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Die USA - Zyniker der Macht oder gar Schurkenstaat?

Gedanken zu Barack Obama`s Friedensnobelpreis-Rede
von Grimmepreisträger Frieder Wagner
05. April 2013

In seiner Dankesrede für die Verleihung des Friedensnobelpreises sagte US-Präsident Barack Obama unter anderem, Zitat:

"Es wird Zeiten geben, in denen Nationen - allein oder gemeinsam - den Einsatz ihres Militärs nicht nur für nötig halten, sondern auch für moralisch gerechtfertigt. (...) Ich kann die Augen nicht vor den Bedrohungen für das amerikanische Volk verschließen. Es steht fest: das Böse existiert in der Welt.  Zu sagen, dass der Einsatz des Militärs manchmal nötig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus. (...) Und selbst dort, wo wir auf einen teuflischen Feind stoßen, der sich an keine Regeln hält, glaube ich, dass die Vereingten Staaten von Amerika die Fahnenträger in der Kriegsführung bleiben müssen. Das unterscheidet uns von unseren Gegnern. Das ist der Quell unserer Stärke. Deshalb habe ich Folter verboten. Deshalb habe ich angeordnet, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Und deshalb habe ich Amerikas Verpflichtung bestätigt, sich an die Genfer Konventionen zu halten."

Ich kann Präsident Obama nicht glauben. Er ist zwar der Präsident der USA, aber er hat nicht die Macht zu tun und zu lassen, was er da alles gesagt hat. Nehmen wir seinen Satz:

"Deshalb habe ich Folter verboten und deshalb habe ich angeordnet Guantánamo zu schließen."

Obama wird wahrscheinlich Guantánamo schließen, aber er wird nicht die berühmt berüchtigte "School of the Americas" in Fort Benning in Georgia schließen. Das Motto an dieser Schule könnte nämlich lauten: "Wir foltern!"

Dort und vorher bis 1984 in Panama City  finden wir die Wurzeln der US-Folterskandale. In mittlerweile zugänglichen Schulungshandbüchern (KUBARK   – Counterintelligence Interrogation, Juli 1963) wurden die Studenten dieser Schule   – Militärs und Polizeioffiziere aus der gesamten "westlichen" Welt   – in zahlreichen dieser "verschärften Verhörtechniken" unterwiesen, die so auch nach Guantánamo und Abu Ghraib gekommen sind:  Gefangennahme in den frühen Morgenstunden, um den Schock zu erhöhen, das Überstülpen einer Kapuze, Reizüberflutung   – durch Brüllen und laute Musik, Schlaf- und Essenentzug, Erniedrigungen aller Art, erzwungene Nacktheit, Isolationshaft und Schlimmeres, wie z. B. "waterbording". 1996 räumte Präsident Clintons "Intelligence Oversight Board" ein, dass der in den USA produzierte Ausbildungsstoff stillschweigend

"die Exekution von Guerillakämpfern, Erpressung, körperliche Misshandlungen, Nötigung und unzulässige Gefangennahme dulde ".

Clinton schloß zwar die Schule, doch sie wurde wenig später unter dem Namen "Western Hemisphere Institute for Security Cooperation" weitergeführt.

Einige der Absolventen dieser Schule begingen bald nach der Rückkehr in ihre Heimatländer, die schrecklichsten Verbrechen und Menschenrechts-verletzungen auf dem südamerikanischen Subkontinent während des vergangenen halben Jahrhunderts mit Zehntausenden von Toten und Gefolterten, dem systematischen Raub von Babys der "Verschwundenen" z. B. in der argentinischen Diktatur von 1976-83, die Morde an Erzbischof Oscar Romero oder an mehreren Jesuitenpriestern in El Salvador und nicht zu vergessen: Abertausende von Ermordeten durch Todesschwadronen in Nicaragua, Guatemala, El Salvador, Irak und Afghanistan!

Amnesty International wies in in ihrem 2001 veröffentlichten Buch "Ein abscheuliches Geschäft: das Geschäft der Folter" darauf hin, dass 

"Folterer nicht als solche geboren werden: sie werden von jemandem dazu erzogen, ausgebildet und unterstützt".

In diesem Buch wurde die "School of the Americas" als eines der führenden "Instruktionszentren" bezeichnet.

Soviel zu Präsident Obama`s Verbot von Folter. Nachfolgend noch ein paar Gedanken zu seinem Satz, dass er

"Amerikas Verpflichtung bestätigt, sich an die Genfer Konventionen zu halten".

