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Kriminelle Aspekte der US-Aussenpolitik

Zwei Bücher, die Auskunft geben
von Dr. Matin Baraki, Universität Marburg
16. August 2019
Daniel Robert Kramer hat ein hochaktuelles und brisantes Buch über die verdeckten militärischen Operationen der USA vorgelegt. «Informelle Netzwerke, Paramilitärs und delegierte Kriegsführung in den Drogenökonomien Laos, Nicaragua, Kolumbien und Afghanistan» lautet der Untertitel des 275seitigen faszinierenden Werkes. Am Ende des Buches ist man gut informiert, aber auch traurig, empört und irgendwie hilflos. Dies deswegen, weil eine Grossmacht seit dem Zweiten Weltkrieg (S. 11) weltweit wütet, und keiner kann sie daran hindern. Die USA müssten eigentlich längst zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag zitiert werden.

Buch Vedrdekcte militärische Operationen USA
ISBN 978-3-89574-7793

Erfahrungen für die Zusammenarbeit mit Warlords und Drogenbaronen sammelten die USA schon in den 1960er und 1970er Jahren während ihres verdeckten Krieges gegen das kleine neutrale südostasiatische Land Laos. Die CIA hatte hier die Federführung. Ab Anfang 1962 baute sie dort zwei grosse Militärbasen und verlegte ihr Hauptquartier nach Long Tieng (S.35). Damit wurde Laos für die CIA zu ihrer Hauptbasis in Südostasien. Vor dem Hintergrund des US-Krieges gegen Vietnam erhöhte die CIA die Zahl ihrer Agenten in Laos auf 50000 (S.38) und verstärkte die Bombardierung massiv. Es wurden Napalmbomben eingesetzt und viele Dörfer vollständig zerstört (S.44).

Die US-Botschaft in Laos, paramilitärische Kräfte der CIA, Spezialkräfte der Armee und Mitarbeiter der US-Entwicklungsorganisation «United States Agency for International Development» (USAID) koordinierten den Krieg (S.45). Später übernahm die US-Botschaft in Vietnam die Federführung. «Während 1967 etwa 128000 Tonnen Bomben auf Laos abgeworfen worden waren, erhöhte sich diese Menge im nächsten Jahr bereits auf beinahe 240000 Tonnen» (S.49).

Die USA verhandelten mit Vietnam über die Beendigung des Krieges, gleichzeitig wurde die CIA «direkt vom US-Präsidenten autorisiert» (S. 65), die Ergebnisse des Genfer Abkommens zu umgehen. Die Erfahrungen des Indochina-Verbrechens wurden dann in Nicaragua gegen die Sandinisten, (S.71  –117) und in Kolumbien (S.119  –171) umgesetzt. Die USA finanzierten diese Kriege u.a. durch Drogenhandel, Waffengeschäfte sogar mit ihrem «Erzfeind», der Islamischen Republik Iran, siehe «Iran-Contra-Affäre» (S.90  –92), baten aber auch ihre strategischen Verbündeten zur Kasse. Allein «Saudi-Arabien (liess) um die 32 Millionen US-Dollar an die Contras transferieren» (S.93). Auch aus dem «auserwählten Heiligen Land» kam Hilfe. «In den achtziger Jahren wurden israelische Ex-Militärs» (S.133) beauftragt, paramilitärische Einheiten für die USA aufzubauen.

Im letzten Teil seines Buches behandelt Daniel R. Kramer ausführlich den verdeckten US-Krieg gegen Afghanistan (S.173  –256). Seit 1978 begann die CIA, die afghanischen islamistischen Terrorgruppen, getarnt als Mudschahedin (Heilige Krieger), ideologisch mit der Hilfe von Saudi-Arabien und militärisch mit pakistanischer Hilfe auszubilden. Im Juli 1979 hatte der damalige US-Präsident Jimmy Carter die Unterstützung der Mudschahedin angeordnet.

Ab 1980 entwickelte sich diese Unterstützung zu einer «der grössten CIA-Operationen in der Historie des Nachrichtendienstes» (S.176). Da der Krieg gegen Afghanistan von Pakistan aus geführt wurde, erhielt der pakistanische Diktator, General Zia Ulhaq, innerhalb von «sechs Jahren 3,2 Milliarden US-Dollar» (S.178) aus den USA.

Anfang Januar 1980 schickten die Vereinigten Staaten die ersten Schiffe mit Waffen nach Pakistan. Auch aus Ägypten wurden Waffen aus sowjetischer Produktion, die das Land ab den 1960er Jahren bekommen hatte, im Werte «von ungefähr 15 Millionen US-Dollar […] von US-Flugzeugen aus Kairo nach Pakistan gebracht» (S.178). Ab dieser Zeit wurde in den von den Mudschahedin kontrollierten Gebieten der Anbau von Opium ausgeweitet. Die CIA installierte Labors in Pakistan, wo die Islamisten das Opium zu Heroin verarbeiteten. Dadurch sollte angeblich der Krieg gegen Afghanistan finanziert werden. In der Tat profitierten am meisten davon sowohl die US- und pakistanischen Geheimdienste als auch die Führung der Islamisten.

