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Hat Andrei Martyanov Recht mit seiner Kritik an den regierenden „Eliten“ der USA?

20. Januar 2023 übernommen von thesaker.is - Übersetzung Andreas Myläus
22. Januar 2023
Diejenigen von Ihnen, die wie ich versuchen, keine Videos oder Artikel von Andrej Martjanow zu verpassen, wissen, dass eines seiner "Lieblingsthemen" die völlige Inkompetenz der westlichen Eliten im Allgemeinen und der US-Regierungseliten im Besonderen ist. Ich bin sicher, dass seine Kritik vielen Menschen übertrieben erscheint, und das ist normal. Es ist völlig kontraintuitiv anzunehmen, dass die herrschende Klasse (denn damit haben wir es zu tun) einer nuklearen Supermacht und des wohl mächtigsten Landes auf dem Planeten von ahnungslosen, ignoranten, unehrlichen Schwachköpfen regiert werden könnte

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Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, liebe Freunde, diesen informativen SAKER-Artikel hat unser Freund und treuer Seniora-Leser Andreas Myläus übersetzt und sandte ihn uns mit folgendem Begleittext: "Lieber Willy, ich habe die anliegende Übersetzung eines Artikels vom Saker (Andrei) gemacht, weil ich dies für eine sehr aufschlußreiche Analyse der amerikanischen (und damit auch der europäischen) politischen Situation halte. Neben den (dort nicht angesprochenen) geopolitischen Fragen sind auch die ideologischen Fragen (Neocons) entscheidend wichtig. Die Aufsässigkeit, mit der sich Putins Russland der Ideologisierung durch die Neocons entgegenstellt, ist in der Frage der Systemkonkurrenz mit entscheidend. Denn nur wenn die in unglaublicher Weise den Realitäten widersprechende Ideologie der Neocons gebrochen werden kann, werden wir auf der Erde Frieden bekommen. liebe Grüße Andreas". Wir danken Andreas und wünschen diesem aufklärenden Text grosse Beachtung und Weiterverbreitung. Herzlich Margot und Willy Wahl

Hat er nun Recht oder nicht?  Redet er so, weil er "anti-amerikanisch" oder ein "russischer Propagandist" ist?

Ich habe beschlossen, mich einzuschalten, weil ich als Insider kenne, was Martyanov von außen beschreibt, und ich möchte Ihnen meine eigenen Beobachtungen zu diesem Thema mitteilen.

Ich habe fünf Jahre lang, von 1986 bis 1991, in den USA studiert und in dieser Zeit zwei Abschlüsse erworben: einen BA in International Relations von der School of International Service (SIS) an der American University und einen MA in Strategic Studies von der Paul H. Nitze School for Advanced International Studies (SAIS) an der Johns Hopkins University. In diesen Jahren habe ich auch für mehrere (sehr konservative) Think Tanks gearbeitet.  Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der Beobachtungen, die ich während dieses Zeitraums und danach gemacht habe.

Erstens, und das halte ich für entscheidend, würde ich behaupten, dass Ende der 80er Jahre ein Generationswechsel stattgefunden hat, der aber eigentlich erst mit der Präsidentschaft von Ronald Reagan begann. Lassen Sie mich das erklären.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die US-Hochschulen in der Vergangenheit weltweit einen sehr guten Ruf hatten.  Allein die Zahl der ausländischen Studenten aus der ganzen Welt ist ein guter Indikator für diese Tatsache. Und es gibt keine solide Universität/Hochschule/Akademie ohne solide, sachkundige Lehrer. In den 5 Jahren, die ich in Washington DC verbracht habe, hatte ich die Gelegenheit, Lehrer mit sehr unterschiedlichem und interessantem Hintergrund kennenzulernen, darunter auch Leute mit folgendem Hintergrund: (nur ein paar Beispiele, an die ich mich am besten erinnere).

