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Von der Freiheit des Gewissens und den Grenzen des Gehorsams

06. April 2013

Von der Freiheit des Gewissens und den Grenzen des Gehorsams

Laudatio für Florian Pfaff, Major der Bundeswehr, anlässlich der öffentlichen Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille durch die »Internationale Liga für Menschenrechte« am 10.12.2006 in Berlin.

von Jürgen Rose

„Die schmutzige Zumutung der Macht an den Geist: Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.“ Karl Kraus

„Herr, dazu hat Sie der König zum Stabsoffizier gemacht, damit Sie wissen, wann Sie nicht zu gehorchen haben.“ Solch barschen Anpfiff hatte der Überlieferung gemäß Prinz Friedrich Karl von Preußen anno 1860 einem seiner Majore erteilt. Ob nun der katholisch-bayerische Bundeswehrmajor Florian Pfaff bei seiner Gehorsamsverweigerung diesen protestantisch-preußischen Wahlspruch vor Augen hatte, mag dahinstehen. Fest steht indes, dass er 143 Jahre später genau wusste, wann er nicht zu gehorchen hatte   – nämlich als ihm befohlen war, sich als Softwarespezialist „am Morden im Irak“   – so lautete seine Formulierung vor laufender Kamera   – zu beteiligen. Standhaft und unbeirrbar weigerte er sich, befehlsgemäß den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der US-geführten Koalition gegen den Irak im Jahre 2003 zu unterstützen. Kein geringerer als der renommierte Rechtsphilosoph Reinhard Merkel hatte diesen zuvor als „völkerrechtliches Verbrechen“ gebrandmarkt.

Als loyal dienender Stabsoffizier fühlte Pfaff sich an seinen einst geleisteten Diensteid gebunden. Denn mit diesem hatte er geschworen, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Nie und nimmer konnte er daher den ihm zugemuteten Völkerrechts- und Verfassungsbruch mit seinen Gewissensprinzipien vereinbaren. Mit seinem Handeln folgte Florian Pfaff der in der altpreußischen Militärtradition tief verwurzelten Praxis couragierter Insubordination. Hierbei riskierte er Kopf und Kragen, lautet doch einer der schwerwiegendsten Vorwürfe, die gegen einen Soldaten überhaupt erhoben werden können: Gehorsamsverweigerung   – immerhin eine mit Gefängnis bedrohte Wehrstraftat.

Traurig nur, dass es erst eines höchstrichterlichen Urteils bedurfte, um die Geltung solch ehrwürdiger Tradition auch für das deutsche Militär unserer Tage festzustellen. Denn mit seinem epochalen Urteil vom 21. Juni letzten Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nichts weniger getan, als den Stabsoffizier der Bundeswehr Florian Pfaff in allen Anklagepunkten vollumfänglich freizusprechen. Die Richter bescheinigten ihm eine, so wörtlich, „an den Kategorien von ›Gut‹ und ›Böse‹ orientierte Gewissensentscheidung“, die von der „erforderlichen Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit des für ihn ethisch Gebotenen geprägt“ war, „so dass er dagegen nicht ohne ernste Gewissensnot handeln konnte.“ Und auch im Übrigen, so das Gericht, ließe „sein Verhalten ... keinerlei Rückschlüsse auf ein mangelhaftes und unzureichendes Pflichtenverständnis oder auf eine fehlende Gesetzes- und Rechtstreue zu.“

Zugleich erwiesen die Leipziger Richter Immanuel Kants kategorischem Postulat unmissverständlich Reverenz, das da lautet: „Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden“. Konzise diesem Imperativ folgend konstatierten sie: „Die Streitkräfte sind als Teil der vollziehenden Gewalt ausnahmslos an Recht und Gesetz und insbesondere an die Grundrechte uneingeschränkt gebunden. Davon können sie sich nicht unter Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit oder Funktionsfähigkeit freistellen.“ Eigentlich eine Selbstverständlichkeit im demokratisch verfassten Rechtsstaat, die ihren Niederschlag folgerichtig im Soldatengesetz findet. Dort steht im Paragraph 11 (Gehorsam): „Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde.“ Und im Paragraphen 10 (Pflichten des Vorgesetzten) heißt es: „Er darf Befehle ... nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften erteilen.“

