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Die Pest von Albert Camus  –Roman von 1947

Aus aktuellem Anlass erinnern wir an Camus’ berühmtes Werk
14. April 2020
Bei unserer Überlegung, ob es opportun ist, heute «La Peste» zum Lesen zu empfehlen, sprachen wir u.a. auch darüber mit unserem Freund Wolf Gauer, Journalist und Filmemacher aus Südamerika, der uns spontan diese Zuschrift sandte

Buch Die Pest

Lieber Willy,

Albert Camus ist m.E. eine der respektabelsten Gestalten der europäischen Moderne. Sein kurzer Lebensweg (1913-1960) als Arbeiterkind, Journalist, Philosoph und Kommunist hat ihn durch praktisch alle sozialen Schichten, existenziellen und ideologischen Situationen geführt - er war ja später auch ein Mitbegründer des Existenzialismus, der seinerseits das Trauma des WW2 und dessen geistige Erschütterungen überwinden wollte.

Sein bekanntestes Werk Die Pest (Anlass: die Pest in Oran) wird seither symbolisch verstanden: Als ein überlagerndes Ereignis, das alle trifft, und unter dem man sich solidarisch bewähren muss, koste es auch das eigene Leben. Dieses Ereignis war für Camus die lange deutsche Besetzung Frankreichs, genauer: die Beherrschung Frankreichs durch den Faschismus (Camus hatte persönlich nichts gegen Deutschland, die Heimat Karl Marx' und einer bedeutenden philosophischen und kulturellen Tradition).

Deshalb ist das Buch unbedingt lesenswert, auch heute noch. Erst recht nachdem uns immer mehr vorgeführt wird, wie nach dem Zusammenbruch der SU und der DDR die neuen Herrschaftstechniken des Liberalismus und dessen täuschende Lebenslösungen  den von Camus vertretenen Geist der moralisch-politischen Bewährung des Einzelnen annullieren. 

Ich müsste es auch mal wieder lesen. In den 60er Jahren war es unter Schülern und Studenten ja noch sehr populär.

Camus bleibt einer der ganz großen Vertreter und Zeitzeugen des europäischen Humanismus und seiner Konflikte. Vielleicht auch deshalb, weil er als Algerienfranzose (und Parteigänger der arabischen Bevölkerung) aufgewachsen ist mit einem (wenigstens anfänglich) distanzierteren und freieren Blick auf Europa.

Was hätte er zu unserer aktuellen “Pest” und ihren Bewältigern zu sagen? Zur angesagten medialen Verspottung aller sozialen Ansätze und Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen? Schwer zu sagen. Ich glaube kaum, dass er heutzutage nochmals den Nobelpreis erhalten würde.

Herzlichst
Wolf Gauer

Das Hörbuch in drei Teilen  CD1/3 56:49 fanden wir bei Materialismo Historico
Materialismo histórico

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