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Die Welt ist im Umbruch: Russland, Nordkorea, China, Ukraine: mit Alastair Crooke, ehemaliger britischer Botschafter

Judge Andrew Napolitano für Judging Freedom mit Alastair Crooke 14. 09. 2023
16. September 2023
"Alastair, ich möchte mit Ihnen über Ihre jüngste Schrift zur amerikanischen Hegemonie sprechen und darüber, wie diese auf den Westen zurückschlägt. Bevor wir das tun  – Sie und ich haben noch nicht über 9/11 gesprochen. Und ich glaube, Sie haben mir in unseren früheren Gesprächen erzählt, dass Sie Osama Bin Laden tatsächlich persönlich getroffen haben und sogar einmal in Abbottabad, Pakistan, gelebt haben, wo er sich aufhielt, als das amerikanische Militär ihn ermordet hat".

Die Übersetzung und das anspruchsvolle Transkript für seniora.org besorgte Andreas Mylaeus

(Red.) Einige Hinweise zu diesem sehr aufwändigen Transkript sind nötig:
Am letzten 11. September war ein weiterer Jahrestag der furchtbaren Ereignisse in New York im Jahre 2001. Zu diesem Anlass haben sich viele geäussert, auch in den alternativen Medien. Unter anderem waren die inzwischen äußerst systemkritischen früheren CIA Mitarbieter Larry Johnson (der damals persönlich für Terrorabwehr zuständig war) und Ray Macgovern im Interview mit Judge Andrew Napolitano und haben über die "Versäumnisse" der amerikanischen Institutionen nachgedacht. Alastair Crooke hatte diese Interviews gesehen und hat Andrew Napolitano darauf aufmerksam gemacht, dass deren Narrativ teilweise nicht haltbar ist. Wir erleben also in dem anliegenden Interview einen (damals als diplomatischer Emissär getarnten) früheren Mitarbeiter des MI6, der persönliche Erfahrungen beisteuern kann, die deutlicher nicht sein könnten. Aber lesen Sie selbst.
Zudem wird hier auch sehr deutlich, welche historisch-kulturellen Einflüsse dem heutigen Exzeptionalismus der US-amerikanischen Aussenpolitik zugrunde liegen: Es handelt sich um calvinistisch-puritanisch-protestantische Elemente, deren Auserwähltheitswahn bis heute reicht.
Henry Kissingers verheerender Einfluss wird erwähnt, wobei beizufügen wäre, dass Henry Kissinger ein Zögling der Familie Rockefeller war (genau die Art puritanisch-calvinistische Familie wie etwa auch J.P. Morgan) - kein Wunder, dass er fand, das Finanzsystem bestimme die Welt: die amerikanische Realwirtschaft wurde systematisch zugunsten der Wallstreet demontiert und die Welt wurde mit Geld regiert. Jetzt zeigt sich aber, dass dieser Koloss tönerne Füsse hat und man Geld - auch wenn es aus der ganzen Welt zusammengepumpt und -gestohlen wird - nicht essen kann...(am)

Andrew Napolitano:

Hallo zusammen, hier ist Judge Andrew Napolitano für Judging Freedom. Heute ist Donnerstag, der 14. September 2023. Alastair Crooke ist jetzt bei uns.

Alastair, ich möchte mit Ihnen über Ihre jüngste Schrift zur amerikanischen Hegemonie sprechen und darüber, wie diese auf den Westen zurückschlägt. Bevor wir das tun   – Sie und ich haben noch nicht über 9/11 gesprochen. Und ich glaube, Sie haben mir in unseren früheren Gesprächen erzählt, dass Sie Osama Bin Laden tatsächlich persönlich getroffen haben und sogar einmal in Abbottabad, Pakistan, gelebt haben, wo er sich aufhielt, als das amerikanische Militär ihn ermordet hat. Erzählen Sie uns von Ihren Beobachtungen und Begegnungen mit Osama Bin Laden. Sagen Sie uns, ob Sie glauben, dass seine Organisation so ausgeklügelt war, dass sie den Anschlag am 11. September 2001 allein hätte durchführen können oder nicht.

