Nach dem Angriff auf Syrien: Kein Grund zur Entwarnung
Die Reaktionen auf den koordinierten Angriff der drei Nato-Staaten sind unterschiedlich ausgefallen. Die deutsche Regierung hat ihn, obwohl nicht direkt beteiligt, gutgeheißen. Deutsche Leitmedien haben ihn zum größten Teil gerechtfertigt – nicht ohne dabei den US-Präsidenten zu kritisieren. Was besonders alarmiert: In den Beiträgen öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten, zum Beispiel bei «Anne Will» in der ARD am 15. April 2018, war nichts mehr ausgewogen und seriös.
Soll wieder jeder Mächtige das «Recht zum Kriege» haben?
Erneut gab es zahlreiche Versuche, den Bruch des Völkerrechts zu verharmlosen und zu rechtfertigen. Das ist die Linie der Nato-Staaten seit dem März 1999, praktisch mit dem Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien und wenig später auch im neuen strategischen Konzept. Das muss heute genauso alarmieren wie damals. Ein weiterer Gewöhnungseffekt wäre fatal. Wenn das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen in der Frage von Krieg und Frieden, das nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Uno-Charta grundgelegt wurde, völlig zerbricht, fällt die Welt in den Zustand der reinen Machtpolitik zurück. Dann wird sich jeder Mächtige wieder das «Recht zum Kriege» anmaßen. Weit sind wir nicht mehr davon entfernt.
Die Öffentlichkeit wird nicht informiert
Für den Bürger ist nicht zu erkennen, welchem Zweck der Angriff vom 14. April dienen sollte. Die offiziellen Begründungen (Vergeltung, Bestrafung, Ausschaltung des syrischen Chemiewaffenpotentials, Warnung vor erneutem syrischen Chemiewaffeneinsatz) sind nicht glaubwürdig. Wie schon im Fall Skripal wird nicht mit offenen Karten gespielt. Die Öffentlichkeit wird nicht unterrichtet. Spekulationen dominieren, Informationen fehlen. Für eine Demokratie ist das katastrophal.
Bislang ist keine ehrliche Diplomatie in Sicht
Dass nun von den Nato-Staaten nach Diplomatie und Gesprächen gerufen wird, wirkt nicht vertrauenserweckend. Entwarnung kann nicht gegeben werden. Das würde voraussetzen, dass es ehrliche Absichten gibt. Der Beweis dafür fehlt noch, und das Gegenteil muss leider noch immer angenommen werden. Dass nämlich weiter am Feindbild Russland gearbeitet wird, ist offensichtlich. Und man hat den Eindruck, dass mal diese und mal jene Taktik zum Zuge kommen soll, um im neuen kalten und nicht nur kalten Krieg zu obsiegen.
Wann hört man von einem Verantwortlichen im Westen ein wirkliches Wort des Verstehens für die Position Russlands? Ich schlage verschiedene deutsche Zeitungen auf und lese nirgendwo etwas, das in diese Richtung geht. Nach wie vor beherrscht das Gegenteil das Feld. Mit einer polemischen Schärfe, die unerträglich geworden ist. Jedem, der sich abschätzig über Russland äußert – und sei es auch noch so bösartig –, wird breiter Raum geboten. Stellungnahmen, die in eine andere Richtung gehen, haben kaum eine Chance.
Ich höre amtierende deutsche Politiker, und nirgendwo ein wirkliches Wort der Einsicht. Trauert man noch immer dem «Sieg» im ersten kalten Krieg nach? Sucht man nach neuen Wegen, auch heute wieder siegen zu können? Warum kann man es nicht ertragen, dass die Zeiten einer unipolaren Welt vorbei sind?
Man muss den Menschen auf die Hände schauen, nicht auf den Mund, hat ein kluger Mensch gesagt. Mehr als 10 Jahre haben sich die Verhandlungen zur Beendigung des 30jährigen Krieges hingezogen. Man tat so, als wollte man verhandeln. Aber jeder wollte doch noch siegen und konnte die Sicht des anderen nicht ernstnehmen. So ging der Krieg immer weiter – bis alle erschöpft waren. Droht uns das erneut?
Russland schützt sich durch Wehrhaftigkeit
Eine Aussage von Herrn Ischinger, dem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, war bei «Anne Will» bemerkenswert. Er, der (wider besseren Wissens) den Großteil der Schuld für die heutige Situation Russland zuschiebt, sagte, fast in einen Nebensatz, dass Russland gar nicht in der Lage sei, einen großen Krieg zu führen. Das sollten sich alle merken, die Russland aggressive Absichten unterstellen. Man muss ja nur einen Blick auf die Rüstungsausgaben der Nato-Staaten und die Rüstungsausgaben Russlands werfen, um die Absurdität einer solchen Behauptung zu erfassen.
Dass Russland nicht den aggressiven Absichten der Nato-Staaten zum Opfer gefallen ist, liegt an der deutlich erhöhten Wehrbereitschaft des Landes. Präsident Putin hat die neuen Waffen vor ein paar Wochen nicht vor der Weltöffentlichkeit präsentiert, um einen Angriffskrieg anzukündigen. Wenn man solche Pläne hat, dann schweigt man über sein Waffenarsenal. Alle Logik spricht dafür, dass er den Westen vor unüberlegten militärischen Schritten warnen wollte. Die Nato-Staaten haben mittlerweile einen gewissen Respekt vor Russland – das ist der Politik Russlands geschuldet –, aber siegen wollen sie offenbar immer noch.
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