflikt geraten könnte, wenn er versuchen würde, „The Wall“ in dieser Verkleidung aufzuführen, und dass Beamte der Bundespolizei bei seinen Auftritten auf die Einhaltung der Vorschriften achten würden. Die brasilianische Regierung nahm später von dieser Forderung Abstand.
Aber er ist jemand, der eine Art Blitzableiter für eine Reihe von Themen darstellt, die wir hier in unserer Sendung behandeln, darunter die freie Debatte und die Instrumentalisierung des Antisemitismus, sowie die Frage, was passiert, wenn man sich amerikanischen Kriegen und der westlichen Außenpolitik widersetzt. Ich hatte nicht erwartet, dass das Interview so verlaufen würde, wie es verlaufen ist. Er war sehr nachdenklich, sehr besinnlich, auf eine sehr ehrliche Art und Weise oft auch emotional und es war ein Interview, das ich wirklich gerne geführt habe. Ich habe es wirklich genossen, ihm zuzuhören und ich denke, Sie werden das Interview auch sehr schätzen. Wir freuen uns darauf, Ihnen meine Diskussion mit Roger Waters in Rio de Janeiro zu zeigen.
Roger, willkommen zurück in Rio de Janeiro. Es ist schön, Sie zu sehen. Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute mit uns zu sprechen. Ich danke Ihnen vielmals.
Roger Waters:
Ich freue mich, hier zu sein.
Glenn Greenwald:
Gerne. Sie sind im Rahmen einer globalen Tournee für ihre Show in Rio und ich habe Interviews gesehen in denen Sie dies scherzhaft als ihre erste Abschiedstournee bezeichnet haben. Ich schätze, Sie haben sich ein wenig über Musiker lustig gemacht, die immer wieder von einer letzten Tournee sprechen und dann scheinbar nie aufhören.
Roger Waters:
Gut erkannt.
Glenn Greenwald:
Ich frage mich aber, ob sie sich vorstellen können, mit diesen intensiven Welt-Tourneen aufzuhören oder ob sie so lange wie möglich weitermachen werden oder solange es Ihnen gefällt.
Roger Waters:
Ich werde wahrscheinlich bald aufhören. Ob dies die allerletzte sein wird, weiß ich nicht. Ich habe bisher nur eine Show in Südamerika gespielt. Das war vor ein paar Tagen in Brasilia und es kostet mehr Energie vor 40.000 oder 60.000 Leuten zu spielen als in einer Arena mit 15.000 oder 16.000 Plätzen. Das steht außer Frage. Aber ich versuche, in Form zu bleiben. Ich bin einigermaßen fit. Covid hatte ich nur einmal in Europa, als wir dort auf Tour waren. Wir hatten 43 Termine, glaube ich, oder 40, in Europa. Also, wer weiß…
Glenn Greenwald:
Das letzte Mal waren sie 2018 hier und mein Mann David Miranda und ich konnten recht viel Zeit mit ihnen verbringen und ich erinnere mich, dass wir beide darüber gesprochen haben, wie viel Energie es kostet, nicht nur die Show, die wir gesehen haben, sondern auch die intensive körperliche Arbeit zusätzlich zur Musik zu bewältigen. Und wir haben auch erlebt, dass sie nicht jemand sind, der nur in eine Stadt kommt und im Hotel bleibt. Sie haben viele Gemeinden besucht, sich mit vielen politischen Aktivisten und Kindern getroffen. Soweit ich das beurteilen kann, sind sie also jemand, der eine Region tatsächlich kennenlernt und zwar so gut wie möglich.
Was sind ihre Eindrücke von Brasilien als Land, Rio de Janeiro als Stadt?
Roger Waters:
Ich denke… Ach übrigens, ich habe Lula kennengelernt.
Glenn Greenwald:
Oh tatsächlich – auf der jetzigen Reise?
Roger Waters:
In Brasilia, richtig. Am Tag vor der Show.
Glenn Greenwald:
…denn als sie das letzte Mal hier waren, war er wohl im Gefängnis, im Begriff ins Gefängnis zu kommen oder bereits im Gefängnis.
Roger Waters:
Ich glaube, korrekterweise, im Gefängnis und sie haben mich natürlich nicht hineingelassen. Sie waren sehr angetan von der Idee mich in Curitiba einzusperren. Ja, das waren sie. Ich glaube, es war der Tag vor den Präsidentschaftswahlen und sie erklärten, wenn man nach 22 Uhr etwas Politisches sagt, gehe man ins Gefängnis.
Glenn Greenwald:
Das war also noch vor der jetzigen Reise.
Roger Waters:
Das war 2018, genau. Ich war ein bisschen raffiniert. Ich entschied, dass ich um 21:55 Uhr, wo auch immer wir in der Show sind, die Aufnahme stoppe. Wir stoppen, und ich werde eine politische Aussage machen und das viereinhalb Minuten lang und dann hören wir auf.
Glenn Greenwald:
Daran erinnere ich mich. Sie haben in Rio genau das gleiche getan, als sie die 10 Uhr-Frist wirklich eingehalten und sich gleichzeitig darüber lustig gemacht haben.
Wie war das Treffen mit Lula?
Roger Waters:
Fantastisch. Wissen Sie, wir verstehen uns prächtig, wie zu erwarten war. Wir sind ungefähr gleich alt und haben ziemlich ähnliche politische Ansichten. Und ich habe die ganze Sache verfolgt, die frühere Wahl hier mit Bolsonaro. Daher habe ich die seltsame politische Polarisierung in diesem Land miterlebt, wo beide so nah beieinander lagen, die Wahl, die Lula 2022 gewann.
Glenn Greenwald:
Ja es waren nicht einmal zwei Prozentpunkte.
Roger Waters:
Und ich finde das sehr interessant, denn es könnte sich dabei fast um ein globales Phänomen handeln. Wenn Menschen in einer verzweifelten Lage sind, kommt es zu einer Polarisierung, weil sich alle so unwohl fühlen und lassen Sie mich nicht mit Neoliberalismus, Milton Friedman, Chicago Boys, Kapitalismus anfangen…
Glenn Greenwald:
Ja, Bolsonaro hat unter anderem diese Art von knallharte Austerität eingeführt. Ich meine, ich war definitiv ein Kritiker von Lulas Innenpolitik, wie viele andere auch. Aber auf der außenpolitischen Bühne halte ich ihn für eine der wichtigsten Stimmen, weil er unerschütterlich unabhängig von den Vereinigten Staaten agiert. Er besteht auf dieser Art von neutraler friedensstiftender Rolle, sowohl in der Ukraine als auch jetzt in diesem neuen Krieg.
Aber ich möchte Sie folgendes fragen. Ich habe ein Video von ihrem ersten Auftritt in Brasilia gesehen und sie sprachen zu Beginn die Menschen an, die sie als diejenigen beschreiben, die sagen: „Oh, ich liebe die Musik von Pink Floyd so sehr. Aber ich kann Rogers Politik nicht ausstehen.“ Und ihre Botschaft an sie lautete im Grunde: „Oh, haut ab zur Bar!“ Und als ich das hörte, empfand ich das als sehr trotzig – als ob sie diesen Leuten den Mittelfinger entgegenstrecken würden. Aber ich weiß auch, dass es in ihrem neuen Song „The Bar“ um den Dialog geht und darum, freie Debatten und Ähnliches zu fördern.
Was ist die Botschaft, die sie damit vermitteln wollen?
Roger Waters:
Wenn Sie genau hinhören, denn es handelt sich um die Aufnahme auf der ich zu der Ankündigung spreche – es ist dieselbe Aufnahme, die wir auf der Reise hierher gemacht haben. Aus dem Tonfall meiner Stimme geht ganz klar hervor, dass es sich um einen Scherz handelt. Ich sage den Leuten nicht wirklich, dass sie sich an die Bar setzen sollen, wenn sie mit meiner Poesie nicht einverstanden sind. Und offensichtlich hat das nordamerikanische und das europäische Publikum das vollkommen verstanden und brüllt entweder vor Lachen oder vor Anerkennung oder sonst etwas. Das ist mir also gelungen. Es ist ein gutes Stück Theater, dies zu erreichen. Ich bin traurig zu sagen, dass… Wir haben es auf Portugiesisch und Spanisch übersetzt. Und ich weiß nicht, warum… Auf beide Sprachen hier in Brasilien. Aber sie haben „fuck off“ nicht übersetzt.
Glenn Greenwald:
Ganz genau. Es heißt lediglich, dass man sich sozusagen zurückziehen soll, ja, zurücktreten oder sich zurückziehen. Das habe ich auch bemerkt.
Roger Waters:
Ja, ich habe es erst jetzt bemerkt und gesagt: „Was zum Teufel ist das? ‚Redite‘ auf Spanisch kommt ‚fuck off‘ nicht gleich.
Glenn Greenwald:
So drücken Sie sich nicht aus. Das ist sehr britisch. Es ist wie: „Oh, ziehen Sie sich bitte an die Bar zurück.“ Das ist definitiv nicht ihre Ausdrucksweise.
Roger Waters:
Aber das Lied, das wird der Titel meines nächsten Album sein. Ich denke bereits darüber nach und spreche mit Gus Seyffert. Wir haben gerade gemeinsam an einer neuen Version von „Dark Side of the Moon“ gearbeitet, die ich als eine Art von Hommage an die 50 Jahre alte Version des Songs gemacht habe. Sie ist jetzt herausgekommen und kommt sehr gut an. Das freut mich. Die Leute verstehen es, wessen ich mir nicht sicher war.
Glenn Greenwald:
Was wollen sie mit dem Lied vermitteln?
Roger Waters:
Von der neuen Platte, von „Dark Side of the Moon“?
Glenn Greenwald:
Nein von „The Bar“.
Roger Waters:
Oh, „The Bar“. Ja, wir sprechen jetzt über „The Bar“. „The Bar“ ist der Song, den ich wähend Covid geschrieben habe, als ich viel Zeit am Klavier zu Hause verbracht habe und herumgealbert habe und auch leicht über die Geschehnisse in der Welt deprimiert war und den Schmerz überall spürte und darauf reagierte. Und ich habe angefangen, darüber zu schreiben, wie es ist, Menschen zu treffen, die man nicht kennt. Genauso wie man seine Freunde trifft, wenn man in England in eine Bar, in einen Pub geht. Dann trifft man natürlich seine Freunde und kann etwas trinken und sich unterhalten. Aber man trifft auch oft Fremde.
