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Doctorow: Europas sinkende Wirtschaft

Wie viele Ursachen können wir nennen und dabei den Faktor Russland ignorieren?
Von Gilbert Doctorow 12.04.2024 - übernommen von gilbertdoctorow.com
13. April 2024

Wie ich in meinem letzten Aufsatz angedeutet habe* [diesen Aufsatz finden Sie am Endes dieses Beitrags], finden sich in den Mainstream-Medien viele Informationen, die es einem ermöglichen würden, sich unabhängig ein umfassendes Bild davon zu machen, was in der Welt vor sich geht, so kontraintuitiv das auch für diejenigen sein mag, die das Washingtoner Narrativ und seine kommerziellen Überbringer verachten.

Die Fakten, die wir wissen müssen, sind jedoch entweder tief in Artikeln vergraben, deren Titel und einleitende Absätze dem Inhalt weiter unten widersprechen, oder sie sind, wie ich in diesem letzten Aufsatz schrieb, einzelne Punkte, die von den Journalisten und ihren Redakteuren nie miteinander verbunden werden, um das große Bild zu zeichnen, das sie nicht sehen wollen.

Mein heutiger Fall bezieht sich nicht auf den Krieg in der Ukraine, sondern auf seine Folgen: den sichtbaren und statistisch belegten Niedergang der europäischen Wirtschaft und insbesondere des Landes, das lange Zeit als ihre Lokomotive gefeiert wurde, Deutschland.

Dieses Thema hat in den letzten Wochen einen Großteil der Berichterstattung der Financial Times und anderer großer Medien bestimmt, als die Zahlen für die Wirtschaftsleistung zum Ende des letzten und Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurden. Die jüngste Wachstumsschätzung der Europäischen Zentralbank für Europa beläuft sich auf magere 0,6 %, während Deutschland wahrscheinlich in ein zweites Quartal der Rezession eintritt.

Es wurde viel über die Hauptursachen für die schlechten wirtschaftlichen Ergebnisse geschrieben, in der Erwartung, dass, sobald sie identifiziert sind, geeignete Korrekturmaßnahmen ergriffen werden können. In letzter Zeit wurde die Aufmerksamkeit auf die im Vergleich zu den Vereinigten Staaten schwachen Kapitalmärkte in Europa gelenkt, die der Industrie Mittel für Investitionen vorenthalten, die die Produktivität steigern und Europa auf den Weltmärkten wettbewerbsfähiger machen würden.

Weitere Diskussionspunkte werden mit Spannung von Mario Draghi, dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, erwartet, der von der Europäischen Kommission beauftragt wurde, Empfehlungen zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit vorzulegen.

Dabei wird jedoch übersehen, dass es unzulängliche Kapitalmärkte und die vielen anderen Handicaps, die Draghi wahrscheinlich aufzählen wird, schon seit langem gibt, dass aber die derzeitige eklatante Schwäche der deutschen Wirtschaft etwas ganz Neues ist und, offen gesagt, für jeden, der sich die Zahlen über den Zusammenbruch der deutschen Automobilproduktion ansieht, erstaunlich ist.

Vor mehr als sechs Monaten wurde in der Presse und in Sendungen der BBC und anderer Medien darüber berichtet, dass deutsche Industrielle ins Ausland abwandern und dort neue Investitionen tätigen, anstatt in ihrem Heimatland zu produzieren. Damals wurden die hohen Energiekosten, die seit dem Wegfall der russischen Gaspipeline nach der Zerstörung von Nord Stream I anfallen, offen als ein Faktor für die Deindustrialisierung Deutschlands genannt.

Diese Objektivität und Offenheit wurde jedoch inzwischen beiseite geschoben. In einem BBC-Bericht über die deutsche Industrie vor einer Woche hörte ich, dass die hohen Energiekosten aufgrund des Wegfalls des billigen russischen Gases kein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Misere in Deutschland seien, da nur 6 % der deutschen Industrie stark energieabhängig seien.

Heute, da die europäischen Gaspreise gegenüber den Rekordwerten von Ende 2022 drastisch gesunken sind, ist es richtig, dass wir der Energie bei der Erklärung des anhaltenden wirtschaftlichen Niedergangs in Deutschland weniger Bedeutung beimessen. Erdgas spielt jedoch im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben eine weitaus größere Rolle als nur als Brennstoff für die Metall- oder Glasindustrie. Es ist auch Ausgangsstoff für die chemische und verwandte Industrien sowie für Düngemittel, die zur Aufrechterhaltung der deutschen und europäischen landwirtschaftlichen Produktion benötigt werden. Darüber hinaus war die Entscheidung der deutschen und europäischen Regierungen, der Geopolitik Vorrang vor der heimischen Wirtschaftsleistung einzuräumen, eine sehr klare Botschaft an die Industrie, dass Europa nicht der Ort ist, an dem sie sein möchte. Industrielle mögen in der Öffentlichkeit nicht viel sagen, aber ihre sinkenden Investitionen hier sprechen Bände.