  • UN Naval Intelligence
  • Office of Net Assessment
  • DoD (alle Zweige außer die Marines)
  • White House
  • CIA
  • Northrop/McDonnell Douglas Corporation (YF-23 division)
  • PMCs (Israeli)
  • GAO

Die meisten unserer Lehrbeauftragten hatten im Gegensatz zu fest angestellten Akademikern die Lehrtätigkeit als "Abendjob" (im wahrsten Sinne des Wortes), während sie tagsüber ihrer "normalen/echten" Arbeit nachgingen. Selbst während des Golfkriegs hatten wir Lehrer, die tagsüber Angriffe auf irakische Ziele planten und abends unterrichteten.

Ich würde viele von ihnen als "Colonel-Macgregor-Typen" bezeichnen, denn er gehört zu jener alten Generation aus dem Kalten Krieg, die mit den "Verrückten im Keller" nichts anfangen konnten und deren Fachwissen unbestritten war, auch wenn ihre Politik es nicht war. (//www.youtube.com/@DouglasAMacgregor">https://www.youtube.com/@DouglasAMacgregor)

Und ja, wir hatten auch die Möglichkeit, Kurse bei Leuten von der CIA und dem DoS (Department of State   – Außenministerium) zu belegen.  Aber die sind eine besondere Kategorie, und hier ist der Grund: Die meisten, aber nicht alle, der Leute, die von den oben genannten Agenturen kamen, hatten zu Beginn ihrer Karriere keine besonderen Meinungen über die UdSSR, über Russland oder das russische Volk.  Stattdessen schlugen sie zunächst einen eher "technischen" Karriereweg ein und entwickelten dann im Laufe der Zeit eine Meinung über die Sowjetunion und die Russen.  Nehmen wir an, jemand, der sich mit Radarsystemen auskennt, studiert schließlich sowjetische Radargeräte und entwickelt allmählich ein natürliches Interesse an den Menschen, die diese sowjetischen Radargeräte bedienen.  In den meisten Fällen würde ich die Ansichten dieser Generation wie folgt zusammenfassen: eine starke Abneigung gegen den Marxismus, den Kommunismus und sogar den Sozialismus (von dem die meisten von ihnen, offen gesagt, nichts wussten), aber keine Idealisierung des US-Turbokapitalismus oder des Imperialismus, den sie ziemlich zynisch als "wir tun es, weil wir es können" in Kombination mit "wir nehmen Befehle entgegen" betrachteten.  Sie hatten auch einen sehr gesunden Respekt vor der Professionalität ihrer sowjetischen Kollegen und oft eine echte Zuneigung (nein, ich mache keine Witze) für das russische Volk und die russische Kultur.  Einer meiner absolut besten Lehrer war ein ehemaliger Offizier des USN-Geheimdienstes, der ziemlich gut Russisch sprach und polnischer (!) Herkunft war.  Wir wurden gute Freunde, und ich kann absolut bestätigen, dass dieser Mann Sympathien für Russland/die Russen hatte.  Nun würde ich nicht sagen, dass alle unsere Lehrer unbedingt pro-russisch waren, aber die meisten von ihnen sahen die marxistische UdSSR als ideologischen Feind und nicht das russische Volk oder die russische Kultur als solche.

Es hatten kein #cancelRussia in ihren Köpfen.

Ganz anders verhielt es sich mit den Leuten von der CIA oder dem Außenministerium.  Ich glaube, dass die meisten (aber wahrscheinlich nicht alle) ihrer Mitglieder von Anfang an eine "antisowjetische" Karriere gewählt haben, weil sie vom Hass auf den Kommunismus/die UdSSR/Russland motiviert waren, und so machten sie Karriere, indem sie "Hardliner" waren, d.h. Leute, die jedes noch so dumme Klischee über die Sowjetunion nachplappern würden.

Ich sollte hinzufügen, dass die erste Generation vor allem in Fachbereichen wie Internationale Beziehungen, Sicherheitsstudien, Strategische Studien und dergleichen anzutreffen war, während die zweite Generation typischerweise in Fachbereichen wie Politikwissenschaft oder Regierungslehre lehrte.  Bei SIS/SAIS nannten wir sie "Politikwissenschafts-Freaks", und wir hatten nicht viel mit ihnen zu tun.  Und ja, diejenigen mit einem STEM-Hirn [STEM: science, technology, engineering and mathematics; deutsch: MINT-Fächer: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik] kamen in der Regel aus den STEM-Fächern, und lernten das russische Volk und die russische Kultur kennen und schätzen, während es unter den "Politikwissenschaftlern" nur sehr wenige STEM-Typen gab (daher wählten sie eher ideologische als technische Kurse).

