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Das falsche Narrativ des Westens über Russland und China

Es gibt nur ein Land, dessen selbsterklärte Fantasie es ist, die dominierende Macht der Welt zu sein: die USA.
Von Jeffrey Sachs* - Aug 24, 2022
27. August 2022
Die Welt steht am Rande einer nuklearen Katastrophe, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die politischen Führer des Westens es versäumt haben, die Ursachen der eskalierenden globalen Konflikte offen zu benennen. Das unerbittliche westliche Narrativ, dass der Westen edel sei, während Russland und China böse seien, ist einfältig und außerordentlich gefährlich. Es ist ein Versuch, die öffentliche Meinung zu manipulieren und nicht, sich mit der sehr realen und dringenden Diplomatie auseinanderzusetzen.

 usa versus russlandRussland im Zangengriff der US-Militärbasen Bild: https://barnesreview.org/europe-at-the-crossroads/us-bases-near-russia/

Dank an Willy Wimmer für den Hinweis auf Jeffrey Sachs’ Text, den er uns mit folgenden Gedanken dazu zugestellt hat: "Ein Hammer-Text! Noch Fragen? Dieser Text stammt von dem Mann, der der Sowjetunion den Rest gegeben hatte. Wir sind seit langem auf dem Holzweg. Alexander Sosnowski und ich haben dies in unserem Buch; «Und immer wieder Versailles   – Ein Jahrhundert im Brennglas 2019» deutlich beschrieben und schon Jahre zuvor öffentlich gemacht."

Das wesentliche Narrativ des Westens ist in die nationale Sicherheitsstrategie der USA integriert. Der Kerngedanke der USA ist, dass China und Russland unerbittliche Feinde sind, die

"versuchen, die amerikanische Sicherheit und den Wohlstand zu untergraben".

Diese Länder sind nach Ansicht der USA

"entschlossen, ihre Volkswirtschaften weniger frei und weniger fair zu gestalten, ihre Streitkräfte auszubauen und Informationen und Daten zu kontrollieren, um ihre Gesellschaften zu unterdrücken und ihren Einfluss auszuweiten".

Die Ironie besteht darin, dass die USA seit 1980 in mindestens 15 Kriegen in Übersee involviert waren (Afghanistan, Irak, Libyen, Panama, Serbien, Syrien und Jemen, um nur einige zu nennen), während China in keinem und Russland nur in einem (Syrien) außerhalb der ehemaligen Sowjetunion war.

Die USA haben Militärbasen in 85 Ländern, China in 3 und Russland in 1 (Syrien) außerhalb der ehemaligen Sowjetunion.

Präsident Joe Biden hat dieses Narrativ gefördert und erklärt, dass die größte Herausforderung unserer Zeit der Wettbewerb mit den Autokratien ist, die

"versuchen, ihre eigene Macht auszubauen, ihren Einfluss in die ganze Welt zu exportieren und auszuweiten und ihre repressive Politik und Praxis als effizienteren Weg zur Bewältigung der heutigen Herausforderungen zu rechtfertigen".

Die Sicherheitsstrategie der USA ist nicht das Werk eines einzelnen US-Präsidenten, sondern des weitgehend autonomen US-Sicherheitsapparats, der hinter einer Mauer der Geheimhaltung operiert.

Die übersteigerte Angst vor China und Russland wird der westlichen Öffentlichkeit durch Manipulation der Fakten verkauft. Eine Generation zuvor verkaufte George W. Bush Jr. der Öffentlichkeit die Idee, Amerikas größte Bedrohung sei der islamische Fundamentalismus, ohne zu erwähnen, dass es die CIA war, die zusammen mit Saudi-Arabien und anderen Ländern die Dschihadisten in Afghanistan, Syrien und anderswo geschaffen, finanziert und eingesetzt hatte, um Amerikas Kriege zu führen.

Oder denken Sie an den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan im Jahr 1980, der in den westlichen Medien als ein unprovozierter Akt der Perfidie dargestellt wurde. Jahre später erfuhren wir, dass der sowjetischen Invasion in Wirklichkeit eine CIA-Operation vorausgegangen war, die die sowjetische Invasion provozieren sollte! Die gleiche Fehlinformation gab es auch in Bezug auf Syrien. Die westliche Presse ist voll von Schuldzuweisungen gegen Putins militärische Unterstützung für Syriens Bashar al-Assad ab 2015, ohne zu erwähnen, dass die USA den Sturz von al-Assad ab 2011 unterstützten, wobei die CIA eine große Operation (Timber Sycamore) finanzierte, um Assad zu stürzen, Jahre bevor Russland kam.

Oder vor kurzem, als die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, trotz Chinas Warnungen rücksichtslos nach Taiwan flog, kritisierte kein G7-Außenminister Pelosis Provokation, doch die G7-Minister kritisierten gemeinsam Chinas "Überreaktion" auf Pelosis Reise scharf.