Denn die Leute haben das Gefühl, dass sie sich an den Gesprächen beteiligen können, die dort stattfinden. Man trifft also Leute, die eine andere Meinung als man selbst haben und tauscht sich mit ihnen aus. Aber man fühlt sich sicher. Man hat dort nicht das Gefühl, wie Sie oder ich…
Wenn man etwas sagt, was den Leuten (da oben) nicht gefällt, kann es passieren dass man weggezerrt und eingesperrt wird. Julian Assange, unser guter Freund Julian ist ein Beispiel dafür. Sie bringen ihn um. Sie ermorden ihn und sie versuchen, ihn an die Vereinigten Staaten auszuliefern, wo sie ihn töten werden. Schnell, langsam, wir wissen es nicht. Aber genau das wollen sie tun, weil er die Wahrheit gesagt hat. Er war nicht in einer Bar und er hat eine Reihe von Methoden organisiert, um Informationen an Menschen zu verbreiten, die sie brauchen, aber für etwas, das kein Verbrechen ist.
Ich meine, Sie wissen das. Sie sind ein unabhängiger Herausgeber, der auch so verfährt. Wir sind in einer Fernsehsendung, also sind sie ein Herausgeber und wenn die Veröffentlichung der Wahrheit ein Verbrechen ist, für das man über den Ozean geschleppt und für immer eingesperrt werden kann, nur weil man seine Meinung oder seinen Wunsch, Informationen mit der Öffentlichkeit zu teilen, missbilligt, ist das ein großes Problem.
Glenn Greenwald:
Lassen Sie mich hier eine kurze Frage einwerfen, denn diese Woche wurde in globo berichtet, dass David und ich Ziel einer legalen Bespitzelung durch die brasilianische CIA oder das FBI, den Geheimdienst, der während der Bolsonaro Jahre bestand, waren… Drei Jahre lang haben sie unsere E-Mails und Telefongespräche mitverfolgt. Als ich in dieser Sendung auf die Geschichte reagierte, äußerte ich mich unter anderem zu dem Umstand, dass man auf einer gewissen Ebene, wenn man angegriffen wird und Repressalien seitens der Machtzentren ausgesetzt ist, obwohl es nicht einfach ist und eine Menge Stress im Leben verursachen kann, Anerkennung für die Effizienz des eigenen Handelns erhält. Und wann immer das in meiner Karriere passiert, wenn man versucht hat, mich strafrechtlich zu verfolgen oder Ähnliches, habe ich es auf diese Weise hingenommen. Ich glaube das gilt auch für Julian. Er sitzt im Gefängnis, da er der wichtigste Journalist unserer Generation ist.
Und ich frage Sie als jemanden, der mit allen möglichen Verleumdungen und Angriffen auf seine Person konfrontiert wurde, die meiner Meinung nach in den letzten Jahren in den letzten 18 Monaten eskaliert sind, nach den Gründen dafür…
Aber können sie trotz der Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, das Verständnis dafür aufrechtterhalten, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass sie Ansichten geäußert haben die für die Machthaber bedrohlich sind?
Roger Waters:
Ganz genau. Worüber sie im Hinblick auf meine Person sprechen, sind die Vorwürfe des Antisemitismus. Die haben keine Antwort auf das Argument, denn man kann den Staat Israel und den heute und morgen und übermorgen stattfindenden Völkermord nicht verteidigen. Solange Sie und ich und all die guten Menschen, die ich heute morgen in Rio getroffen habe und denen die Menschenrechte am Herzen liegen, nicht auf irgendeine Weise eingreifen, um genügend Aufmerksamkeit zu erregen, damit sie aufgeben: „Einen Moment mal! Vielleicht ist das nicht das Richtige!“
Das liegt daran, dass die Politiker in einer Welt leben, in der es um das Wohl der eigenen Person geht, meines Erachtens nach. Sie haben also recht. Bis zu einem gewissen Grad zeigt es, dass zumindest Sie eine Plattform haben und dass die Leute zuhören und dass wiederum diese Plattform von manchen nicht gewünscht ist.
Meine Plattform ist winzig. Es ist Paris, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Denn ich habe am 11. dieses Monats ein kleines Video gemacht, als ich nach dem 7. Oktober so erschüttert war, weil die Bombardierungen in Gaza immer schlimmer wurden. Also habe ich mich gefragt: „Wie reagiert man darauf?“ Ich habe ein kleines Video gedreht, das inzwischen ein paar Millionen mal angesehen wurde. Also haben es ziemlich viele Leute gesehen. Und im Grunde genommen sitze ich einfach nur da und erkläre die Einfachheit des ganzen: „Entweder man glaubt an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder nicht.“ Es ist also eine sehr kurze Frage.
Wissen sie, sollte ich Netanjahu oder jemandem gegenüber sitzen und dieser würde anfangen zu reden… „Warten Sie einen Moment! Glauben Sie an die allgemeine Erklärung dieser 30 Artikel oder nicht?“ – „Nun…“ – „Nein! Glauben sie oder glauben Sie nicht? Denn wenn Sie das tun, können Sie nicht diese Außen- und Innenpolitik betreiben. Denn Sie glauben nicht daran! Sie glauben nur an Menschenrechte für Sie selbst und nicht für die anderen.“
Glenn Greenwald:
Und die Ironie besteht darin, dass viele dieser Konzepte zum Schutz der Zivilbevölkerung zum Kriegsrecht und zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind als Reaktion auf die beiden schrecklichen Kriege, die wir erlebt haben. Und da Waffen immer leistungsfähiger werden, wurde beschlossen, dass nicht alles in einem Krieg erlaubt ist. Es brauchte Konzepte, an die jeder gebunden war. Und das war zum Teil eine Reaktion auf den Holocaust und den Mord an den Juden, wenn auch nicht ausschließlich.
Und dann zu beobachten, wie Israel sich umdreht und die Führung übernimmt, indem es auf die Aufgabe dieses Rahmens besteht oder darauf, dass er nicht wirklich auf sie zutrifft, ist der Gipfel der Ironie.
Aber lassen Sie mich eine Frage stellen. Sie waren immer ein Kritiker der israelischen Besatzung des Westjordanlandes, der Blockade des Gazastreifens und der Behandlung der Palästinenser. Und sie wurden aus diesem Grund immer als antisemitisch bezeichnet, wie jeder von uns, der die Palästinenser verteidigt.
Roger Waters:
Ich bin ein Gegner des gesamten zionistischen Unterfangens.
Glenn Greenwald:
Richtig. Aber in meiner Wahrnehmung sind diese Angriffe auf sie in den letzten 18 Monaten viel mehr eskaliert und viel aggressiver, viel weiter verbreitet und viel intensiver geworden, sagen wir mal so. Und sie sind nicht nur jemand, der über Israel spricht. Sie sprechen auch über den schmutzigen Krieg der CIA in Syrien und den Krieg der US-NATO in der Ukraine.
Zunächst einmal: Sind Sie der Meinung, dass es schlimmer geworden ist? Und wenn ja, wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Roger Waters:
Ich glaube, sie bekommen Angst. Und ich denke, dass Kritiker dieses gesamten Bereichs der internationalen Politik Angst vor der Wahrheit haben.
Und ich versuche, so viel wie möglich zu lesen, um sicherzustellen, dass ich über das Thema, über das ich spreche, gut informiert bin. Das ist etwas, dass ich – wie ich bereits erklärt habe – von meiner Mutter gelernt habe. Ein spezieller Vorfall ereignete sich, als ich 13 Jahre alt war und versuchte, etwas herauszufinden und meine Mutter sah mich an und stellte fest, dass dieser Junge bemüht war, etwas zu begreifen. Also sagt sie: „Komm her.“ Sie sagte: „Was machst du?“ – „Oh, es ist nur etwas…“ Sie sagte: „Du wirst im Laufe deines Lebens auf viele schwierige knifflige Probleme stoßen, Roger. Das ist, was du tust, wenn du meinen Rat befolgst.“ – „Okay, Mom, was ist es?“ Sie sagte: „Was immer du herauszufinden versuchst: Fange an zu lesen! Lies, lies. Lies alle Aspekte der Geschichte. Lies nicht nur… Lies alles und vertiefe dich in die Materie. Wenn es sich z.B. um ein internationales Thema handelt, müssen wir die Geografie und die Geschichte lesen, um herauszufinden… Wenn man das getan hat, ist die ganze schwere Arbeit geleistet. Die harte Arbeit ist vorbei.“ – „Und was mache ich dann?“ Und sie sagte: „Der nächste Teil ist einfach. Du tust das Richtige.“
Und heute war ein Schulleiter in dieser Sache im Rathaus von Rio. Er sprach über die Arbeit mit seinen Kindern, über Bildung und dergleichen und ich erinnerte mich. Ich sagte, dass meine Mutter eine Lehrerin war – ähnlich wie Sie, wissen Sie, und Sie bringen ihren Kindern in ihrer Schule genau das gleiche bei, was sie mir beizubringen versuchte, als ich ein Teenager war. – Wie auch immer, ich schweife ab…
Glenn Greenwald:
Wenn ich beispielsweise mit jüngeren Leuten spreche, die in den Journalismus einsteigen oder zum ersten Mal eine öffentliche Plattform finden und sie mich um Rat fragen, versuche ich ihnen immer zu sagen: Wenn ihr auf diese häßliche, ungerechte, unfaire Weise angegriffen werdet, nehmt es nicht persönlich. Denn so wird das Spiel nun einmal gespielt. Der Grund dafür ist, dass ihr Dinge sagt, die als bedrohlich empfunden werden und man sich nicht auf die Diskussion einlassen will. Wie sie schon sagten, wollen sie Ihren Ruf zerstören.
Aber als jemand, der in den letzten zweieinhalb Wochen tausende Male als antisemitisch bezeichnet wurde, weil er die israelische Aggressionen Gaza verurteilt hat, weiß ich, dass das leichter gesagt als getan ist. Ich frage mich also, ob es Zeiten gibt, in denen sie nach all der Lektüre das Vertrauen haben, dass ihre Aktionen korrekt sind trotz dieser Angriffe und Anschuldigungen? Ärgert Sie das?
Roger Waters:
Sicher. Wenn Sie Erfolg haben, wie z.B. kürzlich auf meiner Europaturnee… Die Deutschen, die israelische Lobby in Deutschland, die in Deutschland sehr mächtig ist, hat öffentliche Proteste für Palästina illegal gemacht. Sie sind in Deutschland illegal.
