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Den Gazastreifen dem Erdboden gleich zu machen ist für Biden kein "Endspiel"

Alastair Crooke 10. November 2023 - übernommen von almayadeen.net
13. November 2023

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Ein Angriff auf die Flugzeugträger der USA (auch ohne ins Detail zu gehen) wäre symbolisch gleichbedeutend damit, dass die Achsenmächte die Hegemonie der USA an der Wurzel angreifen. "Herausforderung angenommen".
(Al Mayadeen English; Illustration von: Arwa Makki)

Die Interessen der USA und Israels   – angesichts des entsetzlichen Anblicks der vielen toten Zivilisten in Gaza   – gehen sowohl kurz- als auch langfristig auseinander. Für "Israel", so der israelische Sicherheitsminister, ist alles, was nicht zur "Beendigung der Existenz der Hamas" führt, ein Misserfolg.

Die USA wollen "Israel" dabei helfen, die Hamas zu besiegen, doch indem sie die Messlatte so "messianisch hoch" legen, stellt Netanjahu Biden eine Falle: Sollte es der IOF nicht gelingen, die Hamas zu vernichten, kann "Israel" nicht "gewinnen". Und am Ende, wenn "Israel" sich einfach zurückzieht   – und die Hamas und ihr revolutionäres Ethos bleiben   – wird dies in der gesamten islamischen Sphäre als ein "Sieg" der Hamas verstanden werden. Um es ganz offen zu sagen: Die Einebnung des Gazastreifens ist für Biden keine Lösung.

Schlimmer noch, im letzteren Szenario ist Biden nicht mehr in der Lage, auf ein klares "Endspiel" der USA im Gazastreifen hinzuweisen, um die wachsende Kritik im eigenen Land an seiner "grenzenlosen" Unterstützung für "Israels" Krieg gegen die Hamas zu beschwichtigen   – eine Unterstützung, die von US-Protestlern zunehmend als ethnische Säuberung oder sogar Völkermord bezeichnet wird.

Kurz gesagt, die Politik der US-Regierung läuft Gefahr, schnell zu einer großen politischen Belastung zu werden. Die derzeitige Haltung hat daher eindeutig eine kurze "Verfallszeit". Biden will "weiterziehen" ("move on").

Die israelische Regierung hingegen hat sich (mit massiver öffentlicher Unterstützung) voll und ganz auf die Ausrottung der Hamas konzentriert   – und betrachtet den Tod von Zivilisten als "Preis des Krieges", nicht zuletzt, weil ein solches Maß an Intensität als notwendig erachtet wird, um die israelischen Wähler nach dem völligen Schock vom 7. Oktober zu beschwichtigen. Das israelische Kabinett spricht von einem langen Krieg und nicht von einem baldigen "Endspiel".

Für die US-Regierung in einem Wahljahr will Biden über die Hamas hinausgehen. Er will nicht, dass der Gazastreifen die Wahlen 2024 beeinflusst, sondern er will die Aufmerksamkeit der US-Öffentlichkeit auf die angebliche "Bedrohung" durch Russland, China und den Iran lenken.

Sowohl die USA als auch "Israel" wollen einen größeren regionalen Krieg vermeiden; aber "Israel" geht nach Ansicht des Weißen Hauses mit seinem Streben nach einer "totalen Ausrottung" der Hamas   – deren zerstörerisches Mittel zu diesem Zweck die Welt radikalisiert   – große Risiken einer Eskalation ein.

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Von der israelischen Armee verlassene Kriegsgeräte in Gaza: "totale Ausrottung" der Hamas?

Fotoquelle: https://www.youtube.com/watch?v=MOS4EKbujz8 Weeb Union, 13.11.2023

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Von der israelischen Armee verlassene Kriegsgeräte in Gaza: "totale Ausrottung" der Hamas?

Fotoquelle: https://www.youtube.com/watch?v=MOS4EKbujz8 Weeb Union, 13.11.2023

In seiner Rede am Sonntag machte Seyed Nasrallah die Hisbollah zum Garanten für das Überleben der Hamas (wobei er die Hamas namentlich nannte). Die Hisbollah werde sich auf (nicht näher definierte) und begrenzte Operationen an der Grenze beschränken, und zwar bis zu dem Punkt, "wenn und falls" die Hamas in Gefahr sei. Dies ist eine "rote Linie", die das Weiße Haus beunruhigen wird.

Im Klartext: Die USA werden (wenn sie können) versuchen   – wie Blinken es getan hat   – "Israel" von seinem Angriff auf den Gazastreifen abzubringen und die IOF mit dem völligen Zusammenbruch der Abschreckungsmöglichkeit zurückzulassen; denn wenn sie "Israel" weitermachen lassen, riskieren sie eine horizontale regionale Eskalation. Es überrascht nicht, dass die Mainstream-Medien in den USA über die Möglichkeit eines Regimewechsels für Netanjahu spekulieren. Letzterer ist sicherlich unpopulär, aber sein Abgang würde nichts an der in "Israel" herrschenden Meinung ändern, dass Gaza "von der Landkarte getilgt" werden muss.