Alastair Crooke:

Nun gut, also. Ich habe ihn kennengelernt und habe ihn als sehr zurückhaltende Person in Erinnerung. Ziemlich intellektuell, groß, schweigsam, alles aufnehmend. Nicht besonders charismatisch, aber er hatte eine Ausstrahlung. Es besteht kein Zweifel, dass er eine Präsenz hatte. Aber seine Organisation... Und man darf nicht vergessen: Er kam aus der saudischen Elite. Seine Familie war eine der wichtigsten Familien in Saudi-Arabien. Er gehörte also zur Elite und war ziemlich weit weg von dem, was tatsächlich geschah. Aber die Gruppen, die kamen... Ich meine, viele der Leute, die dorthin geschickt wurden   – und es gab einen saudischen Prinzen, der einmal im Monat kam und Schecks an Al Kaida und die anderen Gruppen an das Dienstleistungsbüro ausstellte, das in Peshawar ansässig war, und ich war zu dieser Zeit in Peshawar. Aber als sie anfingen, und ich diese Wahabiten, die zu dieser Zeit kamen gesehen habe... Viele von ihnen waren Leute, die die Saudis loswerden wollten. Sie waren Unruhestifter, die sie aus dem Königreich heraushaben wollten. Also schickten sie sie nach Afghanistan, um dort zu kämpfen und getötet zu werden.

Aber in Wirklichkeit wussten sie nichts. Sie wurden als sehr dumm angesehen. Es gab einen Scherz unter den Afghanen: "Wer ist der Dümmere von beiden: der Esel oder der Wahabi?" Die Wahabi galten als die dümmsten. Sie wurden von den Afghanen als sehr minderwertig angesehen, unfähig, auch nur eine echte Operation durchzuführen.

Andrew Napolitano:

Glauben Sie, dass die amerikanische Regierung die Wahrheit sagt, wenn sie behauptet, dass Obama Bin Laden der Drahtzieher, der Organisator, der Finanzier hinter den Anschlägen vom 11. September war?

Alastair Crooke:

Ich habe nichts von der Organisation gesehen   – damals, das betone ich   – ich habe absolut nichts gesehen, was darauf schließen ließe, dass sie die Kapazität oder die Intelligenz hatten, eine so komplizierte Operation wie 9/11 durchzuführen, die sehr kompliziert war. Es war eine Menge Vorplanung und Organisation erforderlich, um eine derartige Operation durchzuführen. In Afghanistan konnten sie nichts dergleichen tun   – gar nichts!

Andrew Napolitano:

Haben Sie einmal in Abbottabad, Pakistan, gelebt, wo Bin Laden ermordet wurde, und wenn ja, können Sie uns sagen, wie es dort war? Ist es ein ziviles Gebiet, in dem man einfach kommen und gehen kann, wie man es für richtig hält?

Alastair Crooke:

Nun, es ist das, was man in Pakistan eine Bergstation nennt. Sie liegt nicht unten in den heißen Ebenen und ist der Aufenthaltsort des Militärs. Es handelt sich also um eine reine Militärstation. Sie wird von der pakistanischen Armee betrieben. Sie ist voll von Militärs, die dort die heißen Monate verbringen, und alles dient dem Militär, sehen Sie, die Lebensmittel und alle Dienstleistungen   – ein großes Militärlager. Aber da es sich um ein Militärkantonallager handelt   – ich weiß nicht, ob Ihre Zuhörer das wissen   – ein Kantonallager ist ein militärisches Sperrgebiet, ein Militärkantonallager. Ich meine, es war unmöglich für jemanden wie Bin Laden, ohne... Er stand unter Arrest! Offensichtlich wurde er dort vom Militär in Verwahrung gehalten. Er konnte sich nicht von dort wegbewegen.

Die ganze Geschichte über seine Ermordung war also von den Pakistanern frei erfunden. Sie sagten den Amerikanern zu dieser Zeit   – die Pakistaner sagten: "Wir werden uns darauf einlassen, aber es ist so wichtig für uns, dass es nicht so aussieht, als hätten wir ihn euch übergeben, denn das würde unsere Beziehungen zu vielen Gruppen, islamischen Gruppen in der Region, ruinieren. Man muss also den Anschein erwecken, dass es sich um eine rein amerikanische Operation handelt und wir davon völlig überrascht werden.“ Das war also eine Scharade.