Das westliche Narrativ über den Ukraine-Krieg ist, dass es sich um einen unprovozierten Angriff Putins handelt, der das russische Imperium wiederherstellen will. Die wahre Geschichte beginnt jedoch mit dem Versprechen des Westens an den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, gefolgt von vier Wellen der NATO-Erweiterung: 1999 wurden drei mitteleuropäische Staaten aufgenommen, 2004 sieben weitere, darunter die Staaten am Schwarzen Meer und im Baltikum, 2008 wurde die Erweiterung um die Ukraine und Georgien zugesagt, und 2022 wurden vier asiatisch-pazifische Staaten in die NATO eingeladen, um China ins Visier zu nehmen.

Die westlichen Medien erwähnen auch nicht die Rolle der USA beim Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2014, das Versäumnis der Regierungen Frankreichs und Deutschlands, der Garanten des Minsk-II-Abkommens, die Ukraine zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu drängen, die umfangreichen US-Rüstungslieferungen an die Ukraine während der Regierungen Trump und Biden im Vorfeld des Krieges sowie die Weigerung der USA, mit Putin über die NATO-Erweiterung um die Ukraine zu verhandeln.

Natürlich behauptet die NATO, dies sei rein defensiv, so dass Putin nichts zu befürchten habe. Mit anderen Worten: Putin sollte die CIA-Operationen in Afghanistan und Syrien, die NATO-Bombardierung Serbiens im Jahr 1999, den NATO-Sturz von Moammar Qaddafi im Jahr 2011, die 15-jährige NATO-Besetzung Afghanistans, Bidens "Fauxpas", Putin zu stürzen (was natürlich überhaupt kein Fauxpas war), oder die Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, das Kriegsziel der USA in der Ukraine sei die Schwächung Russlands, nicht zur Kenntnis nehmen.

Im Zentrum all dessen steht der Versuch der USA, die Hegemonialmacht der Welt zu bleiben, indem sie ihre Militärbündnisse auf der ganzen Welt ausbauen, um China und Russland einzudämmen oder zu besiegen. Das ist eine gefährliche, wahnhafte und überholte Idee. Die USA haben nur 4,2 % der Weltbevölkerung und nur 16 % des Welt-BIP (gemessen zu internationalen Preisen). Tatsächlich ist das gemeinsame BIP der G7 heute geringer als das der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), während die G7-Bevölkerung nur 6 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, verglichen mit 41 Prozent in den BRICS.

Es gibt nur ein Land, dessen selbsterklärte Fantasie es ist, die dominierende Macht der Welt zu sein: die USA.

Es ist an der Zeit, dass die USA die wahren Quellen der Sicherheit erkennen: den inneren sozialen Zusammenhalt und die verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt, und nicht die Illusion der Hegemonie. Mit einer solchen revidierten Außenpolitik würden die USA und ihre Verbündeten einen Krieg mit China und Russland vermeiden und die Welt in die Lage versetzen, ihre unzähligen Umwelt-, Energie-, Nahrungsmittel- und sozialen Krisen zu bewältigen.

Vor allem aber sollten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs in dieser Zeit extremer Gefahren auf die wahre Quelle der europäischen Sicherheit besinnen: nicht auf die Hegemonie der USA, sondern auf europäische Sicherheitsvereinbarungen, die die legitimen Sicherheitsinteressen aller europäischen Staaten respektieren, sicherlich auch die der Ukraine, aber auch die Russlands, das sich weiterhin gegen die NATO-Erweiterung im Schwarzen Meer wehrt. Europa sollte sich darauf besinnen, dass die Nichterweiterung der NATO und die Umsetzung der Minsk-II-Vereinbarungen diesen schrecklichen Krieg in der Ukraine hätten verhindern können. In dieser Phase ist Diplomatie, nicht militärische Eskalation, der wahre Weg zu europäischer und globaler Sicherheit.

Jeffrey Sachs
*Jeffrey David Sachs ist ein US-amerikanischer Ökonom und seit 2002 Sonderberater der Millennium Development Goals. Er ist Direktor des UN Sustainable Development Solutions Network sowie Direktor des Earth Institute an der Columbia University. Wikipedia

Quelle: https://johnmenadue.com/the-wests-false-narrative-about-russia-and-china/
Hervorhebungen seniora.org

Hier der englischen Originatext:

The west’s false narrative about Russia and China

Aug 24, 2022

Russia and China are much closer together today.
Image: iStock

The world is on the edge of nuclear catastrophe in no small part because of the failure of Western political leaders to be forthright about the causes of the escalating global conflicts. The relentless Western narrative that the West is noble while Russia and China are evil is simple-minded and extraordinarily dangerous. It is an attempt to manipulate public opinion, not to deal with very real and pressing diplomacy.

