Die Zeitung nd – ehemals Neues Deutschland – hat der langjährigen Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld die Zusammenarbeit aufgekündigt. Der Vorgang erinnert angesichts der Begründungen nicht nur an das derzeitige Phänomen der „Cancel Culture“, sondern auch an den Stalinismus, von dem sich das nd noch als Neues Deutschland nach dem Untergang von DDR und SED distanziert und verabschiedet hat. Mit Karin Leukefeld hat Tilo Gräser über den Vorgang gesprochen.
Frau Leukefeld, Sie berichten seit vielen Jahren als fast einzige deutsche Korrespondentin direkt aus dem Nahen Osten. Leser der NachDenkSeiten kennen Sie sicherlich, da Sie ja häufig für uns schreiben. Ihre Berichte waren zuletzt auch immer wieder in anderen linken und alternativen Medien zu lesen. Doch selbst das wird anscheinend immer weniger. Warum?
Als ich im Jahr 2000 zunächst in der Türkei, dann im Irak meine Arbeit begann, habe ich für den ARD-Hörfunk, vor allem für den WDR, für den Deutschlandfunk und auch für die Deutsche Welle berichtet. Die Reportagen wurden häufig vom Schweizer Rundfunk übernommen. Die Junge Welt und das Neue Deutschland gehörten von Anfang an zu den Abnehmern meiner Berichte, auch die Katholische Nachrichten-Agentur.
2005 ging ich nach Damaskus, weil es in Bagdad zu gefährlich wurde. Ich folgte in gewisser Weise den irakischen Flüchtlingen, von denen mehr als 1 Million in Syrien Zuflucht fand. In Damaskus beantragte ich die Akkreditierung, die ich 2010 erhielt. 2011 waren meine Berichte aus Kairo vom Tahrir-Platz gefragt, doch als ich – zurück in Damaskus – von dort berichtete, dass die Menschen gegenüber dem „Arabischen Frühling“ sehr zurückhaltend waren und auf das verwiesen, was sie – mit dem jungen Präsidenten Assad – schon an Veränderungen erreicht hatten, erhielt ich Absagen selbst zu Reportagen, die schon bestellt waren.
Zunächst ging das Interesse an meinen Berichten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurück. Eine Ausnahme war lange noch der BR, der meine Reportagen gerne nahm, wie man mir versicherte. Weil sie so anders waren, weil dort Leute direkt zu Wort kamen. Ich traf in Damaskus politische Oppositionelle, mit denen ich Interviews führte, ihre Veranstaltungen besuchte u.a.m. Je mehr die Konfrontation in Syrien zunahm, desto weniger Berichte wurden mir abgenommen. Zudem erhielt ich Drohmails von angeblichen oder tatsächlichen syrischen Oppositionellen, die auch die Medien mit diffamierenden Leserbriefen gegen mich bombardierten. Dann wurde ich von Journalisten innerhalb des Rundfunks diffamiert, für den ich arbeitete und meine Angebote wurden oft gar nicht mehr beantwortet. Ich weiß von Kollegen aus anderen Ländern, denen es ähnlich erging, und ich gehe davon aus, dass dieses Vorgehen eine Kampagne gegen Journalisten war, die aus Syrien gegen den Strom berichteten. Wir haben uns an journalistische Maßstäbe gehalten: vor Ort recherchieren, verschiedene Quellen abfragen, nicht Partei ergreifen.
Welche Erklärung haben Sie dafür, dass nun nach den etablierten Medien auch solche, die sich links oder alternativ verorten, Ihre Berichte kaum noch veröffentlichen?
Die Redaktionen entwickelten eine eigene Vorstellung von dem, was in Syrien geschah. Sie waren sehr beeinflusst von der Berichterstattung der Agenturen und der „Leitmedien“, die allerdings nur selten eigene Korrespondenten im Land hatten. Die syrischen Oppositionellen im Ausland und diejenigen, die den bewaffneten Kampf propagierten, rückten in den Mittelpunkt. Diese Gruppen entwickelten ja mit so genannten „Bürgerjournalisten“ ihre eigenen „sozialen Medien“ und dominierten bald – mit Hilfe westlicher oder westlich orientierter Medien und Technologie – die Berichtslage über Syrien. Die linken Medien konzentrierten sich zunehmend auf die kurdisch geführten Kräfte im Nordosten des Landes, vermutlich, weil diese ihnen politisch näherstanden. Es gab und gibt auch in Deutschland eine starke Solidaritätsbewegung mit der kurdischen Bewegung. Manche Aktivisten schlossen sich den kurdischen bewaffneten Kräften an, zahlreiche verloren dabei ihr Leben. In den deutschen und linken Redaktionen verengte sich der Blick auf das gesamte Geschehen in und um Syrien.
