Die katalanische Sprache entstand zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert und war der starke Ausdruck einer eigenständigen Gemeinschaft. Die katalanische Geschichte ist zentral geprägt vom Kampf um Freiheit, Unabhängigkeit und Autonomie. Exemplarisch dazu sei die Situation nach dem «Spanischen Erbfolgekrieg» (1701 –1714) dargestellt: Die verbündeten Staaten Kastilien und Frankreich schlugen die mit England und Österreich verbündeten Katalanen vernichtend. Kastilien mit der Hauptstadt Madrid annektierte Katalonien samt seiner Territorien, hob alle katalanischen Rechte auf und verbot die katalanische Sprache. Solches wiederholte sich immer wieder. Der bekannte katalanische Schriftsteller und Anthropologe Albert Sánchez Piñol drückt es so aus: «1714 hörte Spanien auf, ein Staatenbund zu sein, und wurde zu dem, was es heute ist: Ein streng kastilisches Projekt. Jedes Mal, wenn seitdem eine Republik ausgerufen wurde oder ein Diktator starb, bei jeder demokratischen Wallung, führte Katalonien die Sehnsüchte nach kollektiver Freiheit an. Bis heute.»
Spanien gab sich 1978 nach der Franco-Diktatur und einer kurzen Übergangszeit die heute noch gültige demokratische Verfassung. Das spanische Volk sanktionierte diese Verfassung, mehrheitlich auch die Katalanen. Diese erhielten ein sogenanntes Autonomiestatut, das ihnen fortan bestimmte politische Freiräume gab. Die Verfassung kann allerdings bis heute nur durch die spanische Zentralregierung, respektive das Parlament in Madrid, abgeändert werden. Ein verfassungsrechtlich verankertes Referendums- oder Initiativrecht existiert in Spanien nicht. 2006 entschieden sich die spanische Regierung und das Parlament auf Grund eines Vorschlags des katalanischen Parlaments für ein verbessertes und ausgebautes Autonomiestatut (zum Beispiel hinsichtlich der Steuerfrage). Das katalanische Volk segnete die Veränderungen mittels eines Referendums ab. Dann strengte ausgerechnet Mariano Rajoy mit seiner konservativen Partei, die damals in der Opposition sass, eine Beschwerde gegen das neue katalanische Autonomiestatut beim spanischen Verfassungsgericht an. Das Gericht kippte schliesslich (nach vierjährigen Verhandlungen!) den demokratisch ausgehandelten Kompromiss: Es strich vierzehn zentrale Artikel des Statuts und korrigierte zwanzig andere. Das war die Geburtsstunde der heutigen Unabhängigkeitsbewegung.
Seither verweigert die spanische Regierung jegliches Gespräch. Rajoy ist mittlerweile Regierungschef. Er selber und seine Partei, der konservative Partito Popular (PP), sind in diverse Korruptionsskandale verwickelt. Ausgerechnet diese Partei argumentiert nun mit dem demokratischen Rechtsstaat. Von dieser Partei und ihrem Regierungschef ist nichts zu erwarten. Auch Juristen können in der Regel nicht weiterhelfen. Meistens handeln sie den Konflikt rechtspositivistisch ab und scheinen von naturrechtlichen Grundsätzen noch nie etwas gehört zu haben. Auch die Europäische Union (EU), die sich sonst permanent in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitgliedsländer einmischt, versagt auf der ganzen Linie. Sie hat Angst, dass sich im Euro-Raum noch mehr Völker emanzipieren wollen. Das widerspräche dem zentralistischen und undemokratischen Konstrukt der EU. Das internationale Kapital, das einer unseligen Chaos-Theorie folgt, hat seine Finger bereits ausgestreckt.
Deshalb bleibt nur eines: Die internationale Gemeinschaft muss mithelfen, dass das katalanische Volk zu seinem Recht kommt. Eine Lösung wäre beispielsweise die Rückkehr zum bereits ausgehandelten Autonomiestatut von 2006. Das setzt aber voraus, dass Gespräche zwischen Madrid und Barcelona auf gleicher Augenhöhe Tatsache werden, denn «Demokratie heisst Dialog», wie letzthin die «Neue Zürcher Zeitung» titelte. •
* Dr. René Roca leitet das Forschungsinstitut direkte Demokratie FIdD.