The essential narrative of the West is built into US national security strategy. The core US idea is that China and Russia are implacable foes that are “attempting to erode American security and prosperity.” These countries are, according to the US, “determined to make economies less free and less fair, to grow their. militaries, and to control information and data to repress their societies and expand their influence.”

The irony is that since 1980 the US has been in at least 15 overseas wars of choice (Afghanistan, Iraq, Libya, Panama, Serbia, Syria, and Yemen just to name a few), while China has been in none, and Russia only in one (Syria) beyond the former Soviet Union. The US has military bases in 85 countries, China in 3, and Russia in 1 (Syria) beyond the former Soviet Union.

President Joe Biden has promoted this narrative, declaring that the greatest challenge of our time is the competition with the autocracies, which “seek to advance their own power, export and expand their influence around the world, and justify their repressive policies and practices as a more efficient way to address today’s challenges.” US security strategy is not the work of any single US president but of the US security establishment, which is largely autonomous, and operates behind a wall of secrecy.

The overwrought fear of China and Russia is sold to a Western public through manipulation of the facts. A generation earlier George W. Bush, Jr. sold the public on the idea that America’s greatest threat was Islamic fundamentalism, without mentioning that it was the CIA, with Saudi Arabia and other countries, that had created, funded, and deployed the jihadists in Afghanistan, Syria, and elsewhere to fight America’s wars.

Or consider the Soviet Union’s invasion of Afghanistan in 1980, which was painted in the Western media as an act of unprovoked perfidy. Years later, we learned that the Soviet invasion was actually preceded by a CIA operation designed to provoke the Soviet invasion! The same misinformation occurred vis-à-vis Syria. The Western press is filled with recriminations against Putin’s military assistance to Syria’s Bashar al-Assad beginning in 2015, without mentioning that the US supported the overthrow of al-Assad beginning in 2011, with the CIA funding a major operation (Timber Sycamore) to overthrow Assad years before Russia arrived.

Or more recently, when US House Speaker Nancy Pelosi recklessly flew to Taiwan despite China’s warnings, no G7 foreign minister criticised Pelosi’s provocation, yet the G7 ministers together harshly criticised China’s “overreaction” to Pelosi’s trip.

The Western narrative about the Ukraine war is that it is an unprovoked attack by Putin in the quest to recreate the Russian empire. Yet the real history starts with the Western promise to Soviet President Mikhail Gorbachev that NATO would not enlarge to the East, followed by four waves of NATO aggrandisement: in 1999, incorporating three Central European countries; in 2004, incorporating 7 more, including in the Black Sea and Baltic States; in 2008, committing to enlarge to Ukraine and Georgia; and in 2022, inviting four Asia-Pacific leaders to NATO to take aim at China.

Nor do the Western media mention the US role in the 2014 overthrow of Ukraine’s pro-Russian president Viktor Yanukovych; the failure of the Governments of France and Germany, guarantors of the Minsk II agreement, to press Ukraine to carry out its commitments; the vast US armaments sent to Ukraine during the Trump and Biden Administrations in the lead-up to war; nor the refusal of the US to negotiate with Putin over NATO enlargement to Ukraine.

Of course, NATO says that is purely defensive, so that Putin should have nothing to fear. In other words, Putin should take no notice of the CIA operations in Afghanistan and Syria; the NATO bombing of Serbia in 1999; the NATO overthrow of Moammar Qaddafi in 2011; the NATO occupation of Afghanistan for 15 years; nor Biden’s “gaffe” calling for Putin’s ouster (which of course was no gaffe at all); nor US Defence Secretary Lloyd Austin stating that the US war aim in Ukraine is the weakening of Russia.

At the core of all of this is the US attempt to remain the world’s hegemonic power, by augmenting military alliances around the world to contain or defeat China and Russia. It’s a dangerous, delusional, and outmoded idea. The US has a mere 4.2% of the world population, and now a mere 16% of world GDP (measured at international prices). In fact, the combined GDP of the G7 is now less than that of the BRICS (Brazil, Russia, India, China, and South Africa), while the G7 population is just 6 percent of the world compared with 41 percent in the BRICS.


There is only one country whose self-declared fantasy is to be the world’s dominant power: the US. It’s past time that the US recognised the true sources of security: internal social cohesion and responsible cooperation with the rest of the world, rather than the illusion of hegemony. With such a revised foreign policy, the US and its allies would avoid war with China and Russia, and enable the world to face its myriad environment, energy, food and social crises.

Above all, at this time of extreme danger, European leaders should pursue the true source of European security: not US hegemony, but European security arrangements that respect the legitimate security interests of all European nations, certainly including Ukraine, but also including Russia, which continues to resist NATO enlargements into the Black Sea. Europe should reflect on the fact that the non-enlargement of NATO and the implementation of the Minsk II agreements would have averted this awful war in Ukraine. At this stage, diplomacy, not military escalation, is the true path to European and global security.

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