Nun hat sich die Redaktion der Tageszeitung „nd“, früher „Neues Deutschland“, nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit von Ihnen getrennt. Was ist da passiert?
Ich weiß es nicht. Man hat mich in die Diskussion und Kritik, die es offenbar in der Redaktion über meine Artikel und Reportagen gab, nicht einbezogen. Ich erhielt ein Schreiben per E-Mail von der Redaktionsleitung, die mir den Beschluss einer Debatte und Abstimmung mitteilten, zu der der Redaktionsrat die Mitarbeiter eingeladen hatte. Ich war nicht eingeladen, niemand hat mich angesprochen. Dem Brief zufolge wurde über meine Texte und auch über meine Äußerungen in anderen Medien debattiert, dann schlug der Redaktionsrat vor, darüber abzustimmen, ob die Redaktion noch weiter mit mir zusammenarbeiten wolle. Eine „deutliche Mehrheit“ habe sich, „bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen, dafür ausgesprochen, die Zusammenarbeit“ mit mir „zu beenden und keine Texte mehr“ von mir „zu veröffentlichen“. Es hörte sich an wie ein Tribunal gegen eine Angeklagte, die nicht anwesend war. Ich weiß nicht, wer der Redaktionsrat ist. Das nd ist ja seit 2021 eine Genossenschaft, da hat sich einiges strukturell und wohl auch personell verändert.
Gab es einen konkreten Anlass? Was wird Ihnen konkret vorgeworfen?
In dem Schreiben wird kein konkreter Anlass genannt. Es hieß, meine Berichte aus Syrien seien „einseitig“, ich würde den (politischen) Westen für die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich machen und „Kriegsverbrechen und Interessen“ Syriens, Russlands und des Iran nicht nennen. Redakteure des nd hätten zudem meine Äußerungen in anderen Medien verfolgt, worüber kritisch diskutiert worden sei. Beispielsweise wurde meine Ablehnung des Verbots von RT Deutsch kritisiert, weil RT DE ein „Propagandainstrument der russischen Regierung“ sei und „erheblich mit Fake News“ arbeite. Wie gesagt, ich wurde nie darauf angesprochen.
Man hat sich auf das Redaktionsstatut berufen, in dem sich die Mitarbeitenden „der Verteidigung der Menschenrechte und der Vertretung der Interessen der Marginalisierten sowie dem Kampf gegen Rassismus, Klassismus, Antisemitismus, Sexismus und Faschismus und für den Frieden“ verpflichten. Davon hätte ich mich mit vielen meiner „Aussagen und Positionen so weit“ entfernt, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei.
Mir war nicht bekannt, dass meine sonstige Arbeit bei Vorträgen, Interviews oder für andere Medien von nd-Redakteuren verfolgt wurden und ich konnte mich zu keinem der im Brief genannten Punkte äußern, eine kafkaeske Situation. Offenbar war eine Diskussion mit mir auch nicht gewünscht.
Die „nd“-Redaktionsleitung hat Ihnen unter anderem „Einseitigkeit“ beim Thema Syrien, aber auch beim Ukraine-Konflikt vorgeworfen. Sie würden die Schuld für die dortigen Konflikte und Kriege nur dem Westen zuweisen …
Dazu könnte ich nur etwas sagen, wenn das nd mir einen konkreten Text vorgehalten hätte. Nehmen wir die einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen der EU und von den USA. Sie verstoßen gegen das Völkerrecht und es gibt zahlreiche Abstimmungen der UN-Vollversammlung, solche Maßnahmen zu stoppen. Die US-Armee hält wichtige Teile Syriens besetzt, u.a. die Gebiete, wo wichtige Ressourcen des Landes wie Öl, Weizen, Baumwolle sind. Eine US-Militärbasis wurde illegal in unmittelbarer Nähe eines wichtigen Grenzübergangs zwischen Irak, Jordanien, Syrien gebaut, die den Grenzübergang blockiert. Auch andere syrisch-irakische Grenzübergänge werden blockiert von den USA oder den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDK). Das alles sind Tatsachen und es sind nur einige der vielen Verletzungen des internationalen Rechts, die von den USA und ihren Verbündeten in Syrien verübt werden. Dabei geben sie an, dort den IS zu bekämpfen.