Die Fakten sind so offensichtlich, dass sogar die Propagandisten der Financial Times gezwungen waren, ihnen Raum zu geben. Siehe den Artikel von vorgestern mit der Überschrift "German industry unlikely to fully recover from energy crisis, warns RWE boss" ("Die deutsche Industrie wird sich wahrscheinlich nicht vollständig von der Energiekrise erholen, warnt der RWE-Chef"). Hier sehen Sie es schwarz auf weiß: "Es ist unwahrscheinlich, dass sich die deutsche Industrie auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg erholt, da die hohen Preise für importiertes Flüssiggas Europas größte Volkswirtschaft 'benachteiligt' haben, warnte der Chef eines der führenden deutschen Energieunternehmen."

Dies ist keine russische Propaganda. Es sind höchst maßgebliche und verantwortungsbewusste deutsche Führungskräfte, die hier sprechen und über die in der bösartig antirussischen FT berichtet wird. Investigative Journalisten wie Sy Hersh brauchen sich nicht zu bewerben, um für die Öffentlichkeit Licht ins Dunkel zu bringen.

Quelle: https://gilbertdoctorow.com/author/gilbertdoctorow/
Mit freundlicher Genehmigung von Gilbert Doctorow
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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*Keine Nachrichten sind gute Nachrichten...

9. April 2024 Von Gilbert Doctorow

Für diejenigen, die sich wundern, warum ich seit fast einer Woche keinen Kommentar mehr veröffentlicht habe, habe ich eine einfache Erklärung parat. Dieses Schweigen hat nichts mit den Osterfeiertagen zu tun, die viele Menschen in den Urlaub geschickt und die Arbeitspläne in vielen europäischen Ländern durcheinander gebracht haben. Nein, es hat mit den weltweiten Nachrichten zu tun, oder dem relativen Fehlen von Nachrichten. Der Krieg im Gaza-Streifen geht weiter. Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Aber weder in diesen Konflikten noch anderswo in der Welt gibt es dramatische Ereignisse, die die Schlagzeilen unserer Medien beherrschen und Kommentare von Talking Heads erfordern.

Andererseits zögere ich nicht, mehr als einen Kommentar an einem Tag zu veröffentlichen, wenn es aktuelle Nachrichten gibt.

In den letzten Tagen wurden die internationalen Nachrichten im Westen durch den Gaza-Konflikt beherrscht. Wir haben gehört, wie Biden kurz davor stand, die israelischen Gräueltaten und gescheiterten Militäroperationen in Gaza zu verurteilen. Wir haben vom israelischen Rückzug aus dem südlichen Gazastreifen gehört, der entweder als Zugeständnis an die "Sonst"-Drohungen aus Washington oder als Vorspiel für den seit langem angekündigten Angriff auf Rafah gedeutet wird, je nachdem, wem man glauben will.

In Russland konzentrieren sich die internationalen und nationalen Nachrichten jedoch weiterhin auf den Ukraine-Konflikt. Tag für Tag liefert das russische Staatsfernsehen nicht nur Statistiken über zerstörte ukrainische Flugzeuge, Panzer, Himars und andere Raketenartillerie-Einheiten sowie die Anzahl der getöteten und verstümmelten feindlichen Kräfte, sondern auch einschlägige Videoberichte über diese Erfolge.

Für den Laien ist es schwierig, die Ergebnisse dieser Erfolge auf Karten der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Seiten zu erkennen. Die russischen Offiziellen spielen ihren täglichen Vormarsch nach Westen bewusst herunter und bezeichnen ihn lediglich als Positionsverbesserung. Sie wollen ihre Schläge nicht ankündigen und den westlichen Medien keinen Anlass zur Beunruhigung geben, bevor sie der ukrainischen Armee mehrere Fallen stellen, wenn sie die ukrainischen Verteidigungslinien in diesem Frühjahr und Sommer durchbrechen.

Und parallel zu den Zerstörungen an der Kontaktlinie führen die Russen aktiv das, was der in Moskau lebende Journalist John Helmer zu Recht einen "Stromkrieg" gegen die Ukraine genannt hat, indem sie eine wachsende Zahl von Stromerzeugungsanlagen im ganzen Land völlig zerstören.

Sogar die pro-ukrainische Financial Times veröffentlichte vor zwei Tagen einen Artikel, in dem sie die Angriffe auf die Energieinfrastruktur als eine neue und sehr gefährliche Entwicklung für die Lebensfähigkeit der Ukraine bezeichnete.