Glenn Greenwald:
…und in Frankreich. Alle pro-Palästina-Proteste wurden einfach verboten.
Roger Waters:
Ja. Das ist alles illegal. Sie gehen also sehr hart vor und sie haben versucht, meine Tournee in Deutschland abzusagen! Mir: „Brecht es ab!“ – „Wie bitte? Wovon redet ihr?“ Und zwar mit der Begründung, dass ich… Zwei Gründe: Erstens, dass ich ein wütender Antisemit bin und zweitens, dass ich das Dritte Reich verherrliche. „Was soll das heißen? Worauf stützt sich das? Auf meine Kunst?“ – „Da! Schaut her: Er ist in einen Ledermantel gekleidet!“ Und ich denke: „Na ja, Moment mal. Das ist Satire. Das ist Theater.
Glenn Greenwald:
Das hat jeder gewusst. Jeder kennt ‚The Wall‘. Jeder kennt die Figur, die Sie seit Jahren spielen, und plötzlich wird so getan, als ob Sie Diktatoren und Hitler Tribut zollen würden.
Roger Waters:
Ich mache das schon seit 40 Jahren. Ihr Idioten! Wisst ihr, wovon ihr redet?“ Und ja, ich musste vor Gericht gehen um sie mir vom Hals zu schaffen, denn in der Festhalle in Frankfurt hatte die Stadtverwaltung meine Show abgesagt und ich wehrte mich dagegen und zum Glück habe ich den Fall vor Gericht gewonnen und wir konnten die Show spielen.
Aber nach diesen Angriffen hat die ADL, eine amerikanische Organisation, die Anti-Defamation League, die es schon immer gab… Ich meine, ich bin froh, dass ich eine Reihe von Präsidenten oder Direktoren damit überlebt habe. Ich hatte viel mit Aby Foxman zu tun, als er noch im Amt war. Jonathan Greenblatt, den Neuen, kenne ich kaum. Was auch immer… Was machte Jonathan Greenblatt, der Neuling? Ich nehme eine neue Platte von „Dark Side of the Moon – Redux“ auf – so heißt sie – und ich habe einen Vertrag mit BMG, der Bertelsmann Music Group, die sie veröffentlichen wird, denn Sony, meine Plattenfirma, wollte sie nicht veröffentlichen, da sie als Konkurrenz zu dem angesehen werden könnte, was Pink Floyd zum 50. Jahrestag… Egal. BMG ist eine gute Plattenfirma.
Greenblatt hat ungefähr zehn verschiedene Organisationen. Ich habe vergessen, wie sie heißen, in Kanada. Aber das ist egal, von überall her. „Stand with us“ und „creative something for peace“… Wissen Sie, all diese Organisationen sind von der israelischen Lobby – Hasbara Organisationen. Sie schrieben einen gemeinsamen Brief an Bertelsmann, an die Muttergesellschaft von BMG, und sagten: „Ihr könnt nicht mit diesem Mann arbeiten. Er ist ein Antisemit. Und wenn Sie es doch tun, werden wir die Öffentlichkeit daran erinnern, dass Sie im Zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaboriert haben.“ Mit dieser Drohung haben sie ihnen gedroht. Es handelt sich um eine so starke Bedrohung. Es geht also um Rache. Hat Bertelsmann gesagt, dass sich Jonathan Greenblatt zum Teufel scheren könne? „Wir sind ein richtiges Unternehmen und das ist ein großartiger Künstler. Wir haben seinen Verlag und wir haben ihn unterstützt und er ist wunderbar. Er macht großartige Platten.“ – Nein! Haben sie nicht! Sie stimmten zu und feuerten mich – bumm.
Als das passierte, schnüffelten sie im Parlament herum in England. Ein paar furchtbare Abgeordnete standen im Parlament auf und schlugen vor, dass meine Shows im O2 in London und in Manchester abgesagt werden sollten, nur wegen diesem Blabla. Also ja, das beantwortet also Ihre Frage. Ja, es ist unangenehm an diesen Punkten. Vor allem, wenn man einen Plattenvertrag vor der Nase weggeschnappt bekommt, weil die ADL ein Schutzkartell ist. Die ADL ist ein Schutzgeld-Erpresser-Verein. Die ADL ist ein Schutzgeld-Erpresser-Verein!
Glenn Greenwald:
Ich weiß, denn sie behaupten ganz offen, dass wenn wir jemanden des Antisemitismus beschuldigen und man uns 500.000 zahlt, so wie sie es mit dem NBA Star Kyrie Irving gemacht haben, der ein Buch empfohlen hat, dann gibt es einen Ausweg: „Zahlt uns einfach 500.000 Dollar für all diese…“
Roger Waters:
Das ist natürlich sehr erbärmlich.
Glenn Greenwald:
Ja. Ich meine, es ist so unverholen und direkt und sie nutzen diese offensichtlich sehr starken und berechtigten Restgefühle über den Holocaust für Schikanen aus, indem sie einfach damit drohen, den Ruf von Leuten zu zerstören, wenn man nicht zahlt. Und das ist klassische Erpressung.
Ich weiß nicht, ob sie gesehen haben, dass wir kurz darüber gesprochen haben. Aber all das hat seinen Weg nach Brasilien gefunden, denn hier in Brasilien gibt es eine Menge Debatten über den Umfang der freien Meinungsäußerung – ob Dinge, die als Hassrede oder Desinformation bezeichnet werden, kriminalisiert und verboten werden sollten. Und es gibt eine Art Zensurbewegung in Brasilien, die Westeuropa ähnelt, aber in gewisser Weise noch schlimmer ist. Und als das geschah, sagte der Justizminister hier in Brasilien, Flavio Dino: „Wir denken, dass Roger Waters, wenn er hier herkommen und diese Uniform tragen will, sehr wohl verhaftet werden kann.“ Und daraufhin sind die brasilianischen Linken, die Sie unterstützen und offensichtlich auch die Basis der Lula Regierung, durchgedreht und haben gesagt: „Was soll das?“ Es war das erste Mal, dass ich von einer Gegenreaktion gegen die Zensur gehört habe. Und erst dann wurde die Drohung zurückgenommen und gesagt, dass natürlich der Kontext, in dem die Botschaft steht, berücksichtigt werden muss.
Haben Sie von der brasilianischen Regierung irgendeine Art von Nachricht oder Mitteilung erhalten, dass Sie möglicherweise beobachtet werden? Ich glaube, sie haben gesagt, dass sie Bundesagenten bei ihrer Show einsetzen werden…
Roger Waters:
Ho, ho! Ich habe diese Geschichte zur Kenntnis genommen, als sie aufkam und ich gestehe, dass ich etwas verärgert war. Ich dachte: „Moment mal, mein Kamerad Lula, den ich im Gefängnis besuchen wollte, ist der amtierende Präsident. Dieser (Flavio Dino) war nur ein Minister, der mit anderen in diesen Unsinn verwickelt ist. Denn die Mächte, die hinter diesen Angriffen stehen in Argentinien oder in einigen anderen Ländern, sind noch schlimmer. Wissen Sie, die israelische Lobby ist sehr, sehr mächtig.
In den letzten 20 Jahren ist mir folgendes passiert, was mich am meisten verärgert ,wenn ich ehrlich bin. Ich war damals an einer Wohltätigkeitsorganisation beteiligt, weil ich gebeten wurde für eine Organisation namens „Standup for Heroes“ zu arbeiten. Es handelte sich dabei um Stand-Up Comedians, die einmal im Jahr im Beacon Theater in New York auftraten und Geld für schwer verwundete Veteranen sammelten. Und Bob und Lee Woodruff sind die Namen des reizenden Paares, das dabei mitwirkte. Und sie fragten mich, ob ich ein Lied oder so etwas singen würde. Und ich sagte: „Oh, ich weiß nicht, ob ich auf der Bühne stehen und vor all den Leuten ohne Arme und Beine performen will.“ Und sie erwiderten, dass sie eine Cocktailparty im Naturkundemuseum veranstalten würden. „Würden sie kommen?“ Und ich war einverstanden, natürlich. Ich wollte es mir ansehen und die Leute kennenlernen. Ich ging also in den großen Raum mit den Walen und ähnlichem. Und da waren all diese Veteranen. Und ein Mann saß in einem Rollstuhl ohne Beine und mit nur einem Arm und sah ein bisschen einsam aus. Er war blau gekleid, also ein Marine. Ich ging also zu ihm hin, stellte mich neben seinen Stuhl und sagte: „Hallo, wie geht's? Haben Sie einen Drink?“ So ungefähr war es und dann hat er mich angeschaut und mich erkannt: „Sind Sie…?“ Und ich sagte: „Ja, das bin ich.“ Sein Name ist Dom. Ich bin jetzt mit diesem Mann gut befreundet und noch bevor er über irgendetwas nachdenken konnte. erklärte er mir, dass er Gitarre spiele. Und ich machte mir Gedanken, dass dies etwas merkwürdig sei. Und er sah es mir an. Er sah, wie ich das dachte. Und er sagte: „Na ja, ich habe mal Gitarre gespielt.“ Und wollte gerade das Thema wechseln, als er sagte: „Ich spiele keine Gitarre mehr.“ Und ich erwiderte: „Nein, offensichtlich.“ Und er sagte: „Jetzt spiele ich Schlagzeug." Von hier bis dort er hatte einen kleinen Stumpf. Daran hatte er eine Prothese mit einem Loch am Ende für einen Schlagzeugstick und er ist ein verdammt guter Schlagzeuger.
Glenn Greenwald:
Und haben sie ihn seitdem am Schlagzeug gesehen?