Der Gedanke, dass Bin Laden von Tora Bora aus etwas so Kompliziertes wie den 11. September inszeniert hätte   – später natürlich, viel später als ich ihn kennengelernt habe   – schien mir einfach nicht zu passen. Ich habe einfach nicht geglaubt, dass sie... Also, wenn ich höre   – und ich habe gehört, wie Sie neulich mit Ray Macgovern darüber gesprochen haben   –, wissen Sie, das schien mir eine komplett von der Regierung organisierte   – von welcher Regierung auch immer, aber vielleicht von mehreren Regierungen   – organisierte Übung zu sein.

Und es gab von Anfang an keine Verbindung zum Jemen. Das waren die Leute aus Saudi-Arabien, die die Saudis rausgeschmissen haben, damit sie in Afghanistan sterben. Das war eine Möglichkeit, sie in der Phase loszuwerden. Das waren überhaupt keine kultivierten Leute.

Andrew Napolitano:

Letzte Frage in dieser Sache. Glauben Sie, dass die Navy Seals ihn ermordet haben, oder glauben Sie, dass das pakistanische Militär es getan hat, oder glauben Sie, dass das pakistanische Militär einfach weggesehen und die Navy Seals reingelassen hat?

Alastair Crooke:

Ja, sie haben einfach weggesehen. Und einer der Hubschrauber stürzte ab. Sie konnten ihn nicht einmal richtig landen. Es war eine etwas verkorkste Operation. Sie sind einfach reingegangen. Ich habe danach davon gehört…

Das war ein quid pro quo für die Amerikaner, denn die Pakistaner wollten von den Amerikanern etwas im Zusammenhang mit Afghanistan, und der Deal war: "Wir liefern euch Bin Laden für eine Show als Attentat."

Andrew Napolitano:

War Bin Laden zum Zeitpunkt seiner Ermordung eine Gefahr und Bedrohung für den Westen?

Alastair Crooke:

[Gelächter] Er war ein Gefangener der Pakistaner. Er war nicht in der Lage, sich überhaupt zu bewegen. Er war von 3.000 pakistanischen Soldaten umgeben. Er war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Als ich dort war   – es war nur für den Sommer   – aber das pakistanische Militär beobachtete alles. Alles. Es gab keine Zivilisten in dieser Stadt. Das ist es, was ein Militärkantonment ist: Es ist einfach eine Militärstadt. Bin Laden sass in einer Militärstadt [Gelächter]...

Andrew Napolitano:

Sehr aufschlussreich, Alastair.

Kommen wir nun zu Ihrem jüngsten Beitrag über die amerikanische Hegemonie. Worauf gründet sich Amerikas Glaube an seine eigene Vormachtstellung und Hegemonie, dass es "Demokratie" verbreiten kann   – ich sage das in Anführungszeichen   – ich glaube, es verbreitet in Tat und Wahrheit Gewalt, aber was auch immer es verbreitet, es kann es ungestraft in der ganzen Welt verbreiten? Woher kommt das?

Alastair Crooke:

Ich denke, das kommt von einem tiefen Gefühl der Ausnahmestellung. Ich meine, es hat offensichtlich einige Wurzeln in einer calvinistischen und puritanischen Tradition, die besagt, dass man auserwählt ist und eine besondere Mission und eine besondere Aufgabe im Leben hat. Aber ich denke, diese Art von Expansionismus war wirklich die Grundlage für den Zusammenhalt der Vereinigten Staaten. Es war immer eine heterogene Gruppierung von Menschen, die aus Italien, aus der ganzen Welt gekommen sind. Und die Expansion wurde mehr und mehr notwendig, um die Vereinigten Staaten als Bevölkerung zusammenzuhalten, um die Gemeinschaft zu bewahren. Die Rückbesinnung auf die alten Werte, aber auch die Mission und der moralische Kurs waren wichtig, um das Land zusammenzuhalten, denke ich.