Angesichts dieser glasklaren wehrrechtlichen Basisregeln drängen sich sofort zwei Fragen auf. Zum einen, wie verludert das Rechtsbewusstsein der politischen Klasse dieser Republik sein muss, die offenbar Völkerrechts- und Verfassungsbruch als lässliche Sünde erachtet. So geschehen 1999 mit der Beteiligung am völkerrechtswidrigen Luftkrieg der NATO gegen Jugoslawien, 2001 mit der vom UN-Sicherheitsrat nicht autorisierten Beteiligung von Bundeswehrsoldaten am Krieg in Afghanistan und zuletzt 2003 mit der massiven Unterstützung des US-Völkerrechtsverbrechens gegen den Irak.

Mit der von Gerhard Schröder vollmundig deklarierten „Enttabuisierung des Militärischen“ hat Rot-Grün den Ausstieg aus der bis zu Beginn der 90er Jahre sorgsam gepflegten „Kultur der Zurückhaltung“ vollzogen. Fortan galt nicht länger die Parole "Frieden schaffen mit weniger Waffen", sondern die Maxime „Frieden schaffen mit aller Gewalt“, feierte der Westentaschen-Wilhelminismus in der Berliner Republik fröhliche Urständ. Geradezu paradigmatisch hierfür erscheint der wahrhaft geniale Geistesblitz eines bundesdeutschen Verteidigungsministers, der einem staunenden Publikum seine schneidige Parole, Deutschland werde fortan „am Hindukush verteidigt“, unterzujubeln versuchte. Aber auch auf Seiten der Christkonservativen lässt man sich dahingehend nicht lumpen.

So kündigten Präsidium und Vorstand der CDU den jahrzehntelangen sicherheitspolitischen Grundkonsens des Landes auf. „Die Beschränkung der Staaten, nur zum Zweck der Selbstverteidigung und der Nothilfe zu den Waffen greifen zu dürfen, ist aufzuheben“, verlautbarten am 28. April 2003 die Führer der Partei mit dem großen C im Namen. Darüber hinaus sei „das Verbot der Intervention, also der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates nicht mehr zeitgemäß“. Und dementsprechend müsse „das Völkerrecht in diesen Punkten ‚weiterentwickelt’ werden“.

Doch von solch perfider Rabulistik gänzlich unbeeindruckt haben die Richter am Bundesverwaltungsgericht zu Leipzig all jenen politischen und juristischen Zuhältern des Völkerrechts, die offenbar meinen, Justitia sei eine Hure, die sich umstandslos jedwedem niedrigen Machtinstinkt dienstbar machen ließe, eines unzweideutig ins Stammbuch geschrieben: Der Primat der Politik gilt lediglich innerhalb der Grenzen von Recht und Gesetz, jenseits davon herrscht der Primat des Gewissens!

Wer immer also die Bundeswehr erneut unter Missachtung des Völkerrechts und Bruch der Verfassung in militärische Abenteuer zu entsenden plant, wird sich solch Vorhaben künftig zweimal überlegen müssen.

Peinliche Fragen muss sich neben der politischen freilich auch die militärische Führungsriege gefallen lassen. Wieso eigentlich bedarf es eines „subalternen“ Stabsoffiziers, um der Geltung eines angeblich schon immer garantierten demokratischen Grundrechts in der Armee eine Bresche zu schlagen? Währenddessen es die hohe Generalität offenkundig präferiert, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen.

