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Putin ante portas

von Willy Wimmer
13. Oktober 2015
Eigentlich ist der Super-Gipfel in New York bei den Vereinten Nationen zu schnell verflogen. Kein Wunder, wenn die " willkommenskulturellen Exzesse" jeden Abend über die Bildschirme ausgestrahlt werden.

Da kann es schon mal geschehen, daß sich bestimmte Bilder nicht so einprägen, wie sie es verdient haben würden. Denn solche Bilder hat es in New York gegeben und sie müssen festgehalten werden. Sie betrafen den russischen Präsidenten Putin und sie wurden umso deutlicher, je mehr der amerikanische Präsident ebenfalls auf den Bildschirmen präsent war.

Der Unterschied hätte nicht deutlicher ausfallen können und selbst bei einer mehr und mehr gelenkten deutschen Presse war nicht zu verbergen, wie zerknirscht Präsident Obama auftrat. Sein russischer Kollege war das genaue Gegenteil.

Putin scheint es gut bekommen zu sein, daß die G 8 gleichsam in einem Anfall von Selbstisolation den russischen Präsidenten vor die Türe gesetzt hatten. Bilder sagen auch in der heutigen Medienlandschaft immer noch mehr als eintausend Worte. Putin scheint diese Freizeit von amerikanischer Gängelei  genutzt zu haben. Er war entspannt und hatte nichts dagegen, es weltweit zu vermitteln.

Rußland ist wieder auf der Bühne

Der Kontrast zum westlichen Verhalten gegenüber Rußland nach dem westlichen Putsch in der Ukraine hätte nicht deutlicher ausfallen können. Vor allem, wenn man die Rolle des russischen Präsidenten anläßlich der Ukraine-Konferenz in Paris, wenige Tage nach dem Super-Gipfel in New York, in Rechnung stellt.

Die Dinge sind seit dem G7-Teffen in Bayern offenbar neu sortiert worden. Die G7/8 waren neben der NATO der sichtbarste Ausdruck für die Schlepptau-Funktion dieser Runden im amerikanischen Interesse als der "einzig verbliebenen Supermacht" und der "unverzichtbaren Nation".

Durch den Rauswurf der Russischen Föderation hat der Westen diesen widernatürlichen Spuk selbst beendet. Die Welt wurde seither sichtbar eine andere.

Der Gegenentwurf für Mord und Totschlag nimmt Konturen an: Rußland wird die Vormacht des Völkerrechts.

So traurig es ist, aber es bedurfte schon nicht mehr des mörderischen Angriffs amerikanischer Bomber auf ein international geschütztes Krankenhaus in der nordafghanischen Stadt Kundus. Es ist hinlänglich bekannt und weltpolitische Wirklichkeit seit fast zwei Jahrzehnten, daß die USA in unserem Umfeld für Mord und Totschlag stehen. Eine Garantiemacht des globalen Elends eben.

Es war geradezu empörend, den amerikanischen Präsidenten über die Untaten von Assad vor den Vereinten Nationen reden zu hören. Die von ihm dort angelegten Maßstäbe müßte er als Verantwortlicher für die Drohnenmorde bei sich selbst anlegen.

Es würde auch nicht schaden, wenn er sich seine Amtsvorgänger vorknöpfen würde, um den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit Zukunftsaufgaben zu befassen. Die ständigen Anrufe aus Washington bei der deutschen Bundeskanzlerin wegen der Migrationsentwicklung erwecken zudem den Eindruck, daß in Berlin die Weisungen aus Washington eher vernommen werden als die Sorgen im eigenen Land darüber, daß hier regierungsamtlich ein rechtloser Zustand hervorgerufen worden ist.

Dagegen steht seit geraumer Zeit die erklärte Politik der Russischen Föderation.

Man kann es wenden und drehen wie man will: von der mangelhaften Aufklärung der unter niederländischer Führung durchgeführten Untersuchungen wegen der Ermordung von Flugzeugpassagieren im Luftraum der Ukraine bis zum Vorgehen der Russischen  Streitkräfte in Syrien.

Man hält sich in Moskau an die Regeln, die zuletzt nach einem mörderischen Weltkrieg in Europa und der Welt aufgelegt worden waren, um einen erneuten Weltkrieg zu verhindern. Wenn man als europäischer Betrachter das dagegenstellt, was aus Washington zu vernehmen ist, kann einem schon das Grauen überfallen.

In einem Land, daß nur noch auf die schreckliche Potenz seiner bewaffneten Kräfte starrt und davon abhängig ist, machen sich die republikanischen Präsidentschaftsbewerber daran, uns den Dritten Weltkrieg zu avisieren. Wenn man deren Wortwahl in Rechnung stellt, muß das einst so stolze und verantwortlich handelnde Amerika am Ende sein.

Mord und Totschlag heißt die aus Washington stammende Perspektive, wenn die Zöglinge der Bushs, Cheneys und Mc Cains dran kommen sollten. Jetzt ist es kein Trost, an demokratische Rivalen denken zu wollen.

Mit Bill und Madeleine fing es vor sechszehn Jahren an. Davor stand allerdings durch Henry Kissinger der global unternommene Versuch, das Völkerrecht in seiner akzeptierten Form nicht nur zu beseitigen, sondern durch ein neues Völkerrecht im amerikanischen Interesse zu ersetzen.

Der klägliche Rest der ehemals stolzen Völkerrechtsabteilung des deutschen Auswärtigen Amtes spricht Bände für Deutschland.

Wenige Tage nach den Jubiläumsfeiern zur deutschen Einheit ist es nicht nur zweckmäßig, an die Rolle des Völkerrechts als den zentralen Pfeiler für die Wiederherstellung der Wiedervereinigung zu erinnern. Von der Helsinki-Konferenz des Jahres 1975 bis hin zu Charta von Paris aus dem November 1990: es war der völkerrechtliche Rahmen, der das alles möglich gemacht hatte. Wir konnten auf vieles stolz sein.

Dazu zählten aber auch die "Kronjuwelen" des deutschen Auswärigen Amtes: die Völkerrechtsabteilung. Zusammen mit berühmten österrreichischen Völkerrechtlern hat man in Bonn gezeigt, was man drauf hatte und wurde erfolgreich.

Heute weiß vermutlich kaum jemand, daß es diese Abteilung noch gibt. Die politische "Fehlanzeige", die sich da einstellt, steht aber synonym für das ganze Land. Hier herrscht inzwischen ein fast zarenhaftes Rechtsverständnis.

Wie eine biblische Plage wird davon derzeit unser Land mittels einer Migrationsbewegung getroffen, die dem Grundsatz frönt: keine Grenzen, kein Staat. Es muß der Zusammenbruch Bayerns ins Haus stehen, um staatliches Handeln hervorzurufen, das diesen Begriff überhaupt rechtfertigt.

Es gab Zeiten, in denen wir auf den "Rechtsstaat" stolz gewesen sind. Vermutlich haben wir es alle verschlafen, daß unsere Rechtsordnung von "willkommens-kulurellen Anwandlungen" abgelöst worden ist. Das bringt uns innenpolitisch noch um, außenpolitisch wird es uns den staatlichen Verstand rauben.

Wie mit Moskau unter diesen Umständen mithalten?

  • Moskau steht mit seiner Politik auf einer weltpolitischen Bühne, die sich wieder nach berechenbaren Entwicklungen sehnt.
  • Washington steht für die Zerstörung der uns bekannten Welt und bedeutet "Elend für alle".
  • Moskau gibt Hoffnung, die wir aus Washington so nicht mehr erwarten können.

Auf diesen neuen Antagonismus in einer sensationellen Ausprägung müssen wir uns einrichten, wollen wir nicht unter die Räder geraten. Wir müssen innerstaatlich wieder wissen, was ein demokratischer Rechtsstaat ist und uns von dem Wesen persönlicher Notverordnungen einer noch im Amt befindlichen Bundeskanzlerin lösen.

Außenpolitisch führt kein Weg daran vorbei, uns wieder völkerrechtlich satisfaktionsfähig zu machen und unsere Politik neu zu justieren. Derzeit regiert bei uns innen-und außenpolitisch das Chaos. Damit werden wir der russischen Politik nichts entgegensetzen können. Wir waren es in der Vergangenheit, die sich auf unsere Rechtskultur etwas zugute halten konnten. Moskau hat   – anders als wir   – die Zeit nicht verschlafen.

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