Aber dann kam, wie ich bereits erwähnt habe, Ronald Reagan, und das hatte enorme Auswirkungen auf die politische Szene der USA.

Vor Reagan gab es Paläo-Liberale und Paläo-Konservative, wobei erstere dazu neigten, Abschlüsse in Bereichen wie "Friedensforschung" zu erwerben, während letztere eher "geostrategische" Abschlüsse oder sogar Militärakademien absolvierten.  Dann wurde Jimmy Carter Präsident, und seine vielen Fehlschläge und Schwächen sorgten für die triumphale Wahl von Reagan.  Zu dieser Zeit gab es bereits eine kleine und unangenehme Gruppe von Ideologen, die im Laufe der Zeit als die Neocons bekannt wurden.  Diese Neocons waren zwar nicht gerade helle, aber schlau genug, um zu verstehen, dass die Demokratische Partei von Reagan zerschlagen wurde und die Macht nun bei der GOP [Grand Old Party: Republikaner] lag.  Also taten sie Folgendes:

Die (Proto-)Neocons begannen mit der Finanzierung von (paläo-)konservativen Denkfabriken wie z.B. der Heritage Foundation.  Als Hauptsponsoren der vielen Denkfabriken in der Nähe von DC [District of Columbia - Washington] sorgten sie dann dafür, dass ihre eigenen Leute in die Vorstände dieser Denkfabriken gewählt wurden.  Schon bald wurden die typischerweise (paläo-)konservativen Präsidenten/Vorsitzenden/CEOs dieser Denkfabriken durch echte, eingefleischte Neocons ersetzt.  Danach war es das RIP [requiescat in pace   – rest in peace   – ruhe in Frieden] für jede Form von echtem, traditionellem US-Konservatismus.

Es erübrigt sich zu sagen, dass die "alte Garde" (zumeist Anglos [Angelsachsen]) nur Abscheu und Verachtung für diese ideologischen Freaks empfand, und sei es nur, weil diese erstaunlich ignorant waren.  Aber das Geld zählt, und im Laufe der Jahre wurde das Fachwissen durch "Hardliner-Loyalität" und eine sehr starke ideologische Ausrichtung auf die Schlimmsten der Schlimmen ersetzt auf die, die man früher "die Verrückten im Keller" nannte (was sich sowohl auf den Keller des Pentagons als auch auf den Keller des Weißen Hauses bezog).

Entscheidend ist, zu verstehen, wie sehr die Neocons Russland hassen, was ziemlich schwierig und für normale Menschen sehr kontra-intuitiv ist.  Das Ausmaß des Hasses der Neocons auf Russland lässt sich durchaus als krasser Rassismus der schlimmsten Art bezeichnen.

[Randbemerkung: Ich habe mindestens seit 2008 davor gewarnt, siehe hier: https://thesaker.is/how-a-medieval-concept-of-ethnicity-makes-nato-commit-yet-another-a-dangerous-blunder/ {"Wie ein mittelalterliches Konzept der ethnischen Zugehörigkeit die NATO dazu bringt, einen weiteren gefährlichen Fehler zu begehen"}.  Und jetzt, fünfzehn Jahre später, bin ich ziemlich entsetzt, dass meine Vorhersagen vor unseren Augen wahr werden.  Ich wünschte aufrichtig, ich hätte mich geirrt...]

Diese Art von tollwütiger Denkweise mag es bei einigen Paläo-Konservativen auch gegeben haben, aber ich persönlich habe nie solche Leute getroffen (zumindest nicht in den USA; im Vereinigten Königreich ist die gesamte britische herrschende Klasse seit Jahrhunderten zutiefst rassistisch und russophob).  Es ist daher nicht verwunderlich, dass diese Neocons anstelle von Kompetenz einen "Wettbewerb" darum veranstalteten, "wer am meisten gegen Russland ist", und um diesen Status zu erreichen, wurde JEDES Argument - egal wie offensichtlich dumm es war - unkritisch als gültig und legitim angesehen.