Herr Obama weiß, dass 1996 das internationale Embargo gegen den Irak schon mehrere Jahre andauerte. In diesem Jahr wurde die damalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright gefragt, ob ihr der damit verschuldete Tod von 500.000 Kindern unter fünf Jahren die Aufrechterhaltung des US-Waffenembargos im Irak wert gewesen sei. Was glauben Sie, hat die Außenministerin Ihres Landes zu der Ermordung von 500.000 Kindern unter fünf Jahren gesagt?

"Ja, wir denken es ist den Preis wert", das war die Antwort dieser Politikerin. Da frage ich mich, sind das nicht Kriminelle, die uns da regieren, unverantwortliche Zyniker der Macht?

Und was geschah, als Albright`s Chef, Präsident Bill Clinton 1998, bloß auf den Verdacht hin, dass die Medikamentenfabrik Al Shifa im Sudan, Waffen produzieren könnte, diese durch schweres Bombardement  in Schutt und Asche legen ließ? Was machte dieser US-Präsident als sich herausstellte, dass er das einzige pharmazeutische Werk weit und breit in Grund und Boden bombardiert hatte? Hat er sich entschuldigt? Hat er die Fabrik wieder aufgebaut? Hat er als erstes sofort Ersatzmedikamente zur Verfügung gestellt? Nichts von alledem! Mit dem traurigen Erfolg, dass   – wir können da nur schätzen   – zuerst Hunderttausende von Menschen, bis heute wahrscheinlich Millionen, an Malaria, Schlafkrankheit und anderen Erkrankungen, die in  der Region vorherrschen, krepiert sind.  Von wegen: "sich an die Genfer Konventionen zu halten"   – Herr Obama! Und ganz zu schweigen von dem Bombardement auf unschuldige Hochzeitsgäste oder Trauernde bei Beerdigungen im heutigen Afghanistan.

Und nun ein paar Anmerkungen zu Obamas Redesatz:

"Es wird Zeiten geben, in denen Nationen   – allein oder gemeinsam   – den Einsatz ihres Militärs nicht nur für nötig halten, sondern auch für moralisch gerechtfertigt".

Erinnern wir uns an den 11. September 2001. Ja das war ein schreckliches und furchtbares Verbrechen mit unglaublichen 3000 Toten. Aber es war juristisch nichts anderes als eine Straftat und eine solche muss von Polizei, Justiz und vielleicht auch von Geheimdiensten aufgeklärt werden und dann können Gerichte die Schuldigen aburteilen, das ist in jedem demokratischen Staat so. Aber es geht nicht an, wie George W. Bush es tat, einfach zu sagen, dass die USA deshalb Afghanistan angreifen werden, weil er, Bush weiß, dass die Schuldigen für den 11. September in Afghanistan sitzen, unter anderen ein gewisser Usama Bin Laden. Er, Bush, hätte dafür die Beweise. Aber weil er die Quellen schützen müsste, könnte er nicht sagen, woher er das weiß. Nein, so geht das nicht, das ist einfach illegal und völkerrechtswidrig! "Moralisch gerechtfertigt", kann kein Angriffskrieg sein, Herr Obama.

Der höchste spanische Untersuchungsrichter, Balthazar Garzón, schrieb damals in der spanischen Zeitung "El Pais":

"Dass man eigentlich die Sicherheitsdienste, Geheimdienste und die Polizei der USA zur Rechen-schaft hätte ziehen müssen, weil sie versäumt haben das Massaker zu verhindern",

und fährt dann fort:

"Ich nehme an, dass sich das wirkliche Ausmaß dieser Verantwortung früher oder später herausstellen wird und dass dann entsprechend dem Ausmaß dieser Katastrophe die Konsequenzen gezogen werden."

Doch dann fielen Anfang Oktober 2001 schon die Bomben auf Kabul und später auf ganz Afghanistan. Und niemand in den europäischen Ländern empörte sich und fragte: Welche geschichtliche Entwicklung steckte eigentlich hinter diesem Terroranschlag auf die Twin-Towers? Warum sprach niemand die verbrechensreiche Verkettung der USA durch die Jahrhunderte an? Oder wenigstens die, der letzten 5-6 Jahrzehnte? Die vielen Menschenrechtsverletzungen der Genfer Konvention? Kein Staatsmann reflektierte darüber, dass allein in den letzten 60 Jahren von den USA in Latein- und Mittelamerika und überall in der Welt weit über zweihundert Militärinterventionen ohne UN-Mandat durchgeführt worden sind.