Der wesentlichere Punkt in Seyed Nasrallahs Rede war, dass er den Fokus wechselte, was vielleicht nicht nur die eigene enge Sichtweise der Bewegung widerspiegelt, sondern die der kollektiven "Achse". So wurde "Israel" in seiner Rede von einem unabhängigen Akteur zu einem schädlichen US-Militärprotektorat unter anderen herabgestuft.

Seyed Nasrallah stellte nicht nur die israelische Besatzung, sondern die USA in ihrer Gesamtheit direkt in Frage und machte sie für das, was in der Region   – vom Libanon über Syrien und den Irak bis hin zu Palästina   – geschehen ist, verantwortlich. In gewisser Weise erinnerten diese Worte an Putins Warnung von 2007 in München an den Westen, der damals NATO-Truppen an den Grenzen Russlands aufstellte. "Herausforderung angenommen".

Auch die USA haben massive Streitkräfte in der Region zusammengezogen, in der Erwartung, dass dies den libanesischen Widerstand zwingen würde, von einer größeren Intervention in "Israel" Abstand zu nehmen.

Der Nebentext zu Seyed Nasrallahs Rede war jedoch eher ein Hinweis auf ein "langsames Aufkochen" des US-amerikanischen "Abschreckungsfrosches" durch eine vereinte Front und nicht ein kopfüberes Eintauchen in einen regionalen Krieg.

In den letzten Wochen wurden US-Militärstützpunkte in der Region wiederholt von regionalen Milizen angegriffen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Angriffe in nächster Zeit nachlassen werden. Ihre Drohnen und Raketen wurden alle abgeschossen, so CENTCOM. Jetzt hat CENTCOM die Herausgabe von Updates eingestellt. Wie viele Amerikaner sind bisher verwundet und getötet worden? Wie viele weitere sind von Tod und schweren Verletzungen bedroht? Im Moment wissen wir das nicht.

"All dies deutet auf eine bedrohliche Entwicklung hin", schreibt Malcom Kyeyune, "den Niedergang der Abschreckung":

"In den vergangenen Wochen haben US-Beamte [die Milizen] ... um einen Stopp der Drohnen- und Raketen-Angriffe gebeten   – und mit schwerwiegenden Konsequenzen für den Fall gedroht, dass sie sich nicht fügen. Washington hat diese Drohungen wahr gemacht und mit Luftangriffen geantwortet, wobei es den defensiven Charakter dieser Angriffe betonte und versprach, sich zurückzuziehen, sobald die Angriffe auf US-Basen aufhören. Doch nach jedem Luftangriff haben die bewaffneten Gruppen in der Region ihre Aktivitäten gegen die USA verstärkt. Inzwischen kursieren Berichte über mehrere große bewaffnete Gruppen im Irak, die de facto den Kriegszustand gegen Amerika [zur Befreiung des Irak] erklärt haben.

Der Kern des Problems besteht darin, dass die US-Streitkräfte auf mehr als ein Dutzend Stützpunkte in der Region verteilt sind. Keiner dieser Stützpunkte ist stark genug, um sich gegen einen konzertierten Angriff zu verteidigen. Stattdessen haben sie sich auf die Erkenntnis verlassen, dass ein Angriff auf einen noch so schwachen amerikanischen Außenposten nur Ärger bedeutet: Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis die gesamte US-Kriegsmaschinerie über einen hereinbricht, um die Bedrohung zu neutralisieren."

Kyeyune sieht das so:

"Abschreckung war zunächst ein hilfreicher Nebeneffekt der realen wirtschaftlichen und militärischen Macht Amerikas. Doch mit der Zeit wurde sie zu einer Krücke   – und dann zu einem Potemkinschen Dorf: eine Fassade, die als Sparmaßnahme aufgebaut wurde, um die Tatsache zu verbergen, dass das Militär schrumpft, die politische Dysfunktionalität wächst und die fiskalische Stabilität erodiert. Jetzt, da Drohnen und Raketen auf US-Soldaten in Syrien und im Irak niedergehen, wird klar, dass der Nahe Osten beschlossen hat, dass amerikanische Drohungen nicht mehr so glaubwürdig sind."

Wird der Irak die nächste "Front" sein, die in diesem sich ausweitenden Konflikt eröffnet wird?

Seyed Nasrallah sagte über die US-Kriegsschiffe: "Wir haben etwas für sie vorbereitet." Der Angriff auf die US-Flugzeugträger (auch ohne ins Detail zu gehen) ist symbolisch gleichbedeutend damit, dass die Achse die US-Hegemonie an der Wurzel herausfordert. "Herausforderung angenommen".

Konflikte sind geopolitisch vielfältiger und technologisch komplexer und multidimensionaler geworden   – insbesondere durch die Einbeziehung militärisch versierter nichtstaatlicher Akteure. Aus diesem Grund kann eine schrittweise Verschärfung des Konflikts an mehreren Fronten eine wirksame Strategie sein: "Es ist zweifelhaft, ob das US-Militär in einem Drei- oder Vier-Fronten-Krieg Erfolg haben würde   – die Bemühungen könnten leicht in einen weiteren Sumpf ausarten."

Quelle: https://english.almayadeen.net/articles/opinion/levelling-gaza-is-no--end-game--for-biden
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

 

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