Sie fragen sich vielleicht, warum die "alte Garde" nichts unternommen hat, um diese Infektionskrankheit zu stoppen.  Und tatsächlich haben es einige versucht. Ich persönlich kenne zwei Direktoren von Denkfabriken, die es versucht haben, aber sie wurden von der Reagan-Administration verraten, die offenbar rabiate russophobe Rassisten sogar in sehr hohen Positionen haben wollte.  Schließlich sind wir hier in den USA, der "besten Demokratie, die man mit Geld kaufen kann" und wo der Dollar König ist.  Einfach ausgedrückt, die Neocons verfügten über eine Menge finanzieller Ressourcen, viel mehr als die Paläo-Konservativen, und sie haben sich einfach in die herrschenden Eliten der USA "hinein gekauft".

Dann geschah das Unvermeidliche: Als die fachlich kompetenten Paläo-Konservativen sahen, dass ihre Institutionen und Organisationen von inkompetenten ideologischen Freaks überrannt wurden, hielten sie sich entweder bedeckt und warteten auf ihren Rücktritt oder traten einfach zurück.

Dies führte zu einem drastischen Rückgang der Kompetenz der herrschenden Klasse in den USA.

In der Zwischenzeit begannen die Liberalen zu erkennen, dass die Neocons sie als "schwach in der Verteidigungspolitik" und im Grunde als Verlierer verspotteten.  Also versuchten sie zu zeigen, dass auch sie so "knallhart" sein konnten wie alle anderen.  Dies betraf nicht nur die Liberalen in den USA, sondern auch diejenigen in der gesamten Zone A (einschließlich ganz Europa).  Einfach ausgedrückt: Die Liberalen hatten nicht den Mut, die Kraft und die Ehre, um für ihre Werte zu kämpfen, also fügten sie sich einfach dem von den Neocons gesetzten Trend, und das hässliche Phänomen, das als "Neolib" bekannt ist, ersetzte die Liberalen alten Stils zunehmend vollständig.

Deshalb erleben wir heute den hässlichen Anblick von Pseudoliberalen, die versuchen, selbst als Neocons die Neocons auszustechen.

Und genau wie ihre paläo-konservativen Kollegen hielten sich die Paläo-Liberalen entweder zurück und warteten auf ihre Pensionierung oder traten zurück.

Einige, wie der verstorbene Professor Stephen Cohen, leisteten Widerstand und weigerten sich, mit dem Strom zu schwimmen, aber er wurde verleumdet, geächtet und schließlich völlig ignoriert.  Dennoch blieb Professor Cohen bis zu seinem letzten Atemzug ein Historiker und Analytiker von Weltrang, der seinen Idealen treu blieb und ein aufrichtiger Freund Russlands war.

Doch im öffentlichen Diskurs wurden die wenigen "Stephen Cohens" durch die vielen "Eliot Cohens" ersetzt.

Danach ging es für die amerikanische Politik nur noch bergab.

George H.W. Bush war wahrscheinlich der letzte Präsident "alten Stils", dann löste ein Freak den anderen ab.  Clinton war eine totale Marionette der Neocons.  Ebenso wie Dubya [Spitzname für George W. Bush, 43. Präsident der USA von 2001   – 2009].  Obama kam offensichtlich nicht aus dem Lager der Neocons, aber er wurde so schnell kooptiert, dass es keinen Unterschied machte.  Und wie wir alle wissen, hat Trump zwar versprochen, "den Sumpf trocken zu legen", aber die Neocons haben ihn in weniger als einem Monat in die Knie gezwungen (als sie ihn dazu brachten, General Flynn zu verraten und sich dessen Kopf von Trump und Pence "auf einem Tablett servieren" zu lassen).  Was Biden anbelangt, so besteht seine Regierung aus reinen, echten, zu 100 % zertifizierten Neocons mit Neolibs und verschiedenen woke-Freaks, die aus Gründen der "Vielfalt" hinzukommen.