Roger Waters:
Ja, er ist in einer Band namens „The Brazilian“. Sie besteht aus ihm und einem Typen namens Tim Conolly und ein Kerl – ich kann leider die Namen der anderen beiden Jungs nicht nennen, die jetzt in der Band sind. Aber Gene Smith und ich gingen alle paar Wochen nach Walter Reed und arbeiteten mit diesen Jungs, bevor wir eine Show im Beacon aufführten. Das war der Punkt der Geschichte. Dann wiederholten wir es im nächsten Jahr. Wir wechselten in das Theater im Obergeschoss des Madison Square Garden und im nächsten Jahr, das war 2014. Wir machten es also 2012, 2013 und wir waren dabei, es 2014 zu wiederholen, als ich plötzlich – es war mitten im Sommer – bemerkte, dass ich keinen Anruf bekommen hatte. Und ich fand das seltsam. Also rief ich einen Mann namens Andrew an – ich habe seinen Nachnamen vergessen – der diese beiden Shows produziert hat und fragte ihn, warum ich nicht angerufen worden war, um mich nach Terminen für Standup Shows Anfang November zu fragen und er wurde ein bisschen still. Ich sagte: „Beweg deinen Hintern hierher, ich muss es wissen.“ Und er kam rüber. Es hieß, dass man ihm keinen einzigen Dollar mehr geben würde, wenn er mit Roger Waters arbeiten würde. Der sei ein Antisemit. „Aber was ist mit der Band? Was ist mit dem verwundeten Mann?“ – „Zum Teufel mit ihnen. Sie können nicht auftreten, weil die Leute sonst fragen würden: ‚Wo ist Roger?‘“
Wer war der Kerl namens Cohen der eine Milliarde Dollar gezahlt hat, damit er nicht ins Gefängnis muss?
Glenn Greenwald:
Oh, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, welche Geschichte sie meinen.
Roger Waters:
Er war ein Börsenmakler oder nicht… Es war Insider-Handel. Es handelte sich um Insiderhandel im großen Stil. Finden Sie es heraus und ich werde ihnen seinen Namen schicken. Ja, ich glaube… Das ist eine lange Zeit, das ist jetzt 10 Jahre her.
Glenn Greenwald:
Oh, es ist Steve Cohen. Ich höre von der Leitung: Steve Cohen.
Roger Waters:
Steve Cohen, ja. Er war der große Sponsor der diesjährigen Veranstaltung. Er sagte: „Keinen Penny!“
Glenn Greenwald:
Oh, das ist der Mann, der im Grunde genommen „Nein“ zu Roger Waters gesagt hat!
Zunächst einmal möchte ich Sie kurz zu diesen Problemen mit dem Antisemitismus befragen. Sie sprachen über den Horror und die Abscheu, die sie empfinden, wenn Sie die israelischen Taten in Gaza sehen. Und ich muss sagen, für mich und vielleicht ist es nur ein Nebenprodukt der Dinge auf die ich mich konzentriere, aber ich kann mich ehrlich gesagt an nichts erinnern, was mich kränker oder angewiderter gemacht hat als das Ausmaß des Leids in Gaza zu sehen und zu wissen, dass wir erst am Anfang stehen – viel näher am Anfang als am Ende. Es ist eines der schlimmsten Verbrechen, wenn nicht das Schlimmste, das ich in meinem Leben gesehen habe.
Aber als der Angriff am 7. Oktober in Israel von der Hermas verübt wurde, wie haben sie darauf reagiert?
Roger Waters:
Warten wir ab und sehen wir, was passiert – war meine erste Reaktion. Meine zweite Reaktion war: „Wie zum Teufel konnten die Israelis nicht wissen, dass dies passieren würde?“ Und ich bin immer noch ein bisschen in diesem Kaninchenbau gefangen. Ich meine, hat die israelische Armee in diesen 10 oder 11 Lagern nicht den Knall gehört, als sie alles in die Luft sprengten, was sie zum Überqueren der Grenze in die Luft sprengen mussten? Daran ist etwas sehr faul.
Glenn Greenwald:
Ja, wir hatten ein israelisches Knesset-Mitglied zu Gast, das sagte die sei unbegreiflich. Dies ist einer der am stärksten überwachten Orte der Welt. Und natürlich wird es eine Menge Ermittlungen geben – vielleicht keine ehrlichen, aber auch die Israelis sind darüber verärgert.
Meine Frage ist jedoch: Glauben Sie, dass die Taten der Hamas am 7. Oktober gerechtfertigt werden können?
Roger Waters:
Wir wissen nicht genau, was sie genau unternommen haben. Aber war es gerechtfertigt, dass sie sich der Besatzung widersetzten? Ja. Aber noch einmal: Es ist, wie Sie sagten: Es gelten die Genfer Konventionen. Sie sind rechtlich und moralisch verpflichtet seit 1967 Widerstand gegen die Besatzung zu leisten. Das ist eine Verpflichtung.
Glenn Greenwald:
Aber gibt es Grenzen für die Form des Widerstands?
Roger Waters:
Wie ich in der Erklärung, die ich danach abgab, sagte: „Wenn Kriegsverbrechen begangen werden, verurteile ich sie und es interessiert mich nicht, wer es ist.
Glenn Greenwald:
Drei Wochen später ist es jetzt. Glauben Sie, dass es Beweise für diese Verbrechen gegeben hat?
Roger Waters:
Es mag einzelne Personen gegeben haben. Ich habe heute morgen einen Bericht gelesen: greyzone, unser Freund Max Blumental. Es war eine lange Meldung, die ich heute morgen gelesen habe. Aber die Haaretz hat endlich Zahlen veröffentlicht, wie viele Menschen tatsächlich getötet wurden und wer sie waren an diesem Tag.
Glenn Greenwald:
An diesem Tag?
Roger Waters:
An diesem Tag, ja. Die ersten 400 waren also wahrscheinlich israelische Militärangehörige. Das ist kein Kriegsverbrechen.
Glenn Greenwald:
Nein, natürlich nicht. Jeder denkt, dass Militärbeamte oder militärische Ziele oder Soldaten in Israel…
Roger Waters:
Das hängt davon ab ob sie an die Genfer Konventionen glauben…
Glenn Greenwald:
Richtig.
Roger Waters:
…oder die Vereinten Nationen.
Glenn Greenwald:
Aber wie sieht es mit Angriffen auf Zivilisten aus?
Roger Waters:
Nein! Natürlich nicht! Selbstverständlich nicht. Nein. Natürlich dulde ich das nicht. Aber die Israelis haben die Angelegenheit völlig aus dem Ruder laufen lassen, indem sie Geschichten über die Enthauptung von Babys erfanden. Sie brachten sogar den Präsidenten der Vereinigten Staaten, den Trottel, der er ist, dazu zu behaupten, er habe Fotos der enthaupteten Babys gesehen.
Glenn Greenwald:
Der enthaupteten Babys?
Roger Waters:
Genau.
Glenn Greenwald:
Und dann räumte er ein, dass er eigentlich gar keine gesehen hatte.
Roger Waters:
Aber wir wissen – egal, ob es eine Operation unter falscher Flagge war oder nicht oder was auch immer was auch immer passiert ist und was auch immer die Geschichte ist die wir erfahren werden – wir wissen, dass wir nie viel von der wahren Geschichte erfahren werden. Es ist immer schwer zu sagen, was wirklich passiert ist.
Sie nennen es ihr 9/11. Was zum Teufel geschah am amerikanischen 9/11? Niemand weiß es. Es ist klar, dass die offizielle Geschichte große Lücken aufweist. Wie auch immer… Lassen wir 9/11 beiseite.
Glenn Greenwald:
Ich denke aber, dass es zwei Arten von Leuten gibt, die nicht nur Sie, sondern auch Leute ihres Gleichen des Antisemitismus beschuldigen. In Ihrem Fall würde ich sagen, eine davon besteht in ihrer Kritik an der israelischen Regierung. Die andere ist die Behauptung, dass ihnen das Leben von Palästinensern wichtiger zu sein scheint als das Leben von Israelis.
Roger Waters:
Das ist absoluter Blödsinn!
Glenn Greenwald:
Das wollte ich auch sagen. Was ist ihr…
Roger Waters:
Das ist völliger Blödsinn! Nein, das tue ich nicht! Genau das ist der Unterschied zwischen meiner Grundlage und der der israelischen Regierung. Ich glaube an gleiche Menschenrechte für alle unsere Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität: für alle. Die israelische Regierung glaubt das nicht.
Z.B gerade in dem Gebiet, das wir das Heilige Land nennen könnten, wenn wir das wollten: Die israelische Regierung ist der Ansicht, dass die Angehörigen der jüdischen Religion ganz andere Rechte haben als alle anderen. Das ist von grundlegender Bedeutung. Deshalb sage ich in meiner Botschaft: „Bekennen Sie sich zur Idee der gleichen Menschenrechte oder nicht? Denn sobald sie das nicht tun, sind sie ein Nazi.“ Und ich weiß, dass die Leute sagen: „Oh, das kannst du nicht sagen – Nazi.“
Glenn Greenwald:
Die Nazi-Ideologie existiert nicht nur in Deutschland. Es könnte jeder sein, der die Ansicht vertritt, dass ein Teil des menschlichen Lebens mehr wert ist als ein anderer.
Roger Waters:
Jeder, der ein Fanatiker der Vorherrschaft ist. Es ist – wie immer man es nennen will – ein Faschist oder man sagt einfach – er, sie, diejenigen, die sich für überlegen halten – die anderen sind die Tiere. Deshalb nennen sie sie Tiere. Deshalb entmenschlichen sie sie. Deshalb begehen sie Völkermord an denen.
Es tut mir leid, dass ich mit den Zähnen knirsche, aber ich…
Glenn Greenwald:
Nein, es ist furchtbar. Ich weiß…
Roger Waters:
Es ist das schrecklichste, was es in Ihrem Leben gibt. Und in meinem Leben. Ich bin 80 Jahre alt. Dies ist das Schrecklichste, was mir je vor Augen geführt wurde und doch hat die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, wo ich…
Glenn Greenwald:
Und Großbritannien…
Roger Waters:
…das Vereinigte Königreich – ich lebe nicht mehr dort – aber alle Staaten der Europäischen Gemeinschaft geben den Israelis einen Freibrief zum Morden.
Glenn Greenwald:
Warum tun sie das?
Roger Waters:
Sag Du es mir, Glenn. Ich verstehe es nicht. Es hat etwas mit einer Art politischer Zweckmäßigkeit zu tun, die ich nicht verstehe.
Glenn Greenwald:
Vor etwa zwei Wochen haben wir Professor Stephen Walt interviewt und gestern Professor John Mearsheimer, die beide 2006 das Buch „The Israel Lobby“ geschrieben haben. Darin wurde versucht zu erklären, woher diese Art von Einfluss kommt. Und sie waren sich darüber im Klaren, dass es sich nicht nur um die offensichtliche Standardantwort handelt, dass es eine Menge amerikanischer Juden und westlicher Juden gibt, die einen großen politischen Einfluss ausüben.