Soll man das nicht berichten? Keine dieser illegalen Maßnahmen hilft den Menschen in Syrien, die vielleicht politisch verfolgt oder gefangen gehalten werden. Im Gegenteil, es verschlimmert die Lage der Bevölkerung, darüber gibt es Berichte der UN-Sonderberichterstatterin Alena Douhan. Und schon ihr Vorgänger Idriss Jazaery hat darüber berichtet, sogar in Berlin auf Einladung von IPPNW. Kaum ein deutsches Medium in Berlin war an dem, was er zu sagen hatte, damals interessiert.
Als deutsche Korrespondentin in einem Kriegs- und Krisengebiet gehört es dazu, die Politik der deutschen Regierung in diesem Konflikt abzubilden und dem internationalen Recht gegenüberzustellen. Da gibt es erhebliche Diskrepanzen. Die Öffentlichkeit darüber zu informieren, ist journalistische Arbeit.
Zum Konkreten: Was ist dran an den Erklärungen aus dem „nd“, dass zum Beispiel in Syrien die dortige Führung mit ihren russischen und iranischen Unterstützern für die Eskalation verantwortlich ist?
Ich kann das nicht bestätigen. Beide Länder haben den syrischen Staat gegen bewaffnete Gruppen unterstützt, weil Syrien um Unterstützung gebeten hatte. Es gab mehr als 50 Fronten in Syrien damals, die syrische Armee war völlig überfordert. Die Entwicklung und Geschichte des Syrien-Krieges macht das deutlich, es ist nachzulesen. Damit muss man sich – gerade im Journalismus – befassen, bevor man etwas berichtet.
Nochmal zur Erinnerung: Es gab einen internen Konflikt, der durch Einmischung von Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und den USA mit massiven Waffenlieferungen zu einem regionalen und internationalen Konflikt gegen die syrische Regierung wurde. Waffen wurden aus Libyen über das Mittelmeer in die Türkei und von dort nach Syrien geschmuggelt. Aus Katar und Saudi-Arabien und Kroatien wurden Waffen nach Jordanien und in die Türkei geflogen, und von dort nach Syrien geschmuggelt. In der Türkei und in Jordanien entstanden militärische Operationszentren von Militärs und Geheimdiensten arabischer Staaten, der USA, Türkei und von NATO-Ländern, die die bewaffneten Gruppen in Syrien führten. Auch Israel war beteiligt.
Alles ist nachzulesen in Recherchen englischsprachiger Medien wie der New York Times, auch in meinem Buch Flächenbrand ist vieles darüber zu lesen. Internationale Medien, vor allem Al Jazeera, spielten – mit einer kampagnenartigen Darstellung – eine wesentliche Rolle in der Eskalation. Und zwar so sehr, dass Journalisten den Sender aus Protest verließen.
Wie gesagt, Russland und Iran haben auf Bitten der syrischen Regierung in den eskalierenden Krieg gegen das Land eingegriffen. Iran und die libanesische Hisbollah früher, Russland im September 2015. Die USA hatten schon im September 2014 mit dem Abschuss von Marschflugkörpern aus dem Persischen Golf die syrischen Ölfelder zerstört, nachdem diese von der „Freien Syrischen Armee“, der Nusra Front und Al Qaida im Irak besetzt worden waren. Die USA und das „Anti-IS-Bündnis“ haben in Syrien operiert, obwohl sie nie von Syrien darum gebeten worden waren und für ihr Handeln auch kein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorweisen können. Das ist nach dem internationalen Recht nicht zulässig, sondern Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Russland hat den USA immer wieder Angebote zur Kooperation im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ gemacht, die USA haben das abgelehnt. Alles was es gab, war eine russisch-US-amerikanische Vereinbarung, sich gegenseitig über Luftangriffe in Syrien zu informieren, um sich nicht gegenseitig abzuschießen.