Niemand stört sich bis heute daran, dass durch Anleitung des US-Geheimdienstes CIA zwischen 1949 und 1987 etwa sieben Millionen Menschen getötet wurden. Wer weiß schon, dass Mitarbeiter von Untersuchungsausschüssen des US-Kongresses eine Mordliste der US-Geheimdienste erstellt haben? Daraus geht klar hervor, dass diese US-Dienste zwischen 1949 und 1991 mehrere ausländische Staatsmänner entweder umgebracht oder umzubringen versucht haben, darunter nach Berichten des US-Kongresses den kubanischen Staatschef Fidel Castro allein 8-mal.

Die weltbekannte, indische Schriftstellerin Arundhati Roy fragte am 28.09.2001 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und es wäre gut wenn Präsident Obama den ganzen Beitrag kennen würde:

"Wer ist Usama Bin Ladin?" und gab dann selbst die Antwort:, Zitat:

"Bin Laden ist das amerikanische Familiengeheimnis. Er ist der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten. Der brutale Zwilling alles angeblich Guten und Zivilisierten. Er ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die durch die amerikanische Außenpolitik verwüstet wurde, durch ihre Kanonenboot-diplomatie, ihr Atomwaffenarsenal, ihre unbekümmerte Politik der unumschränkten Vorherrschaft, ihre kalte Mißachtung aller nicht-amerikanischen Menschenleben, ihre barbarischen Militärinterventionen, ihre Unterstützung für despotische und diktatorische Regimes, ihre wirtschaftlichen Bestrebungen, die sich gnadenlos wie ein Heuschreckenschwarm durch die Wirtschaft armer Länder gefressen haben. Ihre marodierenden Multis, die sich die Luft aneignen, die wir einatmen, die Erde, auf der wir stehen, das Wasser, das wir trinken, ja sogar unsere Gedanken."

Und in diesem Artikel fährt Arundhati Roy dann fort:

"Inzwischen werden sich die beiden auch in der Sprache immer ähnlicher. Jeder bezeichnet den anderen als "Kopf der Schlange". Beide berufen sich auf Gott und greifen gern auf die Erlösungsrhetorik von Gut und Böse zurück."

Und Roy ergänzt wenig später, dass Präsident Bush den Völkern der Welt ein Ultimatum gestellt hat, als er sagte:

"Entweder ihr seid für uns, oder ihr seid für die Terroristen"

und dann sagt Frau Roy klar und deutlich:

"Bush offenbart eine unglaubliche Arroganz. Kein Volk will eine solche Wahl treffen, kein Volk braucht diese Wahl zu treffen und keines sollte gezwungen werden, sie zu treffen."

Deutschland aber erklärte sich unter Rot-Grün, also Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer vollkommen und kritiklos solidarisch mit den Vereinigten Staaten von Amerika, so als ob sie die Lügen um den völkerrechtswidrigen Angriff gegen Afghanistan nicht gekannt hätten.

Immer hat man Deutschland in sogenannte "humanitäre Kriege" hinein gelogen auch in den Kosovokrieg. Da hat Außenminister Fischer und sein Gefolge unter Rot-Grün uns erklärt, dass wir im Kosovo ein neues Auschwitz verhindern müssten. Verteidigungsminister Scharping präsentierte uns in der WDR-Sendung "Es begann mit einer Lüge" noch einmal den "Hufeisenplan", von dem von Anfang an jeder bereits wissen konnte, dass er niemals existiert hat und dass man so die NATO zur Luftunterstützung der albanischen UCK bereitstellte und in Rambouillet so verhandelte, dass kein Serbe den Vertrag am Ende unterschreiben konnte. Das alles, weil US-Präsident Bill Clinton und seine Außenministerin Madeleine Albright diesen Krieg wollten, weil sie das geostrategisch wichtige Kosovo haben wollten, so wie die USA später aus diesen geostrategischen Gründen auch Afghanistan wollten.  Herr Obama weiß das und auch ihm ist egal was das kostet, an Menschenleben und an Geld.

Allein Deutschlands Rüstungsetat beträgt jährlich dreißig Milliarden Euro, das sind über 82 Millionen Euro pro Tag, die wir da verpulvern. Die USA verschwenden jedes Jahr sogar über vierhundert Milliarden Dollar plus Zusatzhaushalte von oft 80 oder gar 100 Milliarden Dollar. Die USA geben mehr für Rüstung aus, als die halbe Welt! Alles nur um ihre Hegemonialansprüche für den globalisierten Kapitalismus durchzusetzen. Und da stehen wir heute.