[Anmerkung: "woke" ist ein Begriff, der verwendet wird, um ein erhöhtes Bewusstsein für soziale und politische Fragen zu beschreiben, insbesondere für Fragen im Zusammenhang mit Rasse und Rassismus. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem African American Vernacular English (AAVE) und wurde in verschiedenen Formen des Aktivismus verwendet, darunter auch in der Black-Lives-Matter-Bewegung. Der Begriff kann auch als Adjektiv verwendet werden, um jemanden zu beschreiben, der sich aktiv für Fragen der sozialen Gerechtigkeit einsetzt, oder um Medien oder andere Formen des kulturellen Ausdrucks zu beschreiben, die sich mit diesen Fragen befassen. Der Begriff wird jedoch auch abwertend verwendet, um jemanden zu beschreiben, der als übermäßig politisch korrekt gilt oder sich zu sehr auf Identitätspolitik konzentriert.]

Warum ist das wichtig?  Weil derjenige, der das Weiße Haus kontrolliert, die Geldströme kontrolliert, was in der Realität der US-Politik das Wichtigste ist.

Nebenbei gesagt, hat 9/11 hier eine entscheidende Rolle gespielt.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass 9/11 ein "Insider-Job" der Neokonservativen war und als Vorwand diente, um GWOT [Global War on Terror] zu starten.  Er hatte jedoch noch eine weitere sehr wichtige Funktion: Er zwang jede öffentliche Person in den USA, sich für eines der beiden Lager zu entscheiden:

  • gehorche und akzeptiere die (zutiefst idiotische) Verschwörungstheorie des Weißen Hauses oder
  • verliere deinen Job, deine Position, deinen Ruf und jegliche Möglichkeit auf eigenes Einkommen.

Es überrascht nicht, dass die meisten einknickten, und 9/11 endete damit, dass die gesamte herrschende Klasse der USA "zusammenbrach".  Diese Art von Bindung ist die Art, die kriminelle Komplizen haben: Wenn einer untergeht, gehen alle unter, daher die Omertà rund um das Thema 9/11, obwohl es durch ein Übergewicht an Beweisen und sogar jenseits von vernünftigen Zweifeln bewiesen wurde, dass 9/11 in der Tat ein Insider-Job war. (https://thesaker.is/why-am-i-not-hearing-the-endless-rumble-of-jaws-dropping-to-the-floor-updated/)  Nach 9/11 wurde echter Dissens vollständig aus dem politischen Diskurs in den USA entfernt.

Übrigens ist in Europa etwas Ähnliches passiert, nur dass die Kategorien etwas anders waren.  In Europa (ich spreche vom echten Europa, nicht von der "erweiterten" EU mit Osteuropa) gab es in den meisten Ländern echte Patrioten.  Ja, die USA waren der wichtigste Partner, aber es gab genügend politische Führer, die in der Lage waren, "Nein" zu den USA zu sagen und sich zuerst um ihre nationalen Interessen zu kümmern (ich denke hier an Mitterrand und sogar Chirac). 

Diese Generation von Politikern und Entscheidungsträgern wurde allmählich von einer neuen Generation von Akteuren abgelöst, deren ganzer Karriereplan darin besteht, bedingungslos und inbrünstig den Interessen der USA zu dienen, selbst auf Kosten ihrer eigenen Länder (Macron, Scholz).  Und obwohl ich EU-Politiker nicht als "Neocons" bezeichnen würde, würde ich sagen, dass sie die treuen, loyalen Diener und Sklaven der Neocons sind.

Und genau wie in den USA wurden die kompetenten und patriotischen Entscheidungsträger durch ideologische Handlanger ersetzt, die weder über Fachwissen noch über Ehre verfügten, die aber von den USA als "loyale Diener" unterstützt wurden.  Die Opposition gegen den US-Imperialismus in Europa wurde an den Rand des öffentlichen Diskurses gedrängt.