Der Krieg in Syrien war nie ein Bürgerkrieg, sondern es war ein internationaler Krieg gegen und um Syrien. Es gab einen internen Konflikt, der intern hätte gelöst werden müssen, und er hätte gelöst werden können. Da der aber von außen im wahrsten Sinne des Wortes befeuert wurde, wurden Gesellschaft und das Land mit allen seinen Errungenschaften zerstört.
Gibt es da einen grundlegenden Konflikt zwischen Redaktionen in einer westeuropäischen Hauptstadt und Auslandskorrespondenten in entfernten Konfliktgebieten und Ländern, wenn es um die Einschätzungen der Vorgänge geht?
Ja. Nach mehr als 20 Jahren Arbeit in der Region des Nahen und Mittleren Ostens – aktuell können wir das in der Konfrontation Israel-Hamas sehen – kann ich diese Frage nur ganz klar mit Ja beantworten. Alle Konflikte haben eine Vorgeschichte, alle Krisen haben, bevor es zum Krieg kommt, Ursachen und es gibt Lösungen und Vorschläge, die berichtet werden können und müssen.
Woran liegt es, dass sich die Koordinaten in den Redaktionen verschoben haben? Ein Grund ist sicherlich der „Krieg gegen den Terror“ seit 2001, der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien durchdrungen hat. In der Außenpolitik geht es um Geopolitik und um Interessen. Menschen, Gesellschaften, Völker werden dem untergeordnet. Über Flüchtlinge zu berichten, bedeutet, über die Zerstörung der Lebensgrundlagen dieser Menschen in ihrer Heimat zu berichten.
Medien in den westeuropäischen Hauptstädten suchen heute „einen Platz am Tisch mit der politischen Macht“, wie es der Journalist Patrick Lawrence in seinem Buch „Journalists and their shadows“ beschreibt. Auslandskorrespondenten in Ländern, die auf der „Achse des Bösen“ liegen und Hauptschauplatz des „Krieges gegen den Terror“ sind, sind unbequem, um nicht vielleicht sogar zu sagen, sie sind im Weg.
Ein Bericht aus Syrien – oder einem anderen Land – ist natürlich anders als der Blick aus deutschen oder anderen ausländischen Redaktionen auf Syrien. Dieses Problem haben viele ernsthaften Korrespondenten, die sich, wie ich, der klassischen journalistischen Korrespondenz verpflichtet haben. Das heißt, zwischen Reportage, Interview, Bericht, Meinung, Analyse, Feature zu trennen. Unter dem Motto „Leben hinter den Schlagzeilen“ versuche ich den Menschen eine Stimme zu geben, jenseits von politischer „Einordnung“, wie sie immer mehr von Redaktionen gefordert wird. Ich frage meine Gesprächspartner nicht: „Wollen Sie den Sturz des Regimes“, wie eine Al-Jazeera-Journalistin im März 2011 einen alten Mann in Deraaa fragte. Ich frage nach den Lebensumständen, welche Klagen es gibt. Ich schreibe für die Leserschaft und nicht, um den Redaktionen zu gefallen.
Die „nd“-Redaktion hat Ihnen auch vorgeworfen, sich in anderen Medien „politisch positioniert“ zu haben, und zwar so, wie es den Positionen der Zeitung laut Redaktionsstatut widerspräche. Das reicht von der Verteidigung der Menschenrechte über den Kampf gegen alle möglichen Ismen wie Rassismus und Klassismus samt Antisemitismus bis hin zum Frieden. Wie haben Sie dagegen verstoßen?
Dass nd – Mitarbeiter und Redaktionsleitung – das mitgemacht haben, zeigt, dass sie komplett den Kompass verloren haben. Jede Person hat das Recht, seine/ihre politische Meinung zu sagen. Das gilt auch für mich als Journalistin. Eine Redaktion lebt übrigens davon, unterschiedliche Meinungen der Redakteure zu hören und sich auszutauschen. Das schärft die Berichterstattung. Die Passage im Redaktionsstatut als Begründung für die Beendigung der Zusammenarbeit mit mir heranzuziehen, ist reine Diffamierung. Weil indirekt unterstellt wird, ich würde die Menschenrechte missachten, sei rassistisch und anti-semitisch und sei für Krieg, nicht für Frieden.