Es gibt auch die Möglichkeit, in den Kongress zu gehen, wie es einer meiner Freunde, der Journalist Lee Fong getan hat den wir gestern Abend ebenfalls interviewt haben. Er hat eine Reihe von Kongressmitgliedern interviewt und gefragt.“Warum möchten Sie der israelischen Regierung alles geben, was sie will, ohne dass Kritik erlaubt ist, ohne dass jemals ‚Nein‘ zu den Israelis gesagt werden kann?“ Und viele von ihnen werden offen sagen, dass es aus religiöser Sicht so ist, dass Israel stark sein muss. Denn nur dann kann Jesus wiederkommen und dieses Ereignis der Entrückung stattfinden.
Roger Waters:
Sie sind also christliche Faschisten.
Glenn Greenwald:
Sie sind in der Tat strengläubige christliche Zionisten, die zwar Christen sind, aber das Leben der Palästinenser nicht schätzen.
Roger Waters:
Na ja, sie teilen nicht meine Ansicht, die besagt, dass wir alle gleich sind, dass wir Brüder sind und wir sind alle Afrikaner. Vor 150.000 Jahren gab es nur sehr wenige von uns und wir kamen aus Afrika und wir verteilten uns über die ganze Welt und verschiedene von uns ließen sich an verschiedenen Orten nieder und aufgrund des Wetters und weil wir uns vermischten sehen einige von uns anders aus als andere. Aber wir wissen jetzt aufgrund des Genoms, des menschlichen Genoms, dass wir alle miteinander verwandt sind. Wir sind alle verwandt.
Und meine Güte, besonders die Juden, die behaupten, dass ihre Vorfahren aus dem Heiligen Land stammen und dort waren, sind unglaublich eng mit den Palästinensern verwandt, deren Vorfahren… Sie sind alle… Wenn sie geografische Verbindungen zu Israel oder Palästina haben, dann sind sie alle Cousins und Cousinen. Sie sind enge Cousins. Das ist also bizarr-
Und wissen Sie was: Ich denke, es hat einfach mit Reichtum und Macht zu tun. Das sind die beiden entscheidenden…
Glenn Greenwald:
Warum gibt es diese enge Beziehung zu Israel, diese Art von obsessiver Unterstützung für Israel? Um Reichtum und Macht im Westen zu fördern?
Roger Waters:
Sie müssen die Disharmonie in der ganzen Welt fördern. Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten besteht im wesentlichen darin, Disharmonie zu fördern, so gut es geht. Chaos zu stiften. Kriege auszulösen, wie den in der Ukraine, über den sie mit Mearsheimer oder wie auch immer gesprochen haben. Und Sie haben sich informiert. Sie kennen die Geschichte. Sie kennen die Geschichte der Ukraine. Sie wissen, dass Chruschtschow all das getan hat, als die UdSSR, 1955 oder 1956 oder wann immer das war, die Ukraine war. Sie wissen all diese Dinge. Aber die meisten Menschen haben keine Ahnung. Die meisten Menschen glauben, dass Russland am 24. Februar 2022 oder wann auch immer, in die Ukraine einmarschiert ist ohne einen Grund.
Glenn Greenwald:
Ich habe ein Interview mit George Lucas gesehen, dem Produzent und Regisseur von Star Wars unter anderem. Und er wurde von James Cameron interviewt. Das war wahrscheinlich vor etwa 10 Jahren. Ich weiß nicht, ob sie es gesehen haben. Aber er gestand etwas Erstaunliches: Als er Star Wars drehte, hatte er das Imperium vor Augen, gegen das sich alle auflehnen sollten, nämlich die Vereinigten Staaten. Und die rauflustigen Guerillas, die zwar minderwertige Waffen benutzen, aber diesen Geist hatten, der sie das Imperium zu Fall bringen ließ, das waren die Nordvietnamesen. Und der Film wurde 1976 veröffentlicht. Stellen Sie sich vor, was die Amerikaner gedacht hätten, wenn sie das gewusst hätten. Es war eine Art subversive Botschaft, die in Star Wars versteckt war.
Gab es von Anfang an politische Themen oder politische Botschaften in der Musik von Pink Floyd, wie Sie diese in den 60er und 70er Jahren sahen?
Roger Waters:
Lassen Sie mich Ihnen das sagen. Ich denke, zu Beginn der Karriere 1965/66 was auch immer als Syd nach London kam und eine Wohnung mit mir teilte etc. und Syd anfing, Songs zu schreiben – Gott sei Dank großartige Songs... Waren wir politisch motiviert? Nicht in Bezug auf die Musik, die wir machten. Im Grunde waren wir eine Blues Band. Wir haben uns hauptsächlich durch Syd‘s Songwriting entwickelt: „I’ve got a bike. You can ride it, if you like. It’s got a basket, a bell that rings and things to make it look good. I would give it to you, but I borrowed it.“ Zu deutsch: „Ich habe ein Fahrrad. Du kannst es gerne fahren. Es hat einen Korb, eine Klingel, die läutet und Dinge, die es gut aussehen lassen. Ich würde es dir geben, wenn ich könnte, aber ich habe es ausgeliehen.“ Wir müssen hier nicht eine Art seltsames Seminar darüber halten, was für ein großartiger Songwriter Syd war.
War ich politisch? Ja, war ich. Ich marschierte einmal von Aldermaston zum Trafalgar Square und einmal von Finchingfield zum Trafalgar Square.
[Anmerkung: Die Aldermaston-Märsche waren eine Reihe von Anti-Atomwaffen-Demonstrationen, die in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren im Vereinigten Königreich stattfanden. Diese Märsche wurden von der Campaign for Nuclear Disarmament (CND) organisiert und zielten darauf ab, gegen die Entwicklung und Lagerung von Atomwaffen zu protestieren, insbesondere gegen die Beteiligung Großbritanniens an der atomaren Aufrüstung.
Die Märsche begannen in der Regel am Atomic Weapons Research Establishment in Aldermaston, Berkshire, und die Teilnehmer zogen zu Fuß ins Zentrum Londons, wo sie oft mit einer Kundgebung am Trafalgar Square endeten. Der erste Aldermaston-Marsch fand 1958 statt, und die folgenden Märsche fanden jährlich am Osterwochenende statt. Sie zogen ein breites Spektrum von Teilnehmern an, darunter Aktivisten, Intellektuelle und einfache Bürger, die über das atomare Wettrüsten besorgt waren.
Die Märsche von Aldermaston waren zwar von großer Bedeutung für die Sensibilisierung und Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen Atomwaffen, aber sie waren nicht die einzigen Anti-Atomkraft-Demonstrationen in dieser Zeit. Als Reaktion auf das eskalierende Wettrüsten und die Spannungen im Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion entstanden weltweit verschiedene Proteste und Bewegungen.]
Ich war Vorsitzender der Jungsozialisten in Cambridge als ich 15 Jahre alt war und auch der ycnd – Youth and Student Campaign for Nuclear Disarmment und so weiter. Meine Eltern: Mein Vater war tot. Er wurde umgebracht. Und meine Mutter war Kommunistin, bis 1956, als sie aus Protest gegen den russischen Einmarsch in Budapest 1956 austrat. Also ja, mein Hintergrund ist geprägt von einer Verbundenheit.
Wissen Sie, die unterste Schublade des Schreibtisches in unserem Wohnzimmer war voll von versteckten verbotenen Büchern, mit Fotos von Bergen Belsen und Auschwitz, als die Russen einmarschierten und alle befreiten, die keine Nazis waren.
Eine der besten Freundinnen meiner Mutter Claudette Kennedy trug das Symbol von Auschwitz an ihrem Handgelenk und sie war völlig aufgewühlt und entsetzt und ich war ein kleines Kind und habe das alles beobachtet. Ihre Kinder ließ sie nie aus den Augen, denn sie war so traumatisiert. Ich werde ganz emotional, wenn ich nur daran denke. Denn selbst wenn ich über Claudette Kennedy und ihre Kinder von vor 75 Jahren spreche, wird mir bewusst, was heute in Gaza geschieht.
Wenn man den Al Jazeera-Chef sieht, der seinen toten Sohn in den Armen hält – sie haben seine ganze Familie getötet – und so erging es einer Familie nach der anderen und Joe Biden und Rishi Sunak sagen: „Oh, sie haben ein Recht auf Verteidigung.“ – „Wovon zum Teufel redet ihr?“ Sich selbst zu verteidigen – das ist völliger Blödsinn und jeder weiß das.
Übrigens, wenn sie zurückgehen und Lord Balfour‘s Brief von 1917 lesen, ist er nur so lang, nein, er ist so lang [er zeigt die Größe des Briefes an] und der erste Teil besagt: „Die Regierung Ihrer Majestät betrachtet mit Wohlwollen den Plan zur Schaffung einer Heimat für das jüdische Volk in Palästina, dem britischen Mandatsgebiet Palästina.“ Und im zweiten Absatz heißt es: „Solange dies in keiner Weise die religiösen oder bürgerlichen Rechte der einheimischen nichtjüdischen Bevölkerung beeinträchtigt, die jetzt dort lebt.“ Das ist die zweite Hälfte der beiden Absätze. (…)
Schon damals und das war ein Jahr, nachdem die Herren Sykes und Picot mitten im blutigen Ersten Weltkrieg die willkürliche Form von Irak und Syrien und all diesen Dingen gezeichnet hatten… Was ich damit sagen will ist, dass der Zionismus gescheitert ist, bevor er begann, weil es keine Wüste war. Es war ein blühendes kosmopolitisches Gebiet mit vielen verschiedenen Religionen und Völkern und und es wechselte viele Male den Besitzer mit den Osmanen und den Kreuzrittern und vielleicht irgendwann mit König David, wer weiß. Aber das war kein leerer Fleck auf der Landkarte, wo man ein paar Millionen Menschen hinbringen und sagen konnte: „Da seid ihr und jetzt baut.“
Glenn Greenwald:
Und es gab alle Arten von friedlichen und blühenden Interaktionen zwischen Muslimen, Juden und Palästinensern.
Roger Waters:
Immer schon.
Glenn Greenwald:
Offensichtlich gibt es also eine Fraktion, die glaubt, dass man antisemitisch sei, wenn man gegen den Zionismus ist. Eine brandneue Ideologie, die es bis Anfang des 20 Jahrhunderts noch gar nicht gab. Und ein Teil von mir hasst es sogar, Sie zu diesem Vorwurf zu befragen, weil ich das Gefühl habe, dass ich ihn dadurch würdige.
