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Was ist mit diesen Schweizer Medien los?

NZZ, CH-Media-Zeitungen und sogar das «Echo der Zeit» engagieren sich in der Forderung nach mehr Waffen gegen Russland.
Von Christian Müller / 14.02.2022 InfoSperber
15. Februar 2022
«Warum nur?», fragt sich der politisch Interessierte beim Lesen der Schweizer Presse und beim Hören und Sehen von Radio und Fernsehen. Warum nur giessen sie fast unisono Öl ins politische Feuer, statt zu Vernunft und zum Gespräch aufzurufen?

Christian Müller © zvg

Dass die NZZ nach ihrem gescheiterten Versuch, in Österreich Fuss zu fassen, sich jetzt besonders intensiv mit Deutschland befasst und dort als gewichtige Stimme wahrgenommen werden will, ist nachvollziehbar. Und dass das Zürcher «Intelligenzblatt», wie es in besseren Zeiten noch genannt wurde, tendenziell die US-Interessenpolitik einer unipolaren Hegemonie   – einer alleinigen Weltvorherrschaft   – unterstützt, kommt nicht von ungefähr. Die USA sind der Geburtsort und bis heute der Garant der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die dafür sorgt, dass Geld und Reichtum zu den «Tüchtigen» gelangt, konkret zu den Grossen und Mächtigen   – und deshalb nach oben fliesst, notabene. Und weil der russische Präsident Wladimir Putin an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 in einer phänomenalen Rede zwar   – und nicht zum ersten Mal   – dem Westen echte Kooperation angeboten hat, aber klarmachte, dass Russland eine Welt unter der unipolaren Führung der USA nicht akzeptiere, gehört er aus NZZ-Sicht natürlich bekämpft. Dass also die NZZ mit regelmässigen Beiträgen von Autoren wie zum Beispiel dem Anti-Russland-Aktivisten Andreas Umland Russland schlechtredet und jetzt als neue Stimme in Deutschland den neuen Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD öffentlich auffordert, einen härteren Kurs gegen Russland zu fahren, ist keine Überraschung.

Und warum die CH Media-Zeitungen?

Nicht nachvollziehbar ist dagegen, warum die Aargauer Zeitung, das St. Galler Tagblatt und all die anderen CH Media-Zeitungen keine Gelegenheit verpassen, verbal gegen Russland zu schiessen. Die beiden Ausland-Redaktoren Fabian Hock und Samuel Schumacher, sekundiert vom Brüsseler Korrespondenten Remo Hess, lassen keine Gelegenheit ungenutzt, in nachgerade brillanter Einseitigkeit für die gegenwärtige geopolitische Unsicherheit ausschliesslich Russland und Wladimir Putin persönlich verantwortlich zu machen. Dass 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Warschauer Pakt aufgelöst, die ursprünglich als Verteidigungspakt gegen die Sowjetunion gegründete NATO aber aktiv gehalten wurde, und dass diese NATO zur eigenen Existenzlegitimierung Russland als Feind   – vor allem in den letzten Jahren   – regelrecht hochstilisiert, den Staaten um Russland herum mit machtpolitischen Absichten aber den roten Teppich zum Beitritt ausgebreitet hat, ist «vergessen». Oder man hat es nie zur Kenntnis nehmen wollen.

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«Denn inhaltlich überzeugt Baerbock in den ersten Wochen wie keiner ihrer Kabinettskollegen   – vielleicht mit Ausnahme von Gesundheitsminister Karl Lauterbach.»

Wie kommt es, dass zum Beispiel Fabian Hock, der wie NZZ-Chefredaktor Eric Gujer seine politische Ausbildung an einer deutschen Hochschule geholt hat, der neuen deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock ihrer Russland-feindlichen Haltung wegen fette Komplimente macht   – schon in der Headline: «Mutige Baerbock»   – und ihr im Hinblick auf ihr Treffen mit dem russischen Aussenminister Lawrow   – dem «ultimativen Härtetest»   – im Gegensatz zum «Kuschelkurs» des neuen SPD-Kanzlers Olaf Scholz «wohltuende Deutlichkeit» gegen Russland attestiert? Und wie kommt es, dass Stefan Schmid, der Chef der St. Galler Redaktion, die neutrale Schweiz auffordert, endlich zur Realität zu stehen: «Wenn es gefährlich wird in Europa, dann kämpft die Schweiz Seite an Seite mit ihren Nato-Nachbarn gegen einen potenziellen Aggressor.» Und, um diesen «potenziellen Aggressor» zu charakterisieren, zu höchst problematischen Begriffen greift? Stefan Schmid   – als Beispiel nur   – wörtlich: «Putin ist 2014 in der Krim tatsächlich einmarschiert». Einmarschiert! Wo doch jeder, der sich seriös informiert oder der sogar selber auf der Krim war, wie der Autor dieser Zeilen, weiss:  Die Bevölkerung der Krim wollte die Wiedervereinigung mit Russland.  Sie hat darüber frei abgestimmt. Und anlässlich dieser Sezession fiel kein einziger Schuss! Völkerrechtswidrig dabei war lediglich, dass sich legal in Sewastopol aufhaltende russische Soldaten   – die dann als «grüne Männchen» berühmt wurden   – nicht korrekt an die Grenzen des russischen Pachtgebietes hielten. Sie waren parat für den Fall, dass ukrainische Milizen einmarschiert wären, um die Abstimmung zu verhindern. Aber gemäss CH Media-Redaktor Stefan Schmid ist Putin «einmarschiert»!