Andrew Napolitano:

Und wie kann man die Werte, die diesem moralischen Anliegen zugrunde liegen, auf den Wunsch des amerikanischen außenpolitischen Establishments   – insbesondere der Neocons   – übertragen, um die Ukraine von Russland zu trennen? Beispiel: Glauben die Neocons, dass Russland nur mit einer neutralen Ukraine oder einer von Russland unterworfenen Ukraine als Russland erfolgreich sein kann? Oder wollen sie die Ukraine als Rammbock benutzen, um Präsident Putin aus dem Amt zu jagen?

Alastair Crooke:

Wissen Sie, als ich in Afghanistan war   – an der Grenze von Afghanistan   –, bevor die Russen Afghanistan verließen, war alles, was geschah, ein Spiegelbild von Zbigniew Brzezinskis Werk "The Grand Chessboard" [deutsch: Die einzige Weltmacht]. Und darin hatte er geschrieben: "Was auch immer geschieht, die Vereinigten Staaten dürfen niemals zulassen, dass das Kernland   – das heißt Zentralasien   – als politische Institution zusammenkommt."

Andrew Napolitano:

Sie sprechen von Zbigniew Brzezinski, der nicht mehr lebt. Er war der nationale Sicherheitsberater und außenpolitische Guru unter Präsident Carter.

Alastair Crooke:

Ja, und er war derjenige, der Carter empfahl, die Islamisten nach Afghanistan zu schicken, um Afghanistan für Russland   – die damalige Sowjetunion   – in einen Sumpf zu verwandeln. Das war seine Politik, und er hat das Papier darüber geschrieben.

Andrew Napolitano:

Er empfahl Carter, die Islamisten nach Afghanistan zu schicken, mit denen die USA schließlich einen Krieg führen würden, als George Bush in Afghanistan einmarschiert ist und das die USA zwanzig Jahre lang besetzen würden.

Alastair Crooke:

Ganz genau. Er empfahl, die Islamisten reinzuschicken, und das war der Beginn dieser Beziehung zu Saudi-Arabien   – aber er unterstützte die islamistischen Bewegungen, um die damals in Kabul herrschende säkulare und kommunistische Regierung zu untergraben.

Aber zur gleichen Zeit schrieb er auch sein berühmtes Buch The Grand Chessboard [1997]. Darin schrieb er ganz klar, 1997 oder 1996, er schrieb: Der Schlüssel, den Amerika erhalten muss ist, das Kernland geteilt zu halten. Derjenige, der das Kernland beherrscht, beherrscht die Welt, war das Thema des Buches. Und das darf niemals zugelassen werden, weil die Vereinigten Staaten dadurch Schaden nehmen würden. Und so lautete sein Argument: Die Ukraine war der Schlüssel, der Schlüssel zu diesem Prozess. Und er schrieb in seinem Buch sehr deutlich: Wenn die Ukraine zu Russland gehört, wird Russland eine große Kernlandmacht werden, aber ohne sie wird es das nicht, kann es nicht eine große Macht werden. Aber schon damals waren die Neocons und Brzezinski   – wie Sie sagen, damals war er der Nationale Sicherheitsberater   – sehr klar: Das Kernland darf nie entstehen, und außerdem ist die Ukraine der Dreh- und Angelpunkt: Wenn sie sich Russland und China annähern, dann wird es ein mächtiges Kernland geben. Wenn wir das verhindern können, dann wird es keines geben.

Andrew Napolitano:

Also sagt Brzezinski: Wer das Kernland beherrscht, beherrscht die Welt. Und Henry Kissinger, sein Vorgänger bei zwei Präsidenten, hat gesagt   – korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege: Wer das Geld kontrolliert, kontrolliert die Welt. Wer hat Recht, Alastair? Oder gibt es noch eine dritte Sicht der Dinge?