Aber auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, sehen Sie, die Leute haben das über sie gehört und deshalb denke ich, dass es wichtig ist, ihnen immer die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen, auch wenn ich wünschte, das wäre nicht nötig. Aber es scheint erforderlich.
Roger Waters:
Wissen Sie, wie viele Menschen es auf der Welt gibt, die wissen, ob ich Antisemit bin oder nicht? Eine kleine Zahl: Einer! Wissen Sie, wer das ist?
Glenn Greenwald:
Sie.
Roger Waters:
Ganz genau. Ich lebe in diesem Körper. Dies ist mein Herz. Glauben Sie, ich wüsste nicht, wenn ich ein Antisemit wäre? Wir wissen, was wir fühlen. Wir wissen, was wir empfinden.
Glenn Greenwald:
Aber ich möchte Sie dazu befragen, denn dieser Moment, den sie gerade vor ein paar Minuten erlebten, indem sie emotional wurden, als sie an einen Holocaust Überlebenden dachten, an diese Bücher, von denen sie sagten, sie hätten sie gelesen und die sie offensichtlich bewegt haben, über die Schrecken von Ausschwitz und dergleichen…
Hatten und haben sie immer für Sie wichtige jüdische Menschen in ihrem Leben? Wie schon sagte: Ich hasse es sogar das zu fragen aber ich denke, es ist… Ich möchte, dass die Leute das wissen.
Roger Waters:
Ja natürlich. Ja natürlich habe ich das und hier ist eine seltsame Sache. Ein Teil der Anschuldigungen betrifft einen eigenartigen Saxophonspieler, der 2002 oder vor 20 Jahren, für etwa 3 Minuten in meiner Band spielte und dann erschien und mir alle möglichen seltsamen Dinge darlegte, die ich in keinster Weise wiedererkannte. Warum erzähle ich Ihnen das? Ich weiß, aus welchem Grund. Denn es hat sich hier im Gespräch ergeben, weil ein Mann – ich werde Ihnen nicht sagen, wer es ist – jetzt für mich in meiner Crew arbeitet. Er arbeitet schon seit über 20 Jahren für mich und ich habe mit meinem Produktionsleiter über einen anderen Mann gesprochen, einen israelischen Mann, der während der gesamten „Off The Wall Tour“, die ich gemacht habe, zum Team gehörte. Er war besorgt über einige der Dinge, die ich über Israel sagte. Er war ein Israeli, offensichtlich jüdisch. Er konfrontierte mich damit und ich sprach mit ihm. Ich habe einen schönen Brief, den er bei seiner Abreise schrieb, und in dem er sagte, dass dies die besten Jahre waren, die er je in seinem Leben verbracht hat. Er war nicht in allen Punkten mit mir einverstanden, aber er bewundere mich und würde sich wirklich darauf freuen, mich wiederzusehen und blabla und solche Sachen und mein Produktionsleiter meinte: „Nun ja…“ Und dann erwähnte er einen anderen Namen und ich fragte: „Wer?“ Und dann: „Oh.“ Und erwähnte einen bestimmten Job und der Mann sagte: „Weißt Du, er ist Jude.“ Und ich sagte: „Ich weiß, dass er es ist.“
Es kommt mir nie in den Sinn, welche Religion jemand hat oder welcher Ethnie er angehört. Es ist mir völlig egal. Nur so weiß ich, so bin ich die einzige Person, die weiß, ob Roger Waters ein Antisemit ist. Und das bin ich nicht.
Glenn Greenwald:
Ich nehme an dass sie auch über andere Themen sprechen – über Syrien und die Ukraine und die Außenpolitik der USA, die westliche Außenpolitik, über viele verschiedene Dinge. Aber dies ist ein Thema, das ihnen sehr am Herzen liegt, wie ich hier sehen kann, wenn ich sie darüber sprechen höre.
Roger Waters:
Sie bringen sie um. Sie begehen Völkermord.
Glenn Greenwald:
Warum ist dieses Thema… Also wie wurde es für Sie zu einem so wichtigen Thema im Hinblick auf die verschiedenen Arten von menschlichen Leid auf dem Planeten?
Roger Waters:
Das ist für mich nicht wichtiger als die Rohingya oder das ganze Gemetzel in Indonesien nach Suhato an allen die für ihn kommunistisch waren. Sie haben sie einfach getötet und in den Fluss geworfen. Das ist nicht schlimmer als die Bombardierung des Gazastreifens durch die Israelis. Das ist genau das gleiche. Sie ermorden Menschen, um sich zu bereichern. Entweder, um Macht zu erlangen oder um ihr Eigentum oder ihr Land zu gewinnen. Es ist Diebstahl und das widert mich an. Egal, wer oder was es ist.
Und ich war zu der Zeit nicht zugegen, aber z.B. die Vereinigten Staaten: Wir wissen, dass es einen Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern gab. Nicht nur in Nordamerika, sondern auch hier. Ich meine die Portugiesen in diesem Land oder, sie wissen schon, in Argentinien oder wo auch immer.
Glenn Greenwald:
Die, die Brasilien kolonisiert haben.
Roger Waters:
Wir sprechen hier von Siedlerkolonialismus und das ist widerlich. Und was noch weiter davon entfernt liegt, ist die Sklaverei. Und auch das war ekelhaft. Wir leben immer noch mit den Nachwirkungen dieser Ideologien, die abstoßend waren. Sie kamen aus Europa und waren abscheulich und wir sind erst am Anfang, wie bei meinem Treffen heute morgen in Rio de Janeiro, als sie mir eine Medaille für mein Engagement für die Menschenrechte verliehen. Wissen Sie, dieser eine Mann stand auf und hielt eine Rede und er war von der Bewegung der Landlosen MST, wissen Sie, und ich sage: „Komm her, Bruder. Lass mich dir helfen, denn ich habe über Dich geschrieben. Ich weiß, was du zu tun versuchst, um dein Land vor den Bolsonaros dieser Welt zu retten, die es verkaufen wollen, damit sie das Geld in die eigene Tasche stecken und sich irgendwohin verziehen können oder dort bleiben und die Polizei leiten und Leute umbringen lassen oder was auch immer sie tun.“ Ich meine, ich ich bin vielleicht sehr unhöflich, aber…
Glenn Greenwald:
Nein, ich denke, es ist wichtig, dass die Leute diese Belastung erkennen, die sie in Bezug auf Israel und Palästina antreibt – eine Belastung, die sie dazu bringt, sich zu vielen Dingen zu äußern. Und ich möchte Sie fragen, ob es nicht auch Musiker gibt oder einfach kulturelle Berühmtheiten im Allgemeinen, die das was sie tun, aus offensichtlichen Gründen vermeiden. Wissen Sie, Michael Jordan hat auf die Frage, warum er sich nie zu politischen Kontroversen äußert, gesagt, dass auch Republikaner Turnschuhe kaufen. Und ich möchte wissen, ob es einen Punkt gab, an dem Sie darüber nachdenken mussten, ob sie Menschen mit politischen Ansichten, die sonst ihre Musik mögen würden, vor den Kopf stoßen würden. Oder war es einfach dieser Instinkt, der ihnen von ihrer Mutter oder anderen Einflüssen mitgegeben wurde, zu sagen: „Nein, ich werde immer das tun was ich für richtig halte ohne Rücksicht auf die Konsequenzen oder den Schaden den es für meine Karriere haben könnte.“
Roger Waters:
Nein, sie hätten mich vor kurzem beinahe erreicht, als ich 79 Jahre alt war und überlegte, ob ich den Ledermantel tragen kann oder nicht. Oder werden sie mir die Hoden abschneiden und sie an die Wölfe verfüttern und ich werde ein obdachloser alter Mann sein, der in einer verdammten Decke zitternd an der Straße liegt. Sie sind furchterregend, weil sie so bösartig sind und vor nichts zurückschrecken werden.
Glenn Greenwald:
Bedauern Sie es daher manchmal, dass sie sich in diese Debatten einmischen, wenn Sie all das Bedenken?
Roger Waters:
Nein, nein. Denn ich habe das heute morgen in der Sitzung zu den Teilnehmern gesagt und ich weiß nicht ob sie es verstanden haben oder nicht. Aber ich nehme mir jedes Jahr den selben Neujahrsvorsatz vor und das schon seit etwa 10 Jahren oder so und ich habe endlich herausgefunden, worum es geht: Ich nehme mir für das kommende Jahr vor, weiterhin mein Bestes zu geben – es gibt also kein: „Meine ich das oder versuche ich das Beste zu tun, was ich kann.“ Es ist nicht das Beste, was ich kann, da ich immer der Ansicht bin, dass es eine schreckliche Last ist, die man sich sich selbst oder anderen auferlegt: „Man muss sein Bestes geben.“ – Nein, das muss man nicht. Man muss das Beste tun, was man kann.
Ich weiß also nicht, ob das relevant ist. Aber für mich ist es wichtig.
Glenn Greenwald:
Ich habe festgestellt, dass ich, wenn ich einen bestimmten Standpunkt vertrete oder mich journalistisch mit einem bestimmten Thema beschäftige, den materiellen Schaden sehe. Man erlebt Leute, die einem schreiben und sagen: „Oh, ich bin so enttäuscht. Ich kann ihre Arbeit nicht mehr unterstützen. Ich kann mir Ihre Sendung nicht mehr ansehen. Ich bin so enttäuscht, dass ich dieses oder jenes erfahren habe.“ Und natürlich gibt es einen Teil von einem, der sagt: „Vielleicht wäre ich besser dran gewesen, wenn ich das nicht getan hätte, wenn ich nicht darüber sprechen müsste.“
Und ich denke, vielleicht ist das ein Persönlichkeitsmerkmal, aber ich kann mich einfach nicht zurückhalten. Ich will nicht weitermachen und…
Roger Waters:
Sie sind jemand, der wie ich, das Richtige tun muss. Ich weiß nicht, woher sie ihre Instruktionen haben. Meine kam von meiner Mutter.
