Badhrakumar: Entschlüsselung von Irans Raketen- und Drohnenangriffen
Das als "Mossad-Hauptquartier" bezeichnete Gebäude in Irakisch-Kurdistan mit unterirdischen Einrichtungen zur Durchführung verdeckter Operationen wird von einem iranischen Raketenangriff getroffen, Erbil, Nordirak, 15. Januar 2024
Die überwältigenden Raketen- und Drohnenangriffe auf drei Länder – Syrien, Irak und Pakistan – innerhalb von 24 Stunden und der außergewöhnliche Schritt Teherans, die Verantwortung für die Angriffe bekannt zu geben, waren eine sehr deutliche Botschaft an Washington, dass dessen Strategie, eine Koalition von Terrorgruppen in der Region um den Iran zu schaffen, entschlossen zurückgeschlagen wird.
Dass die US-Strategie gegen den Iran neue Formen annimmt, zeichnete sich nach dem Angriff auf Israel am 7. Oktober und der damit einhergehenden Erosion seiner Stellung als regionaler Vormacht ab. Die von China vermittelte Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien und die Aufnahme Irans, Saudi-Arabiens, der Vereinigten Arabischen Emirate und Ägyptens in BRICS versetzten die US-Strategen in Panik. Siehe meine Analyse mit dem Titel US embarks on proxy war against Iran, Indian Punchline, November 20, 2023.
Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 gab es Anzeichen dafür, dass die USA zusammen mit der israelischen Achse den Terrorismus als einziges praktikables Mittel zur Schwächung des Irans und zur Wiederherstellung des regionalen Gleichgewichts zugunsten von Tel Aviv einsetzen wollten, was für Washingtons Priorisierung des asiatisch-pazifischen Raums und die Notwendigkeit, den ölreichen Nahen Osten zu kontrollieren, von entscheidender Bedeutung ist. In der Tat ist ein konventioneller Krieg mit dem Iran für die USA nicht mehr machbar, da er die mögliche Zerstörung Israels riskiert.
Künftige Historiker werden die Angriffe der palästinensischen Widerstandsgruppen auf Israel am 7. Oktober sicher nüchtern untersuchen, analysieren und zu einem Ergebnis kommen. Nach der klassischen Militärdoktrin handelte es sich dabei im Wesentlichen um einen Präventivschlag der Widerstandsgruppen, bevor der US-israelische Moloch von Terrorgruppen – wie ISIS und Mudschaheddin-e-Khalq – zu einer konkurrierenden Plattform würde, die der Achse des Widerstands ebenbürtig wäre.
Teheran ist sich der dringenden Notwendigkeit bewusst, sich strategisch zu profilieren, bevor die Wölfe näher kommen. Teheran hat Moskau gedrängt, einen bilateralen strategischen Pakt zu schließen, aber es überrascht nicht, dass die Russen sich damit Zeit ließen. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt während des "Arbeitsbesuchs" von Präsident Ebrahim Raisi in Moskau am 7. Dezember, bei dem er mit Präsident Putin zusammentraf, war die Fertigstellung des Paktes.
Am Montag (15.01.2024) schließlich teilte das russische Verteidigungsministerium in einer seltenen Erklärung mit, dass Verteidigungsminister Sergej Schoigu seinen iranischen Amtskollegen Mohammad-Reza Aschtiani angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass Moskau der Unterzeichnung des Paktes zugestimmt habe. In der Erklärung des Verteidigungsministeriums heißt es:
"Beide Seiten betonten ihr Bekenntnis zu den Grundprinzipien der russisch-iranischen Beziehungen, einschließlich der bedingungslosen Achtung der gegenseitigen Souveränität und territorialen Integrität, die in dem großen zwischenstaatlichen Vertrag zwischen Russland und dem Iran bestätigt werden, da dieses Dokument bereits fertiggestellt wird."
Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA teilte Schoigu mit, dass Russlands Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität des Irans in dem Vertrag ausdrücklich festgeschrieben werden wird. Weiter heißt es in dem Bericht: "Die beiden Minister wiesen auch auf die Bedeutung von Fragen der regionalen Sicherheit hin und betonten, dass Moskau und Teheran ihre gemeinsamen Bemühungen um die Schaffung einer multipolaren Weltordnung und die Ablehnung des Unilateralismus der Vereinigten Staaten fortsetzen werden." [Hervorhebung hinzugefügt, MKB]
Am Mittwoch erklärte Maria Zakharova, Sprecherin des russischen Außenministeriums, vor Reportern in Moskau, dass der neue Vertrag die strategische Partnerschaft zwischen Russland und dem Iran festigen und die gesamte Bandbreite ihrer Beziehungen abdecken werde. "Dieses Dokument kommt nicht nur zur rechten Zeit, sondern ist auch überfällig", sagte Zakharova.
"Seit der Unterzeichnung des aktuellen Vertrags hat sich der internationale Kontext verändert und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern erleben einen beispiellosen Aufschwung", sagte sie. Zakharova sagte, dass die Unterzeichnung des neuen Vertrages bei einem der nächsten Kontakte zwischen den beiden Präsidenten erwartet wird.