Ich würde sagen, dass die 90er Jahre die Jahre des absoluten Triumphs der Neocons waren, die die totale Kontrolle sowohl über die USA als auch über die EU übernommen haben.

Wie sind die Neocons also wirklich?  In erster Linie sind sie extreme Narzissten, und wie es bei Narzissten oft der Fall ist, entspringen ihre widerwärtige Selbstanbetung, ihr Anspruchsdenken und ihr Hass auf die "Anderen" einem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex (glauben Sie mir, sie *wussten*, wie sehr sie von der alten Generation der US-Entscheidungsträger verachtet wurden, und sie *wussten*, dass sie als die "Verrückten im Keller" angesehen wurden).  Sie waren also nicht nur selbstverliebte rassistische Narzissten, sondern auch voller Ressentiments, Rachegelüsten und einer unzerstörbaren "Wir-gegen-sie"-Mentalität.

Entgegen der landläufigen Meinung waren sie auch nicht sehr klug (und sei es nur, weil wahre Klugheit sowohl Bescheidenheit als auch Sachkenntnis erfordert, was den Neocons völlig abgeht).  In Wirklichkeit war der große Wettbewerbsvorteil der Neocons gegenüber der "alten Garde" nicht ihr Verstand, sondern ihr Tatendrang.  Das ist etwas, was wir oft in der Geschichte beobachten können: Die Leute, die tatsächlich die Macht ergreifen, sind selten die Klügsten, viel häufiger sieht man Leute mit einem enormen ideologischen Antrieb.  Ein perfektes Beispiel?  Die deutschen Nazis.  Nennen Sie mir bitte einen wirklich gebildeten und klugen Nazi!  Hitler?  Fehlanzeige.  Himmler?  Auch nicht.  Göring?  Auch nicht. Speer, besser, aber der war auch nicht gerade ein Nazi.  Hess?  Nein.  Karl Haushofer, Dietrich Eckart oder Alfred Rosenberg?  Pustekuchen!  Und von den wahren Idioten à la Streicher oder Strasser will ich gar nicht erst reden.

Doch die Nazis haben nicht nur in Deutschland die Macht übernommen, sondern es ist ihnen gelungen, den größten Teil Europas (mit beschämend wenig Widerstand!) zu ihrer idiotischen Ideologie oder ihrer völkermörderischen Politik zu bekehren.  Es ist ein gutes Beispiel für die Macht der bösen Dummheit, wenn man sieht, wie achtzig Jahre später(!) der vereinigte Westen nun ganz offen genau dieselbe Politik verfolgt wie die Nazis in ihrer sehr kurzen Herrschaft (das versprochene "Tausendjährige Reich" dauerte nur 12 Jahre!).

Abschließend muss ich noch eine Sache erwähnen: Für die US-Neocons war die Wahl von Trump buchstäblich eine Sklavenrevolte und ein Schlag ins Gesicht.  Zwar erwies sich Trump in jeder Hinsicht als unterdurchschnittlich, aber die Tatsache, dass eine Mehrheit der US-Bürger bereit war, ihn der "Neocon & woke-Diva" Clinton vorzuziehen, war absolut traumatisch.  Die totale Kontrolle über die drei Regierungszweige UND die Medien UND die Wissenschaft UND den Finanzsektor zu haben, verführte die Neocons zu der Illusion, dass sie es endlich "geschafft" hätten, und dann plötzlich, entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, senden die Menschen in den USA ihnen ein lautes und herzliches "f*ck you!" und stimmten für den einen Kandidaten, den die Neocons absolut verteufelt hatten.

Dies wurde von den Neocons und ihren Kohorten als Blasphemie, als Sakrileg, als absolut inakzeptable "Revolte der Leibeigenen" empfunden, und deshalb beschlossen die Neocons, so etwas nie wieder zuzulassen (und wir alle wissen, was sie dann taten).