Neu ist dies nicht, wie ein Blick in die jüngere deutsche Militärgeschichte illustriert. Hatte doch schon der von Hitler höchstgeschätzte Feldmarschall Erich von Manstein den Anführer der Offiziere des 20. Julis 1944, Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, grob abgekanzelt:„Preußische Feldmarschälle meutern nicht!“ Auf diese Weise demonstrierte während der Hitlertyrannei die weit überwiegende Mehrheit der Goldbetressten: Je höher der Dienstgrad, desto niedriger die Gesinnung. Es ließe sich trefflich darüber räsonieren, wie die Verhältnisse heutzutage liegen. Ungeachtet dessen springt im Falle Pfaff erneut unübersehbar der elende Zustand ins Auge, in dem sich die „Innere Führung“ heutzutage befindet, jene revolutionär neue Konzeption einer „Staatsbürger-Armee“, die gleichsam das Grundgesetz für die Bundeswehr bildet.

Denn wie verlottert muss das Innere Gefüge der Truppe sein, wenn ein Stabsoffizier erst vor ein Bundesgericht ziehen muss, um sein gutes Recht zu bekommen? Wie kann es um die Qualifikation höherer und höchster Vorgesetzter bestellt sein, die offenkundig nicht erkannten   – oder gar: nicht erkennen wollten   –, dass ihr Untergebener sich im Recht befand? Und die ihn überdies disziplinar maßregelten und schikanierten. Fragen über Fragen, die nach Antworten schreien   – auch wenn die Bundesverwaltungsrichter mit ihrer mutigen Entscheidung bekräftigt haben, dass es sich beim Terminus „Soldat“ eben gerade nicht um ein Akronym handelt, das ausbuchstabiert bedeutet: „Soll ohne langes Denken alles tun“.

Und weil der Staatsbürger in Uniform Florian Pfaff getreu dieser Erkenntnis weder sein Hirn noch sein Gewissen beim Betreten der Kaserne an der Wache abzugeben pflegt, steht er zugleich für jene Bundeswehr, wie sie der Erfinder der „Inneren Führung“, der General, Friedensforscher und Militärphilosoph Wolf Graf von Baudissin, einst angestrebt hatte.

Ein an dessen Konzeption ausgerichtetes Militär garantiert erstens dem zivilen Bürger im militärischen Dienst der Bundeswehr seine ihm qua Verfassung verbrieften grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte, die er im Ernstfall unter Einsatz seiner Gesundheit und seines Lebens ja verteidigen soll. Hierfür hat Pfaff gestritten, als er sein Grundrecht auf Gewissensfreiheit geltend machte. Zweitens soll Innere Führung die Integration der Streitkräfte in den demokratisch-pluralistischen Staatsaufbau und ihre Übereinstimmung mit einer offenen, pluralistischen Gesellschaftsform fördern.

Wie erfolgreich Pfaff hierfür wirkt, illustriert nicht zuletzt die Solidarität und Anerkennung, die ihm aus der Mitte der Zivilgesellschaft zuteilwird. Und schließlich propagierte Baudissin einen Soldaten, der in erster Linie für die Erhaltung des Friedens eintritt, für den das Schlachtfeld nicht mehr der Ort ist, wo er sich zu bewähren hat, denn wie er unverblümt klarstellt, „[steht] die Frage nach der Kampfmotivation ... im Frieden nicht zur Debatte“. Gerade auch für diese Vorstellung steht der „Angriffskriegsverweiger“ Pfaff. Auf den Punkt gebracht repräsentiert der ausgezeichnete Stabsoffizier genau jene moderne, postheroische Armee, die menschenrechtskompatibel, demokratiekompatibel und friedenskompatibel gestaltet ist, eine Truppe, bei der, wie Baudissin formulierte, die „Demokratie nicht am Kasernentor aufhört“.

