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Zum Tod von Wladimir Wolfowitsch Shirinowski

Engagierter Politiker und Vorsitzender der Liberal-demokratischen Partei Russlands (LDPR)
von Siegfried Wilhelm Nishni Nowgorod am 6. 04. 2022
07. April 2022
Wenn von Wladimir Shirinowski die Rede ist, überschlägt sich die Qualitätspresse gern mit solchen Attributen, wie „«Russischer Ultranationalist» oder «Umstrittener LDPR-Vorsitzender». Wie wäre es, sein Leben ein wenig seriöser unter die Lupe zu nehmen? Zudem sollte man sich ruhig etwas zurückhalten, wenn jemand seinen Lebenslauf beendet hat. Entweder man sagt nur Gutes über ihn, oder man schweigt. Ich werde hier ein paar Highlights aus Shirinowskis Leben aufzeigen, die ich nach eigenem Ermessen aus dem Text in der «Svobodnaya Pressa» herausgesucht habe.

Schirinowski

Wladimir Wolfowitsch Shirinowski erblickte am 25. 1946 in Alma-Ata, Kasachische SSR, das Licht der Welt. Sein Vater, Wolf Isaakowitsch Ejdelstejn. Dessen Vater, Isaak Ejdelstejn, war Industrieller und lebte in der Gegend Kostopol, Polen, heute Ukraine, Oblast Rowno. Nach dem Anschluss Ostpolens an die Westukraine wurden Wolf und sein Bruder Aaron Ejdelstejn nach Kasachstan umgesiedelt, deportiert. Shirinowskis Eltern lernten sich in Alma-Ata kennen. Wolf war ein enger Freund des Gatten von Alexandra Pawlowna Makarova. Dieser war NKWD-Offizier und verstarb 1944 an Tuberkulose.

Alexandra Pawlowna hatte sechs Kinder, 3 Söhne, außer Wladimir noch Sergej und Juri, und 3 Töchter   – Vera, Nadjeshda, Ljubow   – Glaube, Hoffnung, Liebe. Es war für Wolf Ejdelstejn durchaus ein Wagnis, diese Beziehung einzugehen. Anfang 1946 trat er eine Dienstreise nach Warschau an, von der er nicht zurückkehrte. Von Warschau aus emigrierte er nach Israel, wo er 1983 unter einen Bus geriet und verstarb. Somit hatte Wladimir Wolfowitsch weder seinen leiblichen noch seinen legalen Vater zu Gesicht bekommen.

 Wladimir Shirinowskis   – Beruflicher Werdegang

  • bis 1964 Mittelschule № 25 in Alma Ata;
  • dann Studium am Institut für orientalische Sprachen der Lomonossow-Universität Moskau;
  • 1970 Abschluss in der Fachrichtung «Türkische Sprache und Literatur»;
  • 1965 bis 1967 Zusatzstudium an der Universität für Marxismus-Leninismus, Fakultät Internationale Beziehungen;
  • 1969—1970 Praktikum als Experte für wirtschaftliche Verbindungen der UdSSR im Staatlichen Rundfunk und Fernsehen Gosteleradio;
  • nach Beendigung des Studiums Grundwehrdienst, anschließend Tätigkeit im Westeuropasektor der Internationalen Abteilung des Sowjetischen Komitees für den Schutz des Friedens (1972−1975);
  • 1975−1977 Beauftragter für die Arbeit mit ausländischen Studenten bei der Gewerkschaftshochschule;
  • 1977−1983 Kollegium für internationales Recht beim Justizministerium der UdSSR;
  • Während der Jahre der Perestroika war Shirinowski Leiter der juristischen Abteilung des Verlags «Mir» (с 1983 по 1990).

1990 wurde Shirinowski Parteivorsitzender der Liberal-demokratischen Partei der Russischen . 1998 verteidigte er seine Dissertation zum Thema «Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der russischen Nation: Die russische Frage: Sozial-philosophische Analyse» an der Lomonossow-Universität.

Wladimir Shirinowski beherrschte mehrere Sprachen, so das Englische, Französisch, Deutsch und Türkisch. Während seines Lebens hat er etwa 500 Bücher veröffentlicht, darunter 100 Bände eigener Werke unter dem Titel «Politische Klassik».

Wladimir Wolfowitsch war Abgeordneter der Staatsduma und kandidierte 1991, 1996, 2008 und 2012 für das Präsidentenamt der RF.

Wladimir Shirinowski: Zitate und Höhepunkte

Wladimir Wolfowitsch hat seine politischen Überzeugungen immer sehr scharf verteidigt, egal, wo er sich befand, ob vor der Fernsehkamera oder im privaten Gespräch. Er war für seine meistens spontanen und nicht selten skandalösen Aussagen bekannt. Die Medien veröffentlichten wiederholt ein Foto, auf dem Shirinowski Boris Nemzow (damals Gouverneur der Oblast Nishnij Nowgorod) mit Orangensaft übergießt (18. Juni 1995).

Schirinowski Orangensaft
Wladimir Wolfowitsch war immer etwas impulsiv. So wurde ihm bei einem TV-Interview unterstellt, er würde mit Abgeordnetenplätzen in der Duma handeln, was den LDPR-Chef dermaßen in Rage brachte, dass er das Mikrofon kurz und klein, schlug und den Conferencier einen elenden Schuft nannte.

