Was ihm nicht so gut gelungen ist, ist der Umgang mit all dem. Der Gedanke kam mir ausgerechnet in Zürich, dieser kleinen und grössenverliebten High-End-City, clean, Männer mit teuren Uhren, Frauen mit teuren Brüsten, der Schein macht das Sein, und das Sein ist bestrebt, so cool wie möglich dabei zu sein im VIP-Bereich der Zürich-Party und nebst dem SUV, dem Cabriolet, dem Mini Cooper S und der Harley noch ein Boot auf dem See zu besitzen, um den Schein glitzern zu lassen; First-Class-Erste-Welt-Schicksale.

Es war am Flughafen jener Stadt, durch die mehr Geld fliesst als Blut, in der es, ich weiss gar nicht, wann das gekippt ist, mehr Autoverkehr gibt als Geschlechtsverkehr, Zürich, so scheint mir, scheint immer ein wenig geil zu sein, ohne dabei eine Erektion zu bekommen oder ein feuchtes Höschen, und ich vermute, dass es inzwischen wohl mehr Geldautomaten gibt als Huren.

Vieles dort ist nur noch digital und virtuell lebendig, die Stadt ist wie eine glänzende Kreditkarte, die nahelegt, mit ihr die Welt kaufen zu können. Ich vermisse das Bargeld, dieses Zahlungsmittel aus der Zeit, in der die Welt noch gestunken hat, nach Benzin, nach Menschen, nach Sex, nach Ungerechtigkeit, als es Gesichter gab, die sich nach Jahren komponiert hatten und nicht operativ wegrasiert. Ich vermisse den Geruch von Bargeld, es zu fühlen in der Hosentasche, seine Realität mit mir herumzutragen, seine Möglichkeiten, seine Gnadenlosigkeit der Endlichkeit auch.

Da kam ich also an den Flughafen Zürich, nicht gut-, nicht schlechtgelaunt, ordentlich balanciert zwischen meinem Sein und dem der Welt, checkte ein, lief durch den Duty-free, schnappte mir eine Stange Zigaretten und wollte bezahlen, wie früher, an einer Kasse, wo hübsche Frauen mit teurem Make-up in niedlichen Uniformen standen und manchmal kurz lächelten. Aber da war nur eine Selbstbezahlungs-Self-Scanning-Station, raumschiffhaft fast, eine Lady stand da, eine, die, wie sich herausstellte, man nie mehr treffen möchte, eine hochnäsige Thusnelda, die dachte, sie habe den wichtigsten Job der Welt.

Ich lief also in die neue Wirklichkeit, stellte mein Handgepäck hin und schaute nicht in Augen, sondern auf einen Bildschirm. Ich stand da wie ein Idiot, das war so eine neue Generation von Bezahlmaschinen, Zürich halt in seinem Bestreben, immer voraus zu sein, egal, ob es Sinn macht, und ich wollte die Lady in Uniform rufen, aber die hatte zu tun mit anderen Menschen, denen die neuen Errungenschaften der Bezahlbranche ebenfalls ein Enigma war.

Endlich kam sie, sagte, auf Englisch natürlich: «Press here, and then scan your boarding pass, and then scan your cigarettes, and then insert your card.» Ich fühlte, wie dieses Gefühl hochkam von doofer neuer Welt. Ich sagte ihr, mit ruhiger Stimme, das Ganze sei ein wenig Bullshit. «Was sagten Sie?» Bullshit sei das, missverstandener Fortschritt. Ich bin mies drauf hier, Sie sind mies drauf, alle sind mies drauf hier, also was soll das?

Sie drehte sich weg, ich wollte weitermachen, aber da stand auf dem Bildschirm, dass die Transaktion abgebrochen worden sei. Ich guckte zur Lady in Uniform, die irgendeinem Inder mit zwanzig Tafeln Schokolade helfen musste. Ich sagte: «Sorry, but what the fuck.» Sie sagte, sie habe die Transaktion blockiert, weil ich unfreundlich gewesen sei. Ich sagte, ich sei ehrlich gewesen und meine Analyse ziemlich präzise.

«Sir», sagte die Lady laut, «noch ein Wort und ich hole die Polizei.» Ich sagte dann, etwas kleingeistig, zugegeben, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Polizei sie aus ihrem kümmerlichen Job retten könne. Und lief davon, vorbei an Parfüm, Alkohol, Nackenschlafstützen, Sonnenbrillen, bis ich endlich die allerletzte Kasse fand, die von einem Menschen bedient wurde.

«Nur Bargeld hier», sagte die Frau mit einem Lächeln. «Nie etwas anderes», sagte ich.

Kommentare

hba

Der Weltwoche und Roger Köppel möchte ich herzlich gratulieren, wie offen, kritisch und ehrlich hier berichtet und informiert wird. Hut ab! Alles und jeder bekommt hier Platz, seine Meinung kund zu tun.
So einen geist- und nutzlosen Artikel wie diesen zu publizieren, ist jedoch nicht wirklich nötig.

willy.wahl
09. Juli 2023 um 15:41 Uhr
@hba Die Welt ist voller geist- und nutzloser Artikel. Dieser gehört mit Sicherheit nicht dazu. Der Autor beschreibt geist- und humorvoll die unerfreuliche Wirklichkeit, der wir mit KI und anderen unmenschlichen "Erfindungen des Menschen" entgegen gehen. Für mich ist dieser Beitrag einer der besten dieser Woche! :-)

Quelle: https://weltwoche.ch/daily/des-menschen-erfindungen-ich-lief-also-in-die-neue-wirklichkeit-und-schaute-nicht-in-augen-sondern-auf-einen-bildschirm/#comment-634788

Mit freundlicher Genehmigung von Weltwoche.ch