Deshalb haben wir auch eine NATO-Osterweiterung gebraucht. Und deshalb belügt man uns auch täglich, indem man das eine Erfolgsgeschichte nennt. Als uns US-Präsident George Bush senior 1991 erklärte, wir hätten den Kalten Krieg gewonnen, gab es keinen deutschen Politiker, der ihn gefragt hat, was der Preis dafür war. Der Preis waren unter anderem fünfzig Millionen Menschen, die jedes Jahr in der so genannten Dritten Welt verhungern   – jedes Jahr fünfzig Millionen Menschen!

Und dann hören wir auch noch die deutschen Grünenpolitiker sagen: Aber wir müssen eine zuverlässige berechenbare Außenpolitik haben. Wir dürfen aus der Nato nicht heraus. Aber was ist, wenn wir erkennen müssen, dass wir eigentlich inzwischen einer kriminellen Vereinigung angehören? Ist es da nicht ein Verbrechen, wenn wir in so einem Verbund bleiben? Müssen wir da nicht einen Schlussstrich ziehen und sagen: Raus aus der Nato!? Raus aus Afghanistan?

Was machen Kriege aus Menschen, möchte ich gern  Herrn Obama, den Friedensnobelpreisträger fragen, der jetzt weitere 30.000 Soldaten als neuer Kriegspräsident, nach Afghanistan schicken wird. Die US-Army hat heute schon mehr als Hundertausend Soldaten mit postraumatischen Stresssyndrom. Menschen, die jetzt aus dem Ruder laufen, weil ihnen gelehrt wurde jede Grenze zu überschreiten. Wenn man einmal tötet, gibt es kein Halten mehr. Solche Menschen überschreiten alle Hemmungen. Sie werden zu Tötungsmaschinen, weil sie alles was furchtbar ist, mit System lernen mussten, mit Gefühllosigkeit, mit Zerstörung jeden Mitleids. Und dann kommen solche Menschen aus Kriegen nach Hause, die von all dem, was sie tun sollten und tun mussten, kein Wort mehr sagen dürfen. Ehefrauen erkennen ihre Männer nicht mehr wieder, weil aus ihnen Fremde geworden sind. Wie heilen wir Menschen, die   – nicht durch das, was man ihnen zugefügt hat, sondern durch das, was sie anderen zufügen mussten   – traumatisiert wurden?

Die USA und ihre Koalitionspartner marschieren unter dem Mäntelchen "Freiheit und Demokratie" in sogenannte Schurkenstaaten ein, indem sie behaupten, diese Staaten hätten Massenvernichtungswaffen, mit denen sie die USA bedrohen. Ist ein solches Land aber nicht selber ein Schurkenstaat, wenn es einen Angriffskrieg gegen ein Land mit Uranwaffen führt, die sich nun immer mehr  als eine Massenvernichtungs-waffe herausstellt? Weil sie noch viele Jahrzehnte nach ihrer Anwendung, die eigenen Soldaten und die Menschen, die dort leben, sterbenskrank macht und die Umwelt kontaminiert?! Oder wie sollte man sonst ein Land nennen, dass bei der Aburteilung der Nazischergen in Nürnberg noch selbst gesagt hat, dass ein Angriffskrieg das größte internationale Kriegsverbrechen ist, weil ein solcher Krieg alle Verbrechen in sich vereint und jetzt führt dasselbe Land solche Kriege?!

Herr Präsident Obama, sind solche völkerrechtswidrigen, schmutzigen Kriege "moralisch gerechtfertigt"? Meinten Sie dieses "Böse", wenn Sie in Ihrer Friedensnobelpreisrede sagten:

"Es steht fest: das Böse existiert in der Welt."? Herr Obama, Krieg ist überholt, Krieg ist obsolet! Als Friedensnobelpreisträger sollten sie verhandeln, nicht  bomben.

Das Recht steht über der Macht. Das Recht der Haager und Genfer Konvention, der Nürnberger Dekrete, und die UN-Charta müssen der Macht den Weg weisen und ihr den Respekt vor den Grundwerten lehren. Auf  Armut und Unterdrückung, Krieg und Bomben, verstümmelten, missgebildeten und getöteten Frauen und Kindern läßt sich kein Frieden bauen   – nicht im Irak, nicht in Afghanistan und auch nicht in Gaza   – nirgendwo, Herr Obama.

Frieder Wagner

Filmemacher Frieder Wagner, zweifacher Grimmepreis-Träger, Regisseur des Filmes "Todesstaub   – Uranwaffen und die Folgen"

Frieder-Wagner