Aber es ist so, wie sie über die frühen Tage von Pink Floyd und die Politik gesprochen haben, meine Geschichte bei Pink Floyd. Und ein großer, großer Teil der Pink Floyd Geschichte war, als wir eines Tages 1970 ein Album namens „Meddle“ aufnahmen und es gab einen langen Track namens Echos und ich fing an, einen Text dazu zu schreiben und der Anfang war ein bisschen wisiwashi und „overhead the albatros hangs motionless upon the air“ – erinnert mich an die Frigattvögel außerhalb der… Was wunderschön ist und dann habe ich plötzlich diesen Vers geschrieben: „Two strangers passing in the street, by chance two passing glances meet and I am you and what I see is me and do I take you by the hand and help us understand and something as we can oder was auch immer es ist and no one asks us to move on and no one forces down our eyes and no one speaks and no one tries and no one flies around the sun.“
Irgendwie jugendlich und leicht für mich. So wie diese Texte sind, verursacht es mir einen leichten Schauer, weil es mein Herz betrifft. Das ist kein antisemitisches Herz, das in meiner Brust schlägt und mir sagt, dass es etwas Magisches an der Tatsache gibt, dass wir alle miteinander verwandt sind und dass wir Menschen sind und dass wir die Verantwortung haben, einander zu lieben und zu versuchen, dieses ganze unheilige Durcheinander zu lösen, damit wir nicht mehr Morden.
Der Chef von Al Jazeera – mitten in der Nacht – seine Kinder ermordet! Er muss also am Morgen hinuntergehen… Und wenn einem das passiert, ist das das Ende des Lebens, finde ich. Du wirst nie, nie, nie darüber hinwegkommen. Ich habe mir jetzt wieder den kleinen Film von Farah Nabulsi angesehen. Er dauert 13 Minuten und heißt einfach „Nightmare of Gaza“ und er wurde nach 2014 gedreht. Was war das? „Cast Lead Operation“, ich glaube, das war es.
[Anmerkung: Farah Nabulsi ist als Tochter einer palästinensischen Mutter und eines palästinensisch-ägyptischen Vaters in London geboren und aufgewachsen.
Nach einer ausgedehnten Reise nach Palästina beschloss sie 2013, ihr Leben völlig umzukrempeln und mit Hilfe der gemeinnützigen Produktionsfirma Native Liberty die Geschichten ihres Volkes durch Filmprojekte zu erzählen.
Im selben Jahr startete er die Website Ocean of Injustice, eine englischsprachige Bildungsplattform mit Nachrichten aus den besetzten Gebieten.
Im Jahr 2021 erhielt der Kurzfilm "The Present" den BAFTA Award für den besten Kurzfilm und eine Oscar-Nominierung.]
Glenn Greenwald:
Sie meinen die israelische Bombardierung des Gazastreifens.
Roger Waters:
Ja genau und der Film ist sehr sehr bewegend und sehr, sehr anschaulich. Es geht um eine Frau, die durch die zerbombten Straßen einen Weg nach Hause findet und dort ankommt und sieht dass dort, wo das Haus ihrer Schwester stand ein Loch ist, und sie realisiert, dass ihr Baby tot ist. Genau, wie es jetzt in ganz Gaza passiert. Und warum weil die Zionisten diesen Teil, aber auch alles andere, stehlen wollen. Sie wollen sie loswerden. Und sie machen keinen Hehl daraus, dass sie es ihnen gleich tun wollen.
Natürlich gibt es auch Widerstand in Israel – sicherlich einen großen Widerstand. Aber sie erhalten keinen Zugriff auf irgendwelche Machtpositionen. Gideon Levi sitzt jeden Tag da und schreibt diese unglaublich bewegenden Kolumnen über ihre Taten aber sie…
Glenn Greenwald:
Das Erstaunliche ist, dass Israel, bevor die Invasion der Hamas stattfand, am Rande eines Bürgerkriegs stand. Es gibt all diese Spannungen zwischen den Ultraorthodoxen und den säkularen Israelis. Aber auch die Vorstellung, dass es lange Zeit der Traum von einer Zweistaatenlösung war, der die amerikanischen Juden im Westen dazu brachte, Israel zu unterstützen.
Und jetzt geben die wichtigsten Kräfte in Netanjahus Regierung nicht einmal mehr vor, eine Zweistaatenlösung zu wollen. Sie wollen die Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen vertreiben, diese Gebiete übernehmen und sie zu einem Teil von Groß-Israel machen.
Roger Waters:
Sie wollten es nie!
Glenn Greenwald:
Diese Leute wollten es nicht. Ich meine, es gab Menschen, Israelis, die ihr Leben verloren wie Jitzchak Rabin und andere, als sie sich für den Frieden einsetzen. Ich denke, es gab Israelis, die… Aber sie sind nicht mehr da. Sie sind an den Rand geträngt. Sie befinden sich nicht mehr an der Macht.
Roger Waters:
Nein. Das sind sie nicht. Meiner Meinung nach waren sie nie wirklich an der Macht, wenn man auf dieses Stück israelischer Geschichte zurückblickt. Es ist interessant. In dem Buch von Miko Peled, dem Sohn des Generals, ist zu lesen, dass sein Vater – ich weiß nicht, ob er Staatschef war oder einfach nur sehr weit oben in der IDF – nach dem 67er Krieg, den sie mit ihrem Überraschungsangriff sehr schnell gewonnen haben – wir sollten nicht vergessen, dass sie von niemandem angegriffen wurden. Sie griffen Syrien und Ägypten fast in der gleichen Minute an. Aber danach ging dieser Mann Miko Peleds Vater, zum Kabinett und sagte: „Das war's. Wir haben gewonnen. Wir sind jetzt in einer sehr starken Position. Wir können Palästina seinen Staat geben. Er ist klein, in Ordnung, aber dann können wir in Frieden leben.“ Und sie sahen sich an und brachen in Gelächter aus: „Sind sie verrückt? Wir geben ihnen gar nichts! Wir geben ihnen nicht mal eine Briefmarke. Wir werden sie los!“
Glenn Greenwald:
Ja. Ich denke, wenn man sich die aktuellen Maßnahmen der Israelis anschaut, die besagen: „Raus aus dem nördlichen Gazastreifen und gleichzeitig Druck auf Ägypten zur Öffnung dieser Grenze ausüben.“ Dann wollen sie sie in den Sinai treiben. Man zwingt sie in Zelten zu leben, übernimmt den Gazastreifen und baut ihn wieder auf, indem man so tut, als würde man ihn wieder aufbauen, damit sie zurückkommen können und natürlich werden sie niemals zurückkommen und das wird ein Teil von…
Roger Waters:
Sie können eine Partnerschaft mit Donald Trump eingehen. Das war immer sein Plan: „Lasst uns Gaza einfach in einen Golfplatzresort verwandeln.“
(1:01)
Glenn Greenwald:
Ich möchte Ihnen nur in der uns verbleibenden Zeit ein paar Fragen zu Dingen stellen, die zwar nicht direkt etwas mit dem Thema zu tun haben, aber doch zusammen hängen.
Ich weiß, dass sie aus persönlichen Gründen nicht mehr im Vereinigten Königreich leben, was ich zumindest vollkommen verstehe. Aber ich habe in meiner journalistischen Arbeit viel mit Großbritannien zu tun gehabt. Die Snowden Geschichte hat viel mit Großbritannien zu tun und ich habe mich von all den Elitekulturen, die ich verabscheue, irgendwie entfernt. Ich glaube, die britische Elitekultur ist diejenige, für die ich am meisten Verachtung empfinde. Und als ich an der Snowden Story arbeitete, war das GCHQ immer das Schlimmste vom schlimmsten. Schlimmer noch als die NSA. Die britischen Medien waren immer am unterwürfigsten. Und wenn es um Krieg geht, scheinen die Briten, die modernen britischen Experten, Journalisten und Politiker eine geradezu viszerale Erregung zu haben, wenn sie über Krieg sprechen. Sie halten sich gerne für Churchilianer. Sie haben immer das Bedürfnis, sich als harte Kerle aufzuspielen, als Leute, die so unerschütterlich sind, die eine steife Oberlippe haben. Diese Art von Mythologie, mit der sie gefüttert worden sind. Und jedes Mal, wenn es einen neuen Krieg gibt, sind sie diejenigen, die am aggressivsten fordern, dass ihre Regierung ihn unterstütz.
Ich weiß nicht, ob sie das auch so sehen. Aber wenn ja, warum ist das so? Wie lässt sich das erklären?
Roger Waters:
Vielleicht ist es das Inselvolks-Syndrom, das „Little England Island People Syndrome“. Vielleicht ist es die traumatische Reaktion auf all die Dänen und, sie wissen schon, und Sachsen, die angriffen und dann griffen sie an und die Sachsen wurden schließlich zu den einheimischen Bewohnern. Die Britten hatten also ursprünglich die Nordmänner, die ständig dieses kleine Stückchen Erde auf der anderen Seite von Limoges (?) angriffen. Vielleicht hat es sich daraus entwickelt.
Und natürlich haben die Briten auch eine lange Geschichte als die erfolgreichsten Kolonialisten, als bösartige, einfallende, raubende, plündernde Armeen, die es seit Hunderten von Jahren gibt. Und so erinnern Sie sich vielleicht an die guten Zeiten. Denn ich denke, als Konquistador hat man vielleicht einen gewissen Suchtfaktor. Wir wissen es nicht, weil wir nicht dabei waren. Ich war nicht zugegen.
Glenn Greenwald:
Aber es wird kulturell weitergegeben, denke ich, über die Generationen hinweg.
Roger Waters:
Und Churchill: Wissen Sie, sie bauten den Mythos auf. Churchill war ein absolutes Dreckschwein. Jeder, der lesen kann, weiß das. Das ist das Problem.
Glenn Greenwald:
Ich meine, was er mit der Handhabung Indiens gemacht hat und viele seine Kommentare über…
Roger Waters:
Das waren fast 30 Millionen Menschen...
Glenn Greenwald:
Ja.
Roger Waters:
…in einem Jahr.
Glenn Greenwald:
Ich habe noch ein paar Fragen und dann sind wir fertig.
Aber ich denke, vieles von dem, worüber wir gesprochen haben, hat mit dem Versuch zu tun, Debatten zu unterbinden. Sie haben den Song „The Bar“ geschrieben, in dem es um diese Art von Debatte geht, um die Möglichkeit, anderer Meinung zu sein, ohne sich Vorwürfe zu machen. Ich denke, Personen wie sie als Antisemiten zu bezeichnen, ist ein Versuch, eine echte Debatte zu verhindern. Jeder sieht jetzt ihr Beispiel und weiß: „Oh warte, wenn ich mich zu Wort melde und Kritik übe, dann wird mir das auch passieren und ich habe nicht die gleichen Möglichkeiten wie Roger Waters mich davor zu schützen.“ Das ist ein sehr effektives Mittel um eine Debatte zu beenden.
