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"Sorgen Sie für ein Haus voller Bücher!"

01. März 2013

ein Interview Nicola Schmidt

Die Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf warnt vor den Gefahren des digitalen Lesens. Sie plädiert dafür, Kinder weiterhin mit gedruckten Texten zu konfrontieren.

Als Expertin für die kognitive Entwicklung von Kindern an der amerikanischen Tufts University beschäftigt sich Maryanne Wolf vor allem mit Legasthenie. Doch in ihrem Buch "Das lesende Gehirn" (Spektrum Verlag) warnt sie unter anderem vor den Gefahren des nur digitalen Lesens für die ganze Gesellschaft: Das Internet verführe Erwachsene und insbesondere Kinder zur unkonzentrierten Informationssuche, die das selbstständige Denken untergrabe und ihnen die Freude einer tieferen Leseerfahrung vorenthalte.

Hirnforscherin Maryanne Wolf plädiert dafür, dass Kinder das "tiefe Lesen" lernen. Und das geht mit Büchern, nicht im Internet.

Lesen Sie den ganzen hochinteressanten Artikel hier:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/hirnforschung-sorgen-sie-fuer-ein-haus-voller-buecher-1.976164

Copyright: sueddeutsche.de GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH

Buchempfehlung: " Das lesende Gehirn"

"Wir sind nicht zum Lesen geboren", sagt Maryanne Wolf. "Es gibt keine Gene, die je die Entwicklung des Lesens befohlen hätten. Der Mensch erfand das Lesen erst vor wenigen tausend Jahren. Und mit dieser Erfindung veränderten wir unmittelbar die Organisation unseres Gehirns, was uns wiederum zuvor ungekannte Denkweisen eröffnete und damit die geistige Evolution unserer Art in neue Bahnen lenkte."

Im Lesesaal des Gehirns erkundet die wundersame Fähigkeit unseres Gehirns, sich als Reaktion auf äußere Veränderungen immer wieder anzupassen und umzugestalten. Die Autorin geht der Frage nach, wie und warum diese "offene Architektur", also die Elastizität und Plastizität unseres Gehirns, den Menschen einerseits hilft, andererseits aber Schwierigkeiten bereitet, lesen zu lernen und geschriebene Sprache zu verarbeiten. Sie untersucht außerdem, was im Gehirn von Menschen geschieht, die etwa an Lese-Rechtschreib-Schwäche leiden oder gegen sie ankämpfen.

Wolf, eine international angesehene Expertin für die Zusammenhänge zwischen Lesen und Gehirn, bringt ihre persönliche Leidenschaft und schriftstellerische Gabe in diese Geschichte des lesenden Gehirns ein. Jeder, der gerne liest, wird von diesem kleinen Meisterwerk der populärwissenschaftlichen Literatur fasziniert sein. Einige Aussagen aus dem Buch: Wir können unser Gehirn durch das verändern, was wir lesen. Sowohl im Kontext der Evolution unserer Art als auch im Rahmen unserer individuellen Entwicklung beeinflussen Sprache und Inhalt des von uns Gelesenen   – von frühester Kindheit bis ins hohe Alter   – die Funktionsweise unseres Gehirns. Wir können etwas über das Gehirn allgemein lernen, wenn wir uns mit Legasthenie/ Dyslexie beschäftigen.

Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche haben oft außergewöhnliche Gaben, die aber manchmal wegen der Leseschwierigkeiten un- oder unterentwickelt bleiben. Wie können wir diese Fähigkeiten freisetzen und den Betroffenen zugleich helfen, lesen zu lernen? Es ist sehr wichtig, das lesende Gehirn zu erhalten. Unsere grundlegenden Lesefertigkeiten scheinen heute in Gefahr. Was bedeutet die digitale Kultur für die Fähigkeit, beim Lesen Querverbindungen zu knüpfen, Inhalte zu analysieren und unter die Oberfläche vorzudringen? Wird die Unmittelbarkeit und schiere Masse von Information uns als Art intelligenter machen, oder droht uns ein Verlust an tieferem Verständnis, Wissen und Kreativität? Oder werden beide Entwicklungen parallel ablaufen?

Gedruckte Wörter sind wertvoll.

In unseren weltweiten Bemühungen um sprachliche Bildung müssen wir das auf Papier geschriebene Wort bewahren und die nächste Generation mit mutiplen Lesefertigkeiten ausstatten.

SZ: Was folgt daraus konkret für die Erziehung unserer Kinder?

Wolf: Mein bester Ratschlag an Eltern lautet: "Sorgen Sie für ein Haus voller gedruckter Bücher und lesen sie ihren Kindern jeden Abend vor bis sie fünf Jahre oder älter sind!" Ich hab meinen Kindern vorgelesen bis sie zehn und zwölf waren. Es ist längst bekannt und kein Geheimnis, dass das Gehirn von Kleinkindern am besten von menschlichen Stimmen stimuliert wird. Wenn sie immer am Computer sitzen, wollen die Kinder auch nur am Computer sitzen. Das Internet ist so verführerisch, und Kinder werden so schnell süchtig davon, dass wir sie schrittweise an digitale Technik heran führen sollten. Ich denke, die Großmütter der Welt sollten jungen Eltern helfen, zu entscheiden, welche Medien gut für die Kinder sind. Großmütter wissen, dass Spiel, Gespräche, Natur und Musik wichtig für die Kinder sind.

Ein Video mit Maryanne Wolf finden Sie hier:
http://www.youtube.com/watch?v=KsqpXyPC-lI&hl=de

"Das lesende Gehirn"

Buch Das lesende Gehirn

Wie der Mensch zum Lesen kam   – und was es in unseren Köpfen bewirkt

Wolf, Maryanne
Spektrum Verlag 2009
350 S. 27 Abb., Geb.
ISBN: 978-3-8274-2122-7
26,95 Euro