[Gelächter]

Alastair Crooke:

Nun, das geht natürlich auf die alte, alte Geopolitik zurück, mit der wir uns herumgeschlagen haben: das Kernland gegen die Seemächte, die atlantischen Mächte. Und man war immer der Meinung, dass die Seemächte, von denen Europa und Großbritannien und Amerika große Beispiele waren, nicht zulassen durften, dass die Landmassen eine starke politische Union bilden.

Aber Kissinger hat sich geirrt. Denn er sagte einfach: Geld! Wer Geld hat, wer das monitäre System beherrscht, beherrscht die Welt. Aber natürlich, was wir jetzt gesehen haben   – und Putin hat bewiesen, dass diese Doktrin falsch ist, weil es sich gezeigt hat, dass es nicht nur Geld ist, das ausreicht. Es sind die Rohstoffe, es ist die Energie, es sind die Menschen. Es ist die gesamte Technologie. Das sind die Dinge, die es einem erlauben, das Kernland zu beherrschen. Nicht nur das Geld allein.

Und Kissinger war der Architekt des Petrodollars zusammen mit den Saudis, um ein System zu schaffen, in dem der Dollar die mächtigste hegemoniale Währung sein würde, und um auf leisen Sohlen einen Kolonialismus zu schaffen, der den alten Kolonialismus der militärischen Gewalt ersetzt.

Andrew Napolitano:

Haben die Rohstoffe, die Energie und eine leidenschaftliche Bevölkerung...

Alastair Crooke:

...und auch eine Produktionsbasis...

Andrew Napolitano:

Richtig. ...Putin in die Lage versetzt, a) die amerikanischen Sanktionen zu besiegen, zu überwinden oder deren Wirkung zu neutralisieren und b) die Existenz der BRICS zu ermöglichen, um so eine Verwundbarkeit gegenüber dem amerikanischen Petrodollar zu manifestieren?

Alastair Crooke:

Oh ja, genau das! In der Tat, und das ist eines der beiden Dinge, die ziemlich auffällig sind, die ich hier als ungeheuerliche Fehler Washingtons betrachte, und zwar in dem Sinne, dass erstens die Sanktionen gegen Russland Russland wirtschaftlich stärker gemacht haben. Sie haben das Land dazu gebracht, Veränderungen vorzunehmen, wirtschaftliche Veränderungen, sich selbst zu versorgen, seine Wirtschaft zu modernisieren, sich selbst zu versorgen, damit es nicht vom Westen abhängig ist. Und das hat Wirkung gezeigt. Die Sanktionen haben nun also den gegenteiligen Effekt gehabt. Sie haben Amerikas Verbündeten Europa spürbar geschwächt. Wir sind durch die Sanktionen gegen Russland geschwächt und Russland ist gestärkt worden.

Aber ich würde auch sagen, dass es die Belagerung Chinas ist, hinsichtlich dieser Technologie, Hochleistungstechnologie   – Mikrochips, die beste Technologie. Und China macht dasselbe mit Amerika. Das haben wir gesehen, als China entgegen allen Erwartungen plötzlich ein Smartphone mit einem kleinen 7nm-Chip produziert hat. Man dachte, dass Huawei durch die Isolation und die Sanktionen, die gegen das Unternehmen verhängt wurden, am Ende sei. Tatsächlich hat dies die Chinesen dazu angespornt, schneller als gedacht einen fortschrittlichen Mikrochip zu entwickeln, der mit allem vergleichbar ist, was der Westen hat   – in einem Jahr wird es soweit sein, ganz sicher. Es hat also den gegenteiligen Effekt. Was ich damit sagen will ist, dass sie die westliche Technologie behindert und nicht fördert, weil sie die Situation in einen Wettbewerb mit China und eine Belagerung Chinas verwandelt. Aber wer belagert am Ende des Tages wen? Ich meine, am Ende könnte es China sein. Nun, die Leute werden sagen, wenn wir unsere Chips aus Amerika nehmen, wenn wir vielleicht deshalb sanktioniert werden, dass wir irgendetwas hernehmen   – sogar die Maschinen, die Chips herstellen, werden im Moment sanktioniert. Vielleicht sind wir also besser dran, wenn wir in China einkaufen. Ich glaube also nicht, dass das sehr gut funktionieren wird.