Unabhängig davon wurde Kreml-Sprecher Dmitri Peskow von der staatlichen Nachrichtenagentur TASS mit den Worten zitiert, dass ein genaues Datum für ein Treffen zwischen Putin und Raisi noch festgelegt werden müsse. Es liegt auf der Hand, dass sich vor unseren Augen etwas ereignet, das für die Geopolitik des Nahen Ostens von großer Bedeutung ist.
Es genügt zu sagen, dass Irans Raketen- und Drohnenangriffe auf terroristische Ziele am Mittwoch eine anschauliche Demonstration seiner Selbstbehauptung sind, in dem neuen regionalen und internationalen Umfeld zur Selbstverteidigung zu handeln. Irans so genannte "Stellvertreter" – sei es die Hisbollah oder die Houthis – sind erwachsen geworden und haben ihren eigenen Kopf, der über ihre eigene strategische Positionierung innerhalb der Achse des Widerstands entscheidet. Sie brauchen kein Lebenserhaltungssystem aus Teheran. Es mag einige Zeit dauern, bis sich die angelsächsischen Strategen an diese neue Realität gewöhnt haben, aber irgendwann werden sie es tun.
Es ist eindeutig eine Unterschätzung, die iranischen Raketen- und Drohnenangriffe lediglich als Antiterroroperationen zu betrachten. Selbst der Angriff auf Belutschistan fand interessanterweise innerhalb eines Monats nach der einwöchigen Reise von COAS General Asim Munir nach Washington Mitte Dezember statt.
Munir traf hochrangige US-Beamte, darunter Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin, den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs der US-Streitkräfte, General Charles Q. Brown, und den stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater Jonathan Finer – und natürlich die gefürchtete Unterstaatssekretärin Victoria Nuland, die treibende Kraft hinter der neokonservativen Politik der Biden-Regierung.
In einer offiziellen Erklärung in Islamabad vom 15. Dezember zu Munirs hochfliegender Reise hieß es, dass Pakistan und die USA "beabsichtigen, ihre Interaktionen zu verstärken", um sich "zum beiderseitigen Nutzen" zu engagieren. Darin heißt es, die beiden Seiten hätten die laufenden Konflikte in der Region erörtert und seien übereingekommen, die Interaktionen zwischen Islamabad und Washington zu verstärken".
In der Erklärung heißt es: "Bei den Treffen wurden Fragen der bilateralen Interessen, der globalen und regionalen Sicherheit sowie der aktuellen Konflikte erörtert. Beide Seiten kamen überein, ihr Engagement fortzusetzen, um mögliche Wege der bilateralen Zusammenarbeit bei der Verfolgung gemeinsamer Interessen zu erkunden."
Die Erklärung fügte hinzu, dass während des Treffens zwischen den hochrangigen Verteidigungsbeamten der beiden Länder "die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung und die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich als Kernbereiche der Kooperation identifiziert wurden". Munir betonte seinerseits, wie wichtig es sei, "die Perspektiven des jeweils anderen zu verstehen", wenn es um regionale Sicherheitsfragen und Entwicklungen geht, die die strategische Stabilität in Südasien betreffen, heißt es in der pakistanischen Erklärung.
Pakistan dient seit jeher den amerikanischen Interessen in der Region, und das Hauptquartier in Rawalpindi war der Lenker dieser Zusammenarbeit. Heute zeigt sich, dass die bevorstehenden Wahlen in Pakistan die Regierung Biden nicht davon abgehalten haben, den roten Teppich für Munir auszurollen. Das Gute daran ist, dass sowohl Iran als auch Pakistan klug genug sind, um die roten Linien des jeweils anderen zu kennen.
Die Absichten der USA sind klar: Sie wollen Teheran im Westen und Osten mit schwachen Staaten flankieren, die leicht zu manipulieren sind. Die eilig arrangierten Treffen in Davos zwischen dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, und hochrangigen irakischen Beamten (hier und hier) im Anschluss an die iranischen Angriffe unterstrichen
- die Bedeutung der Wiederaufnahme der Ölexporte (nach Israel) und die Unterstützung Washingtons für "die starke Partnerschaft der Region Kurdistan mit den Vereinigten Staaten";
- die Bedeutung der Beendigung von Angriffen auf US-Personal im Irak und in Syrien;
- die Zusage der USA, "die Sicherheitszusammenarbeit als Teil einer langfristigen, nachhaltigen Verteidigungspartnerschaft zu verstärken";
- die Unterstützung der USA für die irakische Souveränität; und
- Bidens Einladung an den irakischen Premierminister Sudani, das Weiße Haus "bald" zu besuchen.
Kurz gesagt, Sullivan hat die Absicht der USA zum Ausdruck gebracht, ihre Präsenz im Irak zu verstärken – und ähnliche Ziele verfolgen sie auch in Pakistan. Washington vertraut darauf, dass Munir dafür sorgt, dass Imran Khan im Gefängnis bleibt, egal wie die Wahlen in Pakistan ausgehen.
Diese strategische Neuausrichtung kommt zu einer Zeit, in der Afghanistan endgültig aus der anglo-amerikanischen Umlaufbahn herausgefallen ist und Saudi-Arabien kein Interesse daran zeigt, ein Rädchen im amerikanischen Getriebe zu sein oder sich mit den Kräften des Extremismus und Terrorismus anzulegen.
Quelle: https://www.indianpunchline.com/decoding-irans-missile-drone-strikes/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus
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