Nicht weniger extravagant zeigte sich Shirinowski 2017. Shirinowski versprach, im Falle seines Wahlsiegs eine «allgemeine Amnestie: politisch, wirtschaftlich, strafrechtlich und finanziell» zu erlassen, was in den Nachrichten für einigen Wirbel sorgte.

Im März 2017 wandte sich Shirinowski von der Tribüne der Duma aus an die Parlamentsmehrheit und versprach, dass er seine Gegner erschießen würde, wenn er die Präsidentschaftswahlen 2018 gewinnen würde. Der stellvertretende Duma-Sprecher Sergej Neverov forderte die Ethikkommission auf, diese Äußerungen gegenüber seinen Parteikollegen zu überprüfen. Shirinowski sprach daraufhin eine Drohung gegen die Abgeordneten von «Einiges Russland» aus und beschuldigte viele von ihnen, nicht rechtmäßig im Parlament zu sein, dann führte er die gesamte LDPR-Fraktion aus Protest aus dem Sitzungssaal.

Später erklärte der Fraktionsvorsitzende der LDPR, dass sich seine Worte über «Erschießen» und «Aufhängen» auf Vertreter krimineller Vereinigungen und nicht auf Abgeordnete von Einiges Russland bezogen hätten.

Wladimir Shirinowski schlug eine radikale Lösung für die ukrainische Frage vor und befürwortete die Eingliederung der Ukraine und Weißrusslands in die Russische Föderation als neue Föderalbezirke. «Wenn ich hier im Kreml wäre, gäbe es keine Ukraine. Die russische Armee hätte an der Grenze gestanden, wo sie sich im Ersten Weltkrieg befand. Sie sollten froh sein, dass Putin im Kreml sitzt. Nach ihm wird ein anderer kommen, und es wird keine Notwendigkeit für Verhandlungen geben. Alles wird nachts erledigt. ... Binnen 72 Stunden werden russische Panzer in der Nähe von Brüssel stehen,» - so Shirinowski 2016.

Ebenfalls 2017 versprach der LDPR-Vorsitzende Wladimir Shirinowski, im Falle seines Sieges bei den russischen Präsidentschaftswahlen 2018 einer Reihe von Städten ihre früheren Namen zurückzugeben, insbesondere die Umbenennung von Wolgograd in Stalingrad. Andererseits verurteilte Shirinowski in seinen Erklärungen stets die «Verbrechen der totalitären kommunistischen Regime».

Shirinowski forderte Gegensanktionen gegen die USA. «Auch wir können die Visavergabe einstellen und Beziehungen abbrechen, Wir können Afghanistan verbieten, russisches Territorium zu überfliegen, oder die Uranlieferungen an den Iran aussetzen», — ließ der LDPR-Parteichef verlauten. Wladimir Wolfowitsch war der Meinung, dass Moskau eine härtere Linie verfolgen solle und, gegebenenfalls, den Außenminister der RF auswechseln.

Dafür begrüßte er mit Begeisterung den Wahlsieg Donald Trumps, in den Nachrichten kamen Bilder davon, wie Wolfowitsch mit einem Glas Sekt auf den Wahlsieg von Trump anstieß. Jedoch schon im April 2017 war er bereit, ein Glas auf das Impeachment von Donald Trump zu erheben..

Wladimir Shirinowski   – Privatleben

Shirinowski Wladimir Wolfowitsch war verheiratet, hatte zwei Söhne und eine Tochter. Sein Sohn Oleg Gazdarov und Tochter Anastasia Petrova sind außereheliche Kinder. Alle sind in der Russischen Föderation tätig.

Nachruf auf Wladimir Shirinowski

Am 09.Februar 2022 bestätigte das Gesundheitsministerium der RF die Krankenhauseinweisung Shirinowskis in einem Moskauer Zentralkrankenhaus.

Wladimir Shirinowski schloss am 06.April 2022 im Alter von 75 Jahren nach längerer schwerer Krankheit, die von einer Coronavirus-Infektion herrührt, die Augen für immer.

Der Sprecher der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, sagte, Shirinowski sei ein kluger und begabter Politiker gewesen. Seine Persönlichkeit sei von einer solchen Größe, dass er aus der Geschichte des politischen Systems Russlands nicht wegzudenken ist.

«Es ist ein unersetzlicher Verlust für uns alle. Möge sein Andenken immer in unseren Herzen bleiben»,

Quelle: Svobodnaya Pressa

https://svpressa.ru/persons/vladimir-zhirinovskiy/

Als ich nach Russland kam, habe ich ein paar Pamphlete von Wladimir Wolfowitsch gefunden, eines davon übersetzt. Mein persönlicher Eindruck ist   – dieser Mann war alles Mögliche, aber kein Ultrarechter und erst recht kein Nationalist. Er ging für seine Überzeugung durch's Feuer, ja. Er war kein einfacher Mensch, sehr widersprüchlich, aufbrausend, impulsiv, nicht immer mit guten Sitten. Er war durch und durch ein Patriot, einer, wie Russland noch ein paar mehr bräuchte. Er war das Enfant terrible des russischen Parlaments, der Staatsduma, der er seit 1991 angehörte. Er wird uns fehlen. Ehre seinem Andenken.

Siegfried Wilhelm, Übersetzer
Nishnij Nowgorod, den 06. April 2022

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