Und die Konsequenz daraus ist, dass wir jetzt mit einem wachsenden Druck seitens der globalen Welt, des globalen Südens und der BRICS und der Rest-G20 und der Afrikanischen Union konfrontiert sind, die das Gefühl haben, dass sie den nötigen Einfluss haben, den finanziellen Einfluss, und dass sie den Wunsch haben zu sagen: Wir wollen jetzt einen Platz an der Spitze: Wir wollen jetzt einen Platz ganz oben. Wir wollen die Kontrolle haben. Wir werden nicht zulassen, dass ihr über die Finanzen entscheidet. Wir wollen eine vollständige Reform von Bretton Woods, der Finanzstrukturen, der WTO, der Weltbank und des IWF   – und all dieser Dinge. Wir wollen stimmberechtigte Mitglieder sein. Wir wollen das ändern.

Und der Ausgangspunkt dafür waren diese beiden Treffen, das BRICS-Treffen und dann das G20-Treffen. Und die G20 mussten schließlich einlenken und sagen: Ja.

Und ich habe jetzt gesehen, worüber Blinken gesprochen hat: Die alte Weltordnung ist vorbei und die Vereinigten Staaten müssen die neue Ordnung gestalten, weil sich alles verändert. Nun, das ist es... Der Druck wird kommen. Und ich will damit sagen, dass diese überstürzten Entscheidungen, Sanktionen gegen Russland zu verhängen und eine Belagerung von China in technischer Hinsicht zu veranstalten, die Vereinigten Staaten in vielerlei Hinsicht so geschwächt haben, dass sie diesem Druck jetzt ausgesetzt sind und schließlich in eine Finanzkrise geraten könnten, aus der sie sich nur schwer befreien können, weil sie sich selbst erlaubt haben...

Ich will damit sagen, dass wir im Westen uns selbst in eine Situation gebracht haben, in der Russland und China nun das Gewicht und die Macht haben, zusammen mit dem globalen Süden darauf zu bestehen und uns zu bedrängen. Das wird sehr schwierig werden. Ich weiß nicht, was passieren wird, aber in den nächsten Jahren werden wir es vielleicht sogar erleben... In der nächsten Woche beginnt der Druck auf der UN-Versammlung: Brasilien wird die erste Rede halten. Brasilien ist der Meinung, dass es im Sicherheitsrat und in der UN-Versammlung vertreten sein sollte. Indien ist auch der Meinung, dass es dort sein sollte.

Wir treten also in eine Ära erheblicher Veränderungen, auch wirtschaftlicher und struktureller Veränderungen, ein.

Andrew Napolitano:

Die Sanktionen funktionieren nicht, die Sanktionen schaden dem Westen. Europa leiht sich Geld, um der Ukraine Munition zu liefern. Die Vereinigten Staaten leihen sich Geld, um der Ukraine Waffen zu liefern. Eine ausreichende Zahl von Republikaner im Repräsentantenhaus sind gegen weitere Hilfen, so dass es so aussieht, als ob die nicht durch den Kongress kommen würden.

Ich werde Sie fragen, nachdem wir diesen Clip gezeigt haben. Frage, Alastair: Hat es sich gelohnt? Und haben die Eliten irgendwelche Antworten darauf? Aber bevor Sie antworten, möchte ich, dass Sie Präsident Zelensky dabei zusehen, wie er drei Dinge sagt: Es wird kein glückliches Ende dieses Krieges geben, hüten Sie sich vor der Domino-Theorie: Wenn Putin die Ukraine besetzt, wo wird er als Nächstes hingehen, und dies ist nicht unser Krieg, es ist ein gemeinsamer Krieg. Hören Sie sich das an:

[eingefügter Videoclip vom 8. September 2023   – auf CNN]

Zelensky:

Es ist kein Film mit einem Happy End. Wir werden kein Happy End haben. Wir haben eine Menge Leute verloren. Kein Happy End. Wir müssen uns damit abfinden. Sieg, das ist nur eine Sache, die die Rückeroberung unseres Landes bringen kann. Sie bedeutet, Russland nicht die Möglichkeit zu geben, andere Länder anzugreifen, die baltischen Länder, Polen, und uns dann alle durch diese Aggression zurück in die UdSSR zu bringen. Das wollen wir nicht. Dies ist nur die Position dafür. Der Sieg ist keine Freude. Der Sieg ist nur eine Möglichkeit, sich zu verbünden. Und die Menschen im Westen müssen das erkennen. Nicht unsere Werte, gemeinsame Werte, nicht unser Krieg, gemeinsamer Krieg. Wir zahlen den höchsten Preis, das ist wahr. Und ich möchte diese Worte nicht wiederholen. Jeder kennt diese Worte. Aber sie dürfen sie nicht nur wissen. Die Menschen im Westen müssen es fühlen.

[Ende vom eingefügten Videoclip]

Andrew Napolitano:

Die Menschen im Westen müssen es fühlen.

Die europäischen Eliten sind damit einverstanden. Sind sich die europäischen Eliten einig, dass dies ein gemeinsamer Krieg ist? Glauben die europäischen Eliten, dass die Zerstörung von Nord Stream, der bevorstehende kalte Winter, das Scheitern der Sanktionen, die Auferlegung wirtschaftlicher Härten für sie selbst, glauben sie, dass all dies eine Pattsituation in der Ukraine wert war?

Alastair Crooke:

Ich glaube, sie haben sich von der Begeisterung dafür anstecken lassen, und ich glaube, sie dachten, sie würden... Die Europäische Union würde zumindest die Rolle einer Großmacht spielen, die gemeinsam mit Washington an einem Tisch sitzt. Und sie haben sich von der übergroßen Begeisterung anstecken lassen. Ich denke, es wird immer deutlicher, ich meine, es wird so deutlich, dass es sich nicht nur nicht gelohnt hat. Das war ein schrecklicher Fehler.

Ich meine, was er sagt, ist einfach eine komplette Travestie. Die Ukrainer   – insbesondere eine Fraktion, die seine Regierung dominiert, die Ultranationalisten   – sahen den Maidan als eine Gelegenheit, Russland einen Schlag zu versetzen und auch die separatistischen Republiken Donbas und Luhansk zu unterdrücken. Und genau das haben sie versucht, und genau das haben sie auch getan. Was Zelensky gesagt hat, stimmt nicht.

Und denken Sie daran, denken Sie daran: Putin hat die ganze Zeit nicht versucht, die separatistischen Republiken der Ukraine wegzunehmen. Er hat sieben Jahre lang versucht, dass der Donbass und Luhansk in der Ukraine bleiben, aber mit einem gewissen Grad an Autonomie und Entscheidungsfreiheit, und dass sie ihre Sprache und Kultur behalten können. Gleichzeitig sollten sie Ukrainer und Teil des ukrainischen Staates sein. Dagegen war er nicht.

Und jetzt will er Paris und Berlin erobern? Das ist Unsinn, das ist Blödsinn. Niemals.

Ich meine, Putin, lassen Sie es uns ganz klar sagen   – und ich habe ihn das selbst sagen hören. Ich habe ihm live eine Stunde, zwei, drei Stunden lang zu diesem Thema zugehört: Er ist... Er war zu dieser Zeit sehr pro-europäisch. Ich erinnere mich, wie ich einmal zu einem Treffen in Moskau gegangen bin. Und alle sprachen von einem größeren Europa: Von Wladowostok bis hinunter nach Lissabon sollte Eines werden. In unseren Sitzungen wurde darüber gesprochen, wie man das zustande bringen könnte. Es ging nicht um die Eroberung Europas. Es ging darum, mit Europa zusammen zu arbeiten und europäisch zu sein. Was Zelensky hier jetzt redet ist also völliger Unsinn.

Andrew Napolitano:

Alastair, immer wieder ein Vergnügen, mein lieber Freund. Vielen Dank für Ihre tiefgründige und profunde Analyse. Wir freuen uns darauf, Sie nächste Woche wieder in unserer Sendung zu haben.

Alastair Crooke:

Vielen Dank.

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