Das „nd“ wirbt derzeit für sich mit hehren Ansprüchen wie „Demokratie lebt von Streit“ und der Aufforderung: „Mischt mit, bringt Euch ein.“ Das Blatt leistet angeblich einen „wichtigen Beitrag zum Erhalt von Pluralität an Themen und Perspektiven in Gesellschaft und Politik“ und bezeichnet sich als „vielstimmig, nervig und immer ein erfrischendes Ärgernis“. Was Ihnen da gerade passiert ist, widerspricht dem ganz offensichtlich. Wie sehen Sie das?
Ich dachte ja erst, es sei ein Fake-Schreiben. Eine E-Mail ohne Briefkopf, ohne persönliche Unterschriften hätte von überall her kommen können. Und sicherlich würde so mancher viel dafür geben, eine mehr als 20-jährige, auf gewissem Vertrauen gebaute Arbeitsbeziehung mit so einem Fake-Schreiben aus den Angeln zu heben. Aber ich habe im Sekretariat der Redaktionsleitung angerufen und mir wurde bestätigt, dass es echt ist.
Der ganze Vorgang spricht der Eigenwerbung des nd Hohn, weil es ein gänzlich undemokratisches Vorgehen beschreibt. In einer Art „Cancel Culture“, wie man sie bei Facebook, WhatsApp oder X vormals Twitter findet, wurden meine Arbeit und meine Person diffamiert. Ich erhielt ein finales Schreibverbot im nd und das hat nichts mit Pluralität zu tun, geschweige denn mit dem journalistischen Auftrag von Aufklärung.
Stehen alternative und linke Medien so unter Druck, dass sie sich doch an die Vorgaben des Mainstreams anpassen? Das scheint bei den Vorwürfen gegen Sie zu den Themen Syrien und Ukraine der Fall zu sein. Warum geschieht das anscheinend?
Ich würde mich nicht wundern, wenn politischer Druck auf die Redaktion ausgeübt wurde. Von Genossenschaftlern oder anderen Geldgebern, politisch, von wem auch immer. Aber als Freiberuflerin bin ich ja außerhalb einer Redaktion und erfahre nichts oder kaum etwas über innere Vorgänge.
Ich habe der „nd“-Redaktion Fragen zu dem Vorgang gestellt. Die blieben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Antwort. Haben Sie Antworten auf Ihr Schreiben an die Kollegen bekommen? Verweigert die Redaktion dieser Zeitung die notwendige Debatte?
Keiner aus der Redaktion hat auf mein Antwortschreiben geantwortet. Entweder gibt es im nd ein Klima der Angst oder die Leute, die dort arbeiten, haben sich von dem ursprünglichen Selbstverständnis des Journalismus komplett entfremdet. Von Kollegialität oder Solidarität ganz zu schweigen.
Welche Folgen hat diese Trennung des „nd“ von Ihnen als langjähriger Korrespondentin für Sie selbst, für Ihre Arbeit?
Es fehlt natürlich Einkommen. Meine Akkreditierung in Syrien war 2010 für das Neue Deutschland erteilt worden. Ich hoffe, ein anderes Medium wird übernehmen. Auch können viele Leser und Leserinnen, die meine Reportagen und Berichte seit vielen Jahren verfolgten, gut fanden und das sowohl der Zeitung als auch mir persönlich schrieben, das nicht mehr lesen. Und sie wissen nicht, warum. Persönlich ist so eine Art von Trennung nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit ein Schlag ins Gesicht. Ich erinnere mich da lieber an den früheren, langjährigen Chefredakteur des Neuen Deutschland, Jürgen Reents. Mit ihm gab es immer Diskussionen, die oft nicht einfach waren. Er interessierte sich auch für die Umstände, unter denen ich arbeitete. Er war der Einzige, der mich angerufen hat, um zu fragen, wie es mir geht und ob ich Hilfe bräuchte. In Kairo 2011, in Damaskus 2012.
Anmerkung der Redaktion: Die NachDenkSeiten werden Karin Leukefeld bei der Akkreditierung helfen und sie als gute, langjährige freie Mitarbeiterin enger als Korrespondentin für die Nahost-Region einbinden.
Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105551
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