Das Fazit lautet: Die USA erlebten einen „perfekten Sturm“:

  • Ein soziales Modell, in dem der allmächtige Dollar über alles entscheidet;
  • die formidabelste Propagandamaschinerie in der Geschichte;
  • eine herrschende Klasse der "alten Garde", die zu schwach, zu feige, zu verwirrt und zu (vergleichsweise) arm ist, um Widerstand zu leisten;
  • ein zutiefst korruptes Einparteiensystem, das leicht zu unterwandern ist;
  • eine Gesellschaft, die nicht die Art von dämonischer ideologischer Inbrunst vermittelt, mit der die Neocons aufgewachsen sind und die Nicht-Neocons zur leichten Beute für die Neocons macht;
  • ein Land und eine Gesellschaft, in denen die Begriffe "richtig" und "falsch" bedeutungslos geworden sind und vollständig durch " Recht der Macht" ersetzt wurden, und zwar nicht nur de facto, was bereits seit Jahrhunderten der Fall war, sondern auch de jure.

Nimmt man noch die (irrige) Vorstellung hinzu, die USA hätten den Kalten Krieg gewonnen, und sogar die (noch irrigere) Vorstellung, die USA hätten den Zweiten Weltkrieg gewonnen, dann hat man die narzisstische Explosion, die wir in den 90er Jahren erlebt haben.  Und hier liegt die Ironie: Die fahnenschwenkenden "Patrioten", die "unsere Truppen unterstützen", haben nie bemerkt, dass sie von den Neocons benutzt wurden (und immer noch werden), die in Wirklichkeit die * am wenigsten* patriotischen politischen Kräfte in den USA sind.

Auch hier sind der 11. September 2001 und der darauf folgende „globale Krieg gegen den Terror“ eine direkte Folge des pseudopatriotischen Eifers, der die US-Gesellschaft wie ein Tsunami überrollte (die USA vor 9/11 waren ein ganz anderes Land als die USA nach 9/11).

Das alles ist wichtig, um die aktuelle Haltung der Neokonservativen zu verstehen: während sie erfolgreich die "Revolte der MAGA-Leibeigenen" niedergeschlagen haben, hat Russland, das jahrzehntelang von der wohl korruptesten herrschenden Klasse auf dem Planeten regiert wurde (aus meiner Sicht: von Chruschtschow bis einschließlich Jelzin), plötzlich ebenfalls revoltiert!

Das war für die Neocons absolut inakzeptabel.

Übrigens ist interessant, dass die Neocons, obwohl wir jetzt unwiderlegbare Beweise dafür haben, dass Russland sich nicht in die US-Wahlen eingemischt hat, fast instinktiv eine Verbindung zwischen den "revoltierenden MAGA-Leibeigenen" innerhalb der USA und den "revoltierenden russischen Leibeigenen" außerhalb herstellen.  Und um ehrlich zu sein, würde ich behaupten, dass die Menschen in den USA und die Menschen in Russland genau denselben Feind haben.  Der Unterschied ist, dass das politische System der USA, ein wahrhaft totalitäres System, nicht von innen untergraben werden kann, aber es kann sehr wohl von außen besiegt werden (und sei es nur, weil dieses System zum einen nicht lebensfähig ist - es basiert auf Ausbeutung und Imperialismus   – und zum anderen nicht reformierbar ist - weil es absolutistischer Natur ist).

Im Grunde unterscheidet sich die Verachtung, der Hass und die Angst der Neokonservativen vor Russland nicht von ihrer Verachtung, ihrem Hass und ihrer Angst vor den "Jämmerlichen".  Für diejenigen, die die Welt durch ein ideologisches Prisma "wir gegen sie" betrachten, sind alle "Nicht-wir" gefährliche "die", die vernichtet werden müssen.

Fazit: Wir haben, was wir haben.

Andrej Martjanow hat absolut Recht - die USA werden von absolut unwissenden, inkompetenten und geradezu bösen Narzissten regiert.  Für solche Leute ist Fachwissen keineswegs eine wünschenswerte Eigenschaft, wenn überhaupt, ist es potenziell sehr gefährlich.  Loyalität, die im Neocon-Kontext aus "Korrumpierbarkeit" besteht, ist viel erstrebenswerter.