In den Reihen der verteidigungsministeriellen Hofschranzen herrscht indes eine diametral entgegengesetzte Sicht der Dinge vor. Dort leckt man intensiv die schmerzhaften Wunden der Prozessniederlage   – eine Geste des Bedauerns, gar ein Angebot zur Kompensation des dem Major Pfaff zugefügten Unrechts: Komplette Fehlanzeige. Ganz im Gegenteil: die einer Melange aus Dreistigkeit und Ignoranz entspringenden Schikanen gegen ihn setzen sich fort. So wird ihm die beantragte sogenannte „laufbahnrechtliche Schadlosstellung“ mit der absurden Begründung verweigert, er selbst hätte ja den Anlass für die Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gesetzt. Indes ist es mitnichten der rechts- und gewissenstreue Major, dem die juristischen Querelen zuzuschreiben sind. Vielmehr ist deren Ursprung in den kriminellen Handlungen der damaligen Regierung und Bundeswehrführung zu sehen. Denn messerscharf hatte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die deutschen Unterstützungsleistungen für den Aggressionskrieg gegen den Irak geurteilt:

„Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt“.

Grotesk auch die Einlassungen, mit denen das Personalamt der Bundeswehr Florian Pfaff die ihm zustehende Beförderung versagt. Es bestünden „begründete Zweifel an seiner uneingeschränkten persönlichen Eignung und Befähigung“, einem höheren Dienstgrad gerecht zu werden. Dort, wo er seinen Dienst verrichtet, sieht man das hingegen völlig anders. In seiner jüngsten dienstlichen Beurteilung schreibt der zuständige Vorgesetzte nämlich:

„Major Pfaff ist ein gradliniger, eher ruhiger Stabsoffizier mit klaren Wertvorstellungen ... Major Pfaff ist mit Überzeugung Soldat, ... Major Pfaff sollte nun auch zügig die durch seine Arbeit verdiente Beförderung zum Oberstleutnant zuteilwerden.“

Zweitens aber   – so das Personalamt   – sei er „aus den anerkannten Gewissensgründen“ nur „eingeschränkt verwendungsfähig“. Soll wohl heißen: Ein Soldat, der sich weigert, an einem Bruch der Verfassung mitzuwirken, ein Soldat, der seinem Gewissen folgt, während andere sich in Kadavergehorsam üben, ein solcher Soldat ist in der Bundeswehr eigentlich völlig fehl am Platze. Die Botschaft ist eindeutig: Wer nicht pariert, wird sanktioniert!

Darüber hinaus herrscht in der gesamten Bundeswehr ein geradezu ohrenbetäubendes Schweigen hinsichtlich der Causa Pfaff. Totschweigen, Aussitzen und den Soldaten Pfaff selbst mundtot machen, lautet die Devise. So antwortete der Chefredakteur der bundeswehr-internen Informationsplattform «INTRANET aktuell», wo üblicherweise jede Nichtigkeit, die sich in der Truppe ereignet, akribisch rapportiert wird, auf die explizit vorgetragene Anregung einer gebührenden Berichterstattung mit Rückendeckung des Informations- und Pressestabes in Berlin:

„Vielen Dank für den thematischen Vorschlag. Das Thema wird zur Zeit intern allerdings nicht gefahren. Mit freundlichen Grüßen ...“ Im Hause des Franz-Josef Jung ist man, was den Umgang mit dem aufrechten Offizier Pfaff anbelangt, unübersehbar auf der Talsohle der Schäbigkeit angelangt.

Doch beschränkt sich diese schnöde Missachtung beleibe nicht allein auf unseren heutigen Preisträger Florian Pfaff   – nein, sie trifft zugleich uns alle, die wir uns am heutigen Tage hier versammelt haben, somit auch die »Internationale Liga der Menschenrechte« als Schirmherrin der heutigen Feier. Nicht zuletzt werden aber auch zugleich all jene, denen in früheren Jahren die Ehre zuteil wurde, mit der nach Carl von Ossietzky benannten Medaille ausgezeichnet zu werden, Opfer dieses erbärmlichen Gebarens. Den Gipfel des Affronts freilich stellt der Umstand dar, dass offenkundig nicht einmal der Name des antifaschistischen Widerstandskämpfers und Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky es vermag, den Panzer verteidigungsministerieller Ignoranz zu durchbrechen.