Darüber hinaus berichten westliche Medien hier und da über eine weitere starke Eskalation in der russischen Kriegsführung: den breiten und zunehmenden Einsatz von umfunktionierten sogenannten „dumb bombs“ aus sowjetischer Zeit, die jetzt als manövrierfähige "Gleitbomben" mit 500 kg bis 3 Tonnen Sprengstoff eingesetzt werden. Diese billigen Waffen haben eine Reichweite von 60 bis 90 km und landen innerhalb von 10 Metern vor dem Ziel. Sie sind unaufhaltsam und erreichen ein Vielfaches der Zerstörungskraft von Artilleriegranaten. Sie sind durchaus in der Lage, sich einen Weg durch die Verteidigungslinien zu bahnen, die die Ukrainer jetzt in Erwartung einer russischen Offensive in aller Eile errichten.

Ich betone, dass diese verschiedenen wichtigen Entwicklungen im Krieg in den westlichen Medien als separate Nachrichten erscheinen, ohne dass jemand die Punkte miteinander verbindet. Wenn man das tut, wird klar, dass all das tapfere Gerede über die Unterstützung und Verstärkung der Ukrainer im Hinblick auf eine Gegenoffensive im Jahr 2025, all das tapfere Gerede über ein fünfjähriges militärisches Hilfspaket für die Ukraine nur leeres Geschwätz ist. Wenn der Krieg so weitergeht wie bisher, wird es bald keine Ukraine mehr geben, die man stützen könnte.

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Tag für Tag hören wir im russischen Staatsfernsehen auch von den jüngsten Fortschritten des FSB und anderer Strafverfolgungsbehörden bei der Aufdeckung der Finanz- und Ausrüstungskanäle, die die Ukraine mit dem Terroranschlag auf den Vergnügungskomplex Crocus City Hall verbinden.

In denselben Berichten wird auch die Verantwortung bis in die USA und das Vereinigte Königreich verlagert. Die Rolle der USA bei der Unterstützung und Förderung der Bildung der Terrorgruppen des Islamischen Staates seit der Zeit der Obama-Regierung wird ausführlich dargestellt. Von den ersten Äußerungen des FSB-Direktors Bortnikow zur Frage, wer hinter dem Krokus-City-Anschlag steht, wird nicht abgerückt.

Die einzige große Nachricht der letzten Woche, die weder die Ukraine noch Israel betraf, war sowohl im Westen als auch in Russland die Feier zum 75. Jahrestag der Unterzeichnung der NATO-Vereinbarungen. Die Berichterstattung in Westeuropa war nicht besonders überschwänglich, da die NATO-Länder bei ihren Gesprächen kurz vor dem Anschneiden der Torte keine einstimmige Einigung über das weitere Vorgehen in Bezug auf die Ukraine erzielen konnten.

In Russland war kein Detail der NATO-Feier zu unbedeutend, um übersehen zu werden. Wir hörten und sahen, wie die Caterer der NATO-Veranstaltung keine Gabeln zur Verfügung stellten, so dass die hohen und mächtigen Gäste ihr Stück Kuchen mit den Fingern aßen.

Von weitaus größerer Bedeutung war die von Dmitri Kisseljow moderierte Sendung "Nachrichten der Woche" am vergangenen Sonntag, in der er ausführlich über die "Vorgeschichte" des NATO-Vertrags berichtete und eine gehörige Portion Verschwörungstheorien aufstellte, die Harry Truman und Winston Churchill die Verantwortung für den Beginn des Kalten Krieges in die Schuhe schoben.

Kisseljow hob Franklin Roosevelts neutrale und objektive Einschätzung des sowjetischen Beitrags zu den Kriegsanstrengungen hervor, die im Gegensatz zu den Ansichten des antirussischen Churchill und seines neu entdeckten Mitdenkers, des amerikanischen Vizepräsidenten Truman, stand. Roosevelts plötzlicher Tod durch einen Schlaganfall nur wenige Tage vor dem Sieg in Europa soll möglicherweise auf eine Vergiftung zurückzuführen sein, deren Untersuchung Truman und seine Gefolgsleute im Oval Office bis hin zu John F. Kennedy verweigerten, indem sie jede Exhumierung der Leiche zu Testzwecken untersagten. Außerdem deutet Roosevelts schnelle Beerdigung auf eine Vertuschung hin, heißt es.

Nach dem Tod von Roosevelt plante Truman als sein Nachfolger mit Churchills Segen, die UdSSR als Großmacht zu beseitigen, indem Atombomben auf ihre 20 größten Städte abgeworfen werden sollten. Dieser Plan wurde laut Kisseljow nur deshalb nicht umgesetzt, weil die USA nicht über die nötigen Bomben verfügten und die Sowjetunion, während sie an deren Herstellung arbeitete, ihre eigene A-Bombe entwickelte und testete, womit sie Amerikas Nuklearmonopol beendete und den Anschein der Abschreckung wiederherstellte.

Die Ausführungen von Kisseljow sind nicht neu, aber es ist wichtig, dass er die Geschichte jetzt darlegt, denn sie bereitet das russische Volk auf alle Eventualitäten vor für den Fall, dass sich der Krieg in der Ukraine zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO entwickeln sollte.

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