Russland heute – Innenansichten eines Schweizers
(7. Juni 2024) (CH-S/gk) Peter Hänseler ist eine der wenigen Personen, die auf Grund ihrer persönlichen Lebenserfahrung einen direkten Vergleich zwischen der Schweiz, Deutschland und Russland ziehen können. Er war über viele Jahre beruflich in Russland tätig und hat heute seinen Lebensmittelpunkt in Moskau, von wo aus er auch publizistisch tätig ist. Umso interessanter dürfte seine Sicht auf die verschiedenen Bereiche wie die aktuelle Politik, den konkreten Alltag oder auch die russische Perspektive auf die Schweiz ausfallen. Der «Schweizer Standpunkt» hatte Gelegenheit, ihn näher zu befragen.
Schweizer Standpunkt: Im April ist Wladimir Putin bei einer sehr hohen Wahlbeteiligung mit hoher Zustimmung erneut zum Präsidenten Russlands gewählt worden. In den westlichen Medien wird behauptet, es sei keine echte Wahl gewesen. Stimmt es, dass es in Russland keine Wahlpflicht gibt? Die Menschen hätten einer Wahl ja auch fernbleiben können, oder? Und wie beurteilen Sie die hohe Zustimmung der russischen Wähler zur Wiederwahl Putins?
Zur russischen Präsidentenwahl
Peter Hänseler: In Russland gibt es ein Wahlrecht, keine Wahlpflicht. Das russische Wahlgesetz ist glasklar. Artikel 3, Absatz 3 des Wahlgesetzes lautet wie folgt:
«Die Teilnahme eines Bürgers der Russländischen Föderation an Wahlen und Volksabstimmungen ist frei und freiwillig. Niemand hat das Recht, auf einen Bürger der Russländischen Föderation Einfluss zu nehmen, um ihn zur Teilnahme oder Nichtteilnahme an Wahlen und Volksabstimmungen zu zwingen oder seine freie Willensäusserung zu verhindern.»
Selbstverständlich war die historisch hohe Wahlbeteiligung von 74% (nach 67,5% 2018) neben dem hohen Wahlergebnis von 87% (nach 77,5% 2018) ein Ausdruck des grossen Vertrauens des Volkes.
Der Grund dafür ist mehrschichtig. Ich verfolge die Wahl von Präsident Putin seit 2000. Die Zustimmungsraten von Präsident Putin lagen immer um die 80% – der Grund dafür ist darin zu finden, dass sich das Leben der Russen seit seiner ersten Wahl kontinuierlich verbessert hat. Russland heute ist mit dem Russland im Jahre 2000 nicht mehr zu vergleichen: Tag und Nacht.
Das aussergewöhnlich gute Wahlergebnis und die hohe Wahlbeteiligung heute sind ein Ausdruck dafür, dass die Russen mit der Arbeit von Präsident Putin seit Februar 2022 sehr zufrieden sind: Es ist ihm – und seinem hervorragenden Team – zu verdanken, dass Russland das Sanktionsgewitter und die aggressive Haltung des Westens so gut überstanden hat. Weiter kommen die guten militärischen Ergebnisse an der Front dazu.
Ich sage immer wieder: Die Russen sind Skeptiker und beurteilen Putin nach seinen Ergebnissen – und die stimmen.
Inzwischen ist von Putin und der Duma ein grosser Teil der bisherigen Regierung im Amt bestätigt worden. Es gab jedoch auch Personaländerungen, vor allem wurde ein neuer Verteidigungsminister bestimmt. Was war die offizielle Begründung für diesen Wechsel und wie wird dieser Personalwechsel von der russischen Bevölkerung und dem Militär bewertet?
Der Präsidentensprecher Peskow äusserte sich zur Ernennung Belousows gegenüber Journalisten wie folgt:
«Auf dem Schlachtfeld gewinnt heute derjenige, der offener für Innovationen ist, der offener für die schnellste Umsetzung ist. Aus diesem Grund hat der Präsident beschlossen, das Verteidigungsministerium von einem Zivilisten leiten zu lassen.»
Die Zustimmung zu diesem Wechsel ist insbesondere bei der kämpfenden Truppe hoch. Belousow ist keine neue Figur, sondern war am Erfolg der russischen Wirtschaft seit 2000 massgeblich beteiligt. Er gilt als äusserst intelligent, loyal zu Russland und als absolut nicht korrumpierbar. Somit hat er sich auch den Respekt in der Zivilbevölkerung redlich verdient.
Quelle: https://schweizer-standpunkt.ch/news-detailansicht-de-gesellchaft/russland-heute-innenansichten-eines-schweizers.html
Mit freundlicher Genehmigung von Schweizer-Standpunkt.ch
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