Haben all diese Profi-Journalisten einfach keine Ahnung von der Geschichte des 20. und des 21. Jahrhunderts, so wie auch ihr Chefredaktor Patrik Müller, der allen Ernstes behauptete, die «Wende» im Zweiten Weltkrieg sei die Landung der Alliierten in der Normandie am 6.6.1944 gewesen? Null Ahnung von Hitlers Niederlagen in Stalingrad und in Kursk? Und noch nie was gehört von der Ardennenoffensive der Hitlertruppen, die von den US-Truppen im Dezember 1944 und im Januar 1945 nur mit grösster Mühe abgewehrt werden konnte. Stalin versprach auf Wunsch von Churchill weiteres Vorrücken der Roten Armee nach Westen trotz schlechtem Wetter auch im Februar, damit Hitler des russischen Vormarsches wegen keine weiteren Truppen von der Ostfront an die Westfront verlegen konnte. (Man sehe dazu die intensive Kommunikation zwischen Churchill und Stalin, insbesondere zwischen dem 6. und 9. Januar 1945.)

Und warum das «Echo der Zeit»?

Nicht nachvollziehbar ist auch, wenn sogar das «Echo der Zeit», die älteste und nach wie vor beste Informationssendung im öffentlich-rechtlichen deutschsprachigen Radio der Schweiz, zum etwas vorsichtigeren politischen Verhalten des neuen deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz als Expertin ausgerechnet Constanze Stelzenmüller befragt. Stelzenmüller ist «Senior Fellow» des bekannten US-amerikanischen Think-Tanks «Brookings Institution». Dessen Präsident ist der pensionierte US-Marine-Vier-Sterne-General John R. Allen, dessen «Know-how» und berufliche Lebenserfahrung ausschliesslich auf Militärdienst beruht, in den letzten Jahren vor allem auch in Afghanistan. Die Antwort von Constanze Stelzenmüller war denn auch, wie vorhersehbar und also gewollt, Scholz solle endlich Farbe gegen Russland bekennen. Die   – wörtlich   – «sehr, sehr zurückgelehnte, sehr maulfaule Sprache in Berlin» sei «bestürzend».

Und was meint die «offizielle» Schweiz?

Dass Russland aufgrund zunehmender NATO-Aktivitäten in nächster Nähe seiner Grenzen vom Westen Sicherheitsgarantien erwartet und von der NATO ausdrücklich fordert, auf die Mitgliedschaft weiterer Staaten an der russischen Grenze zu verzichten, ist nachvollziehbar. Infosperber hat darüber eingehend berichtet. Und nachvollziehbar ist ebenfalls, dass Russland auch von der neutralen Schweiz eine Stellungnahme zur gegenwärtigen Krise um die Ukraine eingefordert hat. Warum schiebt der Schweizer Aussenminister und gegenwärtige Präsident des Bundesrates Ignazio Cassis eine Antwort vor sich her?

Die Antwort des Schweizer Aussenministers wäre nicht nur leicht, sondern nachgerade zwingend:

  1. Nachdem die Minsker Vereinbarungen unter der Gesprächsleitung der   – politisch neutralen   – Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini zustande gekommen sind, hält auch die Schweiz die Vereinbarung «Minsk II» als nachhaltige Lösung des Bürgerkrieges im Donbass für angemessen und zielführend und fordert die Ukraine deshalb auf, die Vereinbarung Minsk II einzuhalten bzw. endlich aktiv anzugehen.
  2. Die Schweiz zeigt seit über 150 Jahren, dass ein Land auch mit mehreren Sprachen und mit mehreren Glaubensrichtungen dank einer föderalistischen Struktur friedlich und auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Sie fordert die Ukraine deshalb auf, von der zentralistischen   – und gegenwärtig massiv nationalistischen   – Politik abzurücken und ihren historisch, kulturell und sprachlich unterschiedlichen Regionen im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens eine höhere Autonomie zuzugestehen   – im Fachjargon der Politologen also «mehr Subsidiarität» einzuführen (politische Kompetenzen so weit wie möglich «unten» anzusiedeln).

Die Schweizer Medien könnten helfen

Statt einäugig und einseitig die machtpolitischen Interessen der USA und der NATO zu unterstützen und die mittlerweile zum Hass gesteigerte Russophobie noch zu nähren, könnten die Schweizer Medien mithelfen, diplomatische und friedliche Wege des europäischen Zusammenlebens zu fördern   – des europäischen Zusammenlebens inklusive Russland

Dass die USA ihrerseits ein friedliches Zusammenleben Westeuropas mit Russland fürchten wie der Teufel das Weihwasser, ist klar. Ein Zusammengehen von Westeuropa mit Russland wäre in vielen Hinsichten ideal: Westeuropa hat die Technologien und die hochentwickelte Industrie, Russland hat die notwendigen Rohstoffe. Kein anderer Kontinent wäre unabhängiger und autarker als Europa unter Einschluss von Russland. Warum ergreifen ausgerechnet die Medien des neutralen Landes Schweiz, die für eine übergeordnete Sicht prädestiniert wären, Partei für die USA mit ihrem unipolaren Weltführungsanspruch?

Man beachte unten die weiterführenden Informationen. Mehrere Forschungsorganisationen bestätigen die Informationen und Kommentare von Infosperber:

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