Von daher scheinen gelinde Zweifel angebracht an der Ernsthaftigkeit und der Glaubwürdigkeit eines offiziell propagierten Traditionsverständnisses der Bundeswehr, für das angeblich der Widerstand gegen die Nazi-Tyrannei oberste Richtschnur bildet. Auch stellt sich die Frage, ob überhaupt dem amtierenden Verteidigungsminister oder sonst jemandem in seinem Hause die eingangs zitierte traditionsstiftende Sentenz des Prinzen Friedrich Karl von Preußen geläufig ist. Selbst wenn dies augenscheinlich zu verneinen ist, sollte doch die in der Tat bemerkenswerte Einsicht eines noch nicht allzu lange aus dem Amt geschiedenen Generalinspekteurs noch im Bewusstsein der Bundeswehrführung haften. Denn immerhin hatte im Jahre 1994 General Klaus Naumann sogar an eine „Pflicht zur Gehorsamsverweigerung“ gemahnt, als er in seinem Generalinspekteursbrief zu Protokoll gab:

„In unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Ethik stehen dem Gehorsamsanspruch des Dienstherrn das Recht und die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung gegenüber, wo eben diese Rechtsstaatlichkeit und Sittlichkeit mit dem militärischen Auftrag nicht mehr in Einklang stehen, der Soldat damit außerhalb der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung gestellt würde.“

Da Florian Pfaff zweifelsohne nichts weiter getan hat, als pflichtgetreu und vorbildhaft diesem Leitspruch eines Vier-Sterne-Generals zu gehorchen, muss es um so mehr erstaunen, dass am heutigen Tage sowohl der Bundesminister der Verteidigung als auch sein Hofstaat mit und ohne Uniform durch Abwesenheit glänzen. Doch lassen sich die Gründe hierfür eruieren, und zwar recht einfach   – indem wir ihm schreiben, wir alle, die wir hier sitzen. Schreiben wir ihm Hunderte von Briefen und fordern wir Rechenschaft, als demokratische Staatsbürger von einem der Repräsentanten der Staatsgewalt   – die ja bekanntlich vom Volke ausgeht. Und das Volk, das sind wir! Lassen wir uns dabei leiten von der Vision des letztjährigen Friedensnobelpreisträgers Harold Pinter. Dieser hatte in seiner unter das Leitmotiv „Kunst, Wahrheit und Politik“ gestellten, fulminanten Nobelvorlesung vom 7. Dezember 2005 einer seiner Überzeugung nach in ein „weitverzweigtes Lügengespinst“ eingesponnenen Weltöffentlichkeit schonungslos offen entgegengehalten:

„Ich glaube, dass den existierenden, kolossalen Widrigkeiten zum Trotz die unerschrockene, unbeirrbare, heftige intellektuelle Entschlossenheit, als Bürger die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen, eine ausschlaggebende Verpflichtung darstellt, die uns allen zufällt. Sie ist in der Tat zwingend notwendig. Wenn sich diese Entschlossenheit nicht in unserer politischen Vision verkörpert, bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen, was wir schon fast verloren haben   – die Würde des Menschen.“

Nehmen wir Harold Pinter beim Wort. Denn es geht um unsere Verfassung und es geht um unseren Frieden. Wir sind gefordert, als demokratische Staatsbürger und in unserer ganzen Person, beides zu verteidigen gegen die „schmutzige Zumutung der Macht an den Geist“, die einem Apercu des großen Karl Kraus zufolge darin besteht, „Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.“ Zwingend gefordert ist die unerschrockene, unbeirrbare, heftige intellektuelle Entschlossenheit eines jeden von uns an seinem Platze, gemäß seinen Möglichkeiten. „Ultra posse nemo obligatur“, heißt es, aber daraus folgt auch: Das was man tun kann, muss man auch tun! Lassen Sie uns damit beginnen, hier und heute, augenblicklich, sofort.

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.