Skip to main content

Buchbesprechung: «Zwischen Fairtrade und Profit»

Von Dr.phil. Henriette Hanke Güttinger
06. Dezember 2015

Buch Fairtrade und Profit

Fausta Borsani, Thomas Gröbly (Hrsg.), Zwischen Fairtrade und Profit   Wer sät, der erntet   – oder doch nicht?, Bern 2016, ISBN 978-3-7272-1456-1

Die Neuerscheinung «Zwischen Fairtrade und Profit» befasst sich mit den verheerenden Wirkungen des Neoliberalismus in unserer heutigen Welt und zeigt gleichzeitig Möglichkeiten einer Gegenwehr auf   – für jeden von uns. Zur Einführung ins Thema eine kurze historische Erinnerung: Mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und der Präsidentschaft Roland Reagans in den USA erfolgte zu Beginn der 1980er Jahre eine erste Phase der Globalisierung: Neoliberale Reformen wie die Privatisierung von Staatsunternehmen, der Abbau des Sozialstaates und eine massive Schwächung der Gewerkschaften waren die Folgen.

Um Kritik und Widerstand zu lähmen, argumentierte Thatcher mit dem TINA-Prinzip (‚There is no alternative.’ ‚Es gibt keine Alternative.’) Diese perfide Manipulation, die in den Bevölkerungen Ohnmachtsgefühle erzeugen sollte, rief weltweit Widerspruch hervor. Erinnert sei an ‚TATA!’ (‚There Are Thousands of Alternatives!’ ‚Es gibt Tausende Alternativen!’) von Susan George oder an das Weltsozialforum von Porto Alegre mit ‚Another World is Possible.’’ ‚Eine andere Welt ist möglich.’

Widerstand gegen die Globalisierung: Eine andere Welt ist möglich!

In dieser Tradition steht auch ‚Zwischen Fairtrade und Profit’. Sechzehn Autoren analysieren ausgehend von ihrem Fachbereich die verheerenden Folgewirkungen des neoliberalen Dogmas auf Ernährung, Landwirtschaft, Handel, Bevölkerungen und Gesellschaften weltweit. Dabei bleiben die Autoren aber nicht stehen. In der Tradition von TATA! zeigen sie an eindrücklichen Beispielen, wie sich Widerstand von der Basis her weltweit formiert und die Sicherung existentieller menschlicher Bedürfnisse möglich macht. Damit wird der Leser angeregt, sich mit der Frage zu beschäftigen, was er oder sie beitragen könnte zu einer Wirtschaft, die sich am Wohle aller und nicht am Profit weniger orientiert.

Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die ‚Bananenfrau’ Ursula Brunner, die Fausta Borsani und Thomas Gröbly zur Herausgabe von ‚Zwischen Fair-Trade und Profit’ angeregt hat. Sie fragte sich in den 1970er Jahren:

„Warum eigentlich sind Bananen bei uns so billig (...) wenn es den Menschen in den Ländern, in welchen die Bananen produziert werden, so miserabel geht? (...) Es war mir unmöglich, daneben zu stehen und zu sagen: Da kann man nichts machen. Ich brauchte beides, den Blick auf den Horizont und das Mich-Engagieren und Handeln in den kleinen Schritten, die möglich waren.“

(S.69)

Damit hat die Entwicklung des ‚Fair-Trade’ in der Schweiz und in Europa ihren Anfang genommen.

Medienkonzerne   – Eine Gefahr für Pressefreiheit und Demokratie

Die Einleitung des Buches entstammt der Feder des Journalisten Roman Berger. Gegenmittel zu den Verheerungen durch den globalen Markt sieht er darin, dass

„Menschen, Gemeinden und Regionen (...) über ihre Nahrungsmittelproduktion und Wirtschaftsweise“

selber bestimmen. In diesem Zusammenhang spricht er von ‚Ernährungsdemokratie’ (S.9) Berger macht grundsätzliche Überlegungen zur Demokratie.

„Eine Demokratie setzt aber voraus, dass sich eine sehr grosse Anzahl Menschen an ernsthaften politischen Debatten und an der Gestaltung der politischen Agenda beteiligt.“

(S.11)

Aufgabe der Medien dabei wäre, „überprüfte Informationen“ zur Verfügung zu stellen. Das heutige Mediensystem   – bestehend aus wenigen gewinnorientierten Konzernen   – stehe dazu in krassem Gegensatz, da für diese nicht „Ethos, also Fairness und Faktentreue, sondern Gewinnerwartungen Priorität“ hätten. (S.12) Hier sieht Berger eine grosse Gefahr für die Demokratie.

Jeder Artikel in ‚Zwischen Fair Trade und Profit’ gründet auf grossem Fachwissen und legt Aspekte der Thematik   – fokussiert auf einen Schwerpunkt   – differenziert dar. Reich an Fakten, Überlegungen und Anregungen sind die sprachlich und inhaltlich gut verständlichen Beiträge für den Leser ein grosser Gewinn. Im Folgenden sei auf die Schwerpunkte der Autoren hingewiesen. Angelika Hilbeck gibt Einblicke, wie multinationale Konzerne die Agrarforschung an unseren Hochschulen zu dominieren versuchen. Ulrike Herrmann, Peter Clausing, Hilal Elver und Markus Mugglin zeigen faktenreich wie Freihandel, Stiftungen (Rockefeller, Bill und Melinda Gates usw.) und Investoren sowie IWF und Weltbank den Menschen in der 3.Welt die Lebensgrundlagen geraubt haben und rauben.

Um dem entgegenzuwirken, entwickeln Ulrich Hoffmann und Elisabeth Bürgi Bonanomi Ausblicke, wie Regelwerke des internationalen Handels auszugestalten sind, um eine nachhaltige ländliche Entwicklung zum Wohle aller zu ermöglichen. Fausta Borsani setzt an bei der Unternehmensverantwortung, die es zu beeinflussen gilt. Auch beruflich engagiert sie sich in diesem Bereich.

Ernährungssouveränität statt Profitmaximierung globaler Agrarkonzerne

Ausgehend von der Würde des Menschen und seiner Fähigkeit zur Kooperation formuliert Thomas Kesselring eine Ethik der Agrarmärkte mit dem Ziel einer kooperativen Ernährungsouveränität:

„Jeder Staat soll eine Agrarpolitik betreiben, die die eigene Lebensmittelversorgung sicherstellt, diejenige anderer Staaten nicht schädigt und deren Ernährungssouveränität nicht unterhöhlt.“

(S.35)

Der Ethiker Thomas Gröbly setzt den heutigen Missständen die Ernährungssouveränität entgegen, wie sie von La Via Campesina entwickelt worden ist. Damit könnte das Menschenrecht auf Nahrung umgesetzt werden.

Leila Dregger zeigt mit überzeugenden Berichten aus Kenia, Ghana, Ägypten und Togo, dass auf dem afrikanischen Kontinent die Grundvoraussetzungen für Lebensmittelautonomie eigentlich vorhanden wären. Ebenso ermutigend ist der Beitrag von Ajoy Chaudhuri ‚Hoffnung für die indische Landbevölkerung’ sowie das Interview mit Rajagopal P.V., der sich an Gandhis ‚Sarvodya’ (das Wohlergehen aller) orientiert. Mit der Sozialbewegung Ektha Parishad setzte er sich für die Landlosen und für die Ureinwohner in Indien ein, mit Erfolg. Tina Goethe weist auf die Bedeutung der Frauen für die Ernährung hin. Im Beitrag von Hans Rudolf Herren wird auf der Grundlage des Weltagrarberichtes von 2008 die Bedeutung der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen deutlich. Markus Arbenz zeigt wie biologische Landwirtschaft, die sich an lokalen Ressourcen orientiert, zum Weg aus der Armut werden könnte.

Ein ausführliches Glossar sowie eine ausführliche Literaturliste widerspiegeln den neuesten Forschungsstand und ermöglichen den Lesern eine weiterführende Auseinandersetzung mit der Thematik.

Die Herausgeber

fausta borsani 15

Fausta Borsani

Fausta Borsani ist Agrarökonomin, hat grosse Erfahrung in internationalen Projekten der Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung. Derzeit leitet sie ihre eigene Beratungsfirma für Ökologie, Menschenrechte und gutes Business.

Quelle:

thomas groebly 15

Thomas Gröbly

Thomas Gröbly ist gelernter Bauer, Theologe und Ethiker ist Dozent, Projektentwickler und Autor mehrerer Publikationen. Heute führt er das Ethik-Labor und entwickelt Visionen für eine lebenswerte Zukunft.

Quelle:
www.ethik-labor.ch