Eine andere Methode, die im Westen immer beliebter wird, besteht darin, alle möglichen Wege zu finden, um den Informationsfluss über diese Innovation zu zensieren und zu kontrollieren, die uns eigentlich verändern und befreien sollte: Das Internet. Und es werden alle möglichen Rechtfertigungen angeboten, warum das geschehen muss: Es gibt zu viele Hassreden. Es ist einfach zu vergiftet. Es gibt eine Menge Desinformation und Täuschung der Menschen.
Was halten Sie von der Behauptung der Regierungen, insbesondere der westlichen Regierungen, dass sie in der Lage sein müssen, die Grenzen der Rede und der politischen Debatten zu kontrollieren, um die Menschen vor Hassreden und Desinformation zu schützen?
Roger Waters:
Eine der wenigen ehrlichen Dinge, die sie sagen, besteht darin, dass es keine Möglichkeit gibt zu überleben und das zu tun was wir tun, da sie es nicht geschafft hätten. Aber sie zerstören den Planeten und sie tun es mit vollen Händen, weil all dieses Zeug, der ewige Krieg z.B., nur ein Vorwand zur Vertuschung ist. Wir müssen keine Kriege führen, um den Planeten zu zerstören. Der Klimawandel erledigt das von selbst, wenn wir nicht in die Bar gehen, uns hinsetzen: „Was möchtest du trinken? Ein halbes Bier vielleicht? So, was können wir dagegen tun? Uns überlegen und herausfinden, wie die Menschheit sich organisieren kann, damit die meisten Menschen ein Dach über dem Kopf haben, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung und all den Dingen, die für alle Menschen wichtig sind.“
Die Lösung liegt darin, zusammenzuarbeiten und den Profitgedanken über Bord zu werfen. Denn er gehört nicht zu unserem Leben. Wenn wir ein anständiges Leben führen wollen ohne all das Theater, dann kann niemand wirklich niemand überleben.
Hier in den Vereinigten Staaten, wo ich gerade lebe, kommt niemand mit seinem Gehalt aus außer Elon Musk, Jeff Besos und etwa vier anderen Oligarchen. Ich meine, ich weiß, ich übertreibe ein wenig.
Glenn Greenwald:
Nein, aber diese Ungleichheit ist explodiert und die Vermögenskonzentration vor allem bei Covid ist noch viel schlimmer geworden. Aber lassen Sie mich noch eine letzte Frage stellen denn damit wollte ich sowieso enden.
Wir sprachen vorhin über Israel und den Gazastreifen und die Vorstellung, dass die Israelis nicht einmal mehr so tun, als würden sie an eine Zweistaatenlösung glauben. Und die Frage ist dann, ob sie überhaupt optimistisch sind, dass dieser Konflikt beendet werden kann?
Aber ich möchte Ihnen diese Frage allgemeiner stellen im Hinblick auf all die Dinge, über die wir gesprochen haben: Die Kriege, das Leid und die Ungleichheit. Sind Sie optimistisch? Und wenn ja, warum?
Roger Waters:
Bin ich optimistisch? Nicht wirklich. Aber der einzige Weg, wie wir das ändern können, ist die Macht des ganzen Volkes (peoplepower). Und wir sind die Mehrheit.
Es gibt eine Strophe in meinem Lied „The Bar“, die besagt: „Come on in here sister and sit a spell. You are most welcome in the bar as helping the old homeless lady. You may seem few but we are many. Have you been traveling far?“ Zu deutsch: „Komm herein Schwester und setz dich eine Weile. Du bist herzlich willkommen in der Bar, so wie du der alten obdachlosen Dame hilfst. Wir mögen vielleicht wenige erscheinen, aber wir sind viele. Bist du weit gereist?“
Und wir sind viele. Aber sie kontrollieren die Medien. Also kontrollieren sie das Narrativ. Und so lange sie Rupert Murdock und ein paar andere Oligarchen haben, die uns sagen, was wir hören dürfen und was nicht, lesen und glauben dürfen, ist das ganze Gerede über Zuckerberg und seine Verbindungen und Googles Verbindungen mit dem Pentagon und der CIA und die Treffen, die sie die ganze Zeit haben, und wie sie Politik machen, mehr als erschreckend.
Denn wir haben alle George Orwell gelesen: „Die Wahrheit sprechen.“ Und all das.
Wie können wir also das Steuer herumreißen und es soweit bewegen, dass wir uns nicht völlig aus der Verantwortung stehlen, die wir als Einzelne haben, um zu sagen: „Nein!“
Und die Menschenrechte sind der Baustein, auf dem wir aufbauen müssen. Denn sie sind die einzige wirklich vernünftige Idee, die seit 1799 und dem Ende des göttlichen Rechts der Könige entstanden ist. In feudalen Zeiten glaubte man buchstäblich, es gebe Gott und dann den König.
Glenn Greenwald:
Bis zur Aufklärung. Das war der zentrale Glaube, dass die Menschen…
Roger Waters:
Gott und dann der Klerus und dann der Adel und dann alle anderen. Und alle anderen, die Sansculottes, waren irrelevant, völlig irrelevant. Die Aufklärung bestand darin, dass wir sagten: „Moment mal, das ergibt doch keinen Sinn für die Wissenschaft, die wir eigentlich kennen und wie können wir das definieren? Indem man sagt: ‚Nein, dieser König ist nicht wichtiger als dieser Leibeigene in menschlicher Hinsicht und dieser Leibeigene muss unter dem Gesetz genau die gleichen Rechte haben. Nicht unter Gott oder unter dem König oder unter den Adligen oder unter Leuten, die im verdammten Eton unter dem Gesetz studieren, wie dieser Mensch.‘“
Und das haben wir nicht. Und das liegt zum Teil daran, dass die Leute, die die Regierungen verwalten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, sich weigern, das Völkerrecht zu unterschreiben. Sie sind keine Unterzeichner der Römischen Verträge.
Glenn Greenwald:
…oder Den Haag oder irgendetwas von den Dingen, die sie Putin vorwerfen. Sie akzeptieren die Legitimität nicht, die auf sie angewendet wird.
Roger Waters:
Genauso ist es. Und sie wählen sorgfältig aus. Sie picken sich die Rosinen heraus, wählen all diese Rechte aus.
Das heißt, wenn wir alle in eine Bar gehen und sagen würden: „Wie viele von euch stimmen zu, dass ihr rechtlich die gleichen Rechte haben solltet wie jeder andere auf der Welt – das schließt übrigens alle Chinesen und Russen ein – und seid ihr der Meinung, dass wir alle die gleichen Rechte nach dem allgemeinen Recht haben sollten?“ – „Absolut!“
Wenn wir uns die Welt ansehen und jedem eine Stimmkarte geben könnten, wette ich mit ihnen, dass mehr Hände hochgehalten würden als unten bleiben, wenn sie uns, das Volk, fragen würden.
Wir, das Volk, müssen also unsere Stimme erheben und anerkennen, dass wir in den Vereinigten Staaten, wo ich lebe, das System, das politische System, völlig korrupt und zusammengebrochen ist und nichts mit dem Willen des Volkes oder der Demokratie oder irgendetwas anderem zu tun hat, und dass die US Außenpolitik im Moment eindeutig von einer Gruppe von, nun ja, einem Dummkopf an der Spitze geführt wird. Armer Joe, ich meine, er kann kaum…
Glenn Greenwald:
Es ist Missbrauch von älteren Menschen, wirklich…
Ich freue mich, dass meine Fragen den unerbittlichen Angriff überlebt haben, den Sie auf sie gerichtet haben. Und was mich wirklich am meisten freut ist, dass ich mich mit ihnen zusammensetzen und mit ihnen sprechen konnte. Denn so oft wird eine Karikatur von Menschen geschaffen, die dadurch erfolgreich ist, dass die Menschen, die das glauben, nicht wirklich viel von der Person hören oder sie kennenlernen, die verleumdet und deformiert wird.
Nachdem ich Sie kennengelernt habe und dann die Gelegenheit hatte, mich an Orten wie diesem hinzusetzen und ihnen zuzuhören, wollte ich, dass andere Menschen sehen, was ich gesehen habe. Und ich hoffe, das werden sie auch. Und ich bin so froh, dass wir Zeit gefunden haben, uns wieder einmal zusammenzusetzen und zu reden.
Roger Waters:
Ich ebenfalls. Ich möchte nur noch diese eine Sache erwähnen: Ich habe vor etwa 10 Jahren ein Hörspiel geschrieben, in dem es um ein kleines Kind in Nordirland geht, auf das sein Großvater aufpasst – wie auch immer. Das Kind hat einen Albtraum. Der Großvater kommt herein und das Kind sagt: „Großvater, sie bringen die Kinder um.“ Und der Großvater sagt: „Nein, nein, nein. Das war während der Unruhen. Das ist Jahre und Jahre her.“ Das Kind sagte: „Nein, Großvater. Ich rede nicht von hier. Ich spreche von da drüben.“ Und der Großvater erklärt, dass wir hingehen und es herausfinden werden. Und der Rest des Stücks dreht sich darum, dass er es herausfindet und sie suchen die Antwort auf diese Frage: „Warum bringen sie die Kinder um?“
Und das ist die Frage, die ich heute beantwortet haben will von diesen Mistkerlen!
Glenn Greenwald:
Ja, das ist eine Frage, die meiner Meinung nach wohl wichtig als auch sehr schwer zu beantworten ist.
Vielen Dank, ich habe das Gespräch mit Ihnen sehr geschätzt.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=yd8b118ECRc
Das Transkript besorgte Andreas Mylaeus
*In diesem Video, das exklusiv auf unserem Kanal veröffentlicht wurde, interviewt der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist und Herausgeber der Snowden NSA-Leaks Glenn Greenwald den weltbekannten Musiker und Gründer der Band Pink Floyd Roger Waters. Sie sprechen unter anderem über die jüngsten Antisemitismusvorwürfe, mit denen Roger Waters in Deutschland konfrontiert ist, über den Konflikt in Gaza und den Krieg in der Ukraine. Dieses Video wurde von Glenn Greenwald und System Update produziert und am 1. November 20233 auf ihrem Rumble-Kanal veröffentlicht. Wir haben es ins Deutsche übersetzt und veröffentlichen es heute erneut, um die Meinungsbildung zu diesem Thema in Deutschland und darüber hinaus zu unterstützen.
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