Der damalige US-Präsident Ronald Reagan erliess «im April 1985 die Direktive 166 […], mit der die CIA beauftragt wurde, alle verfügbaren Mittel zur Bekämpfung der Sowjets» (S.180f.) in Afghanistan einzusetzen. Deswegen ist Ende 1985 das Budget der CIA «auf eine halbe Milliarde US-Dollar per annum erhöht» worden (S.181). Von 1979 bis 1989 übergab die CIA Waffen an die Islamisten im Wert von 3Milliarden US-Dollar. Während sie Anfang 1980 für etwa 30Millionen US-Dollar Waffen erhielten, erhöhte sich die Summe am Ende des Jahres «auf 700Millionen jährlich» (S.182). Jedes Jahr wurden 65000 Tonnen Waffen nach Pakistan für den Krieg gegen Afghanistan gebracht.

Von den sechs aus Pakistan operierenden Islamisten-Gruppen galt der Paschtune und Führer der Islamischen Partei, der brutalste Warlord, Gulbuddin Hekmatyar, als Favorit des pakistanischen Geheimdienstes, der Inter-Services Intelligence (ISI) und als Lieblingsmudschahed der CIA, der am besten mit Waffen und Geld versorgt wurde. Auch der Tadschjike Ahmad Schah Massoud, Kommandant der Djamiate Islami, «der kontinuierlich mit der CIA zusammenarbeitete» (S.189), wurde bestens versorgt. Der CIA-Mitarbeiter Gary Schroen war zwischen 1989 und 1991 «Kontaktmann zu Massoud und überbrachte einige der monatlichen Zahlungen in Höhe von bis zu 200000 US-Dollar persönlich an» ihn (S.190).

Auch der Bruder von Massoud, Ahmad Zia, erhielt «im Winter 1990 im pakistanischen Peshawar von Gary Schroen persönlich 500000 US-Dollar» (S.190). Ahmad Zia steckte jedoch das Geld in die eigene Tasche. Dies geht aus einem Gespräch zwischen Massoud und Schroen hervor. Der CIA-Mann teilte ihm mit, «dass im Verlaufe des Krieges etwa 2000 Stinger nach Afghanistan geliefert worden waren» (S.190f.), wovon nur 8 Stück an Massoud weitergegeben wurden. Die ISI hatte die Federführung bei der Übergabe der Waffen an die afghanischen Islamisten, wobei die Gruppe von Hekmatyar bevorzugt wurde. Es ist bekannt, dass seine Gruppe die meisten Stinger-Raketen bekommen hatte.

Bis zum heutigen Tag sind diese Warlords, Kriegsverbrecher und Drogenbarone eng mit den USA verbunden. Seit 2002 haben sie durch geheime Verträge das Land an die USA verpachtet. Damit wurde Afghanistan zum unsinkbaren Flugzeugträger der Vereinigten Staaten. Als Gegenleistung dulden die USA, dass die internationale Hilfe in Milliardenhöhe, die nach Kabul geflossen ist, zum grössten Teil in den Taschen dieser US-Verbündeten verschwand. Darüber hinaus haben sie freie Hand, wie Räuberbanden auch noch das Volk auszupressen.

Buch Die Weltbeherrscher
ISBN 978-3-86489-0888

Der Journalist Armin Wertz hat in einer ausserordentlichen Fleissarbeit eine Chronik der weltweiten militärischen und geheimdienstlichen Operationen der USA vorgelegt. Er untersucht insgesamt 490 Fallbeispiele, begonnen 1794 von der militärischen Besetzung der bis dahin nur von den Ureinwohnern besiedelten Gebiete Nordamerikas (S.13) bis zu den Einsätzen im Oktober 2014 in Guinea, Liberia und Sierra Leone (S.327ff.). Das ist ein Nachschlagewerk von höchstem Wert für alle Freunde und Kritiker der US-Aussenpolitik. Obwohl die Liste der US-Militärinterventionen unendlich erscheint, hat der Verfasser den Versuch unternommen, eine möglichst vollständige Bestandsaufnahme vorzulegen.

Die USA haben immer versucht, zunächst durch politische Einflussnahme oder ökonomische Sanktionen unliebsame Regierungen zu destabilisieren bzw. zu stürzen, wie zurzeit in Venezuela, Iran und Syrien. Aber «oft genug setzten [sie] ihre ganze militärische Macht ein, wenn das Ziel anders nicht durchsetzbar war», stellt Armin Wertz in seiner Einleitung fest (S.9). Den Eindruck, dass die USA erst seit kurzem in Syrien intervenieren, korrigiert er mit dem Hinweis darauf, dass die USA schon 1947 bis 1957 die gerade unabhängig gewordene arabische Republik destabilisierten (S.103ff.). Ebenfalls erinnert er an den Putsch gegen den damaligen bürgerlich-liberalen iranischen Ministerpräsidenten Dr. Mohammad Mossadeq im Jahre 1953, der die US-iranischen Beziehungen immer noch belastet (S.128ff.). Kein Kontinent ist von den US-Aggressionen verschont geblieben.

Die Untersuchung ist mit umfangsreichen Quellenangaben untermauert. Von grösstem Nutzen sind das Abkürzungsverzeichnis und vor allem das Personenregister. Das Buch ist 2015 erschienen, wird jedoch für längere Zeit von höchster Aktualität bleiben. Es ist nicht das erste Mal, dass der kleine Frankfurter Westend Verlag so ein interessantes Werk herausbringt.  

Literatur:
Kramer, Daniel Robert. Verdeckte militärische Operationen der USA, Berlin 2011
Wertz, Armin. Die Weltbeherrscher: Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA, Frankfurt/M. 2015

Quelle: https://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2019/nr-18-13-august-2019/kriminelle-aspekte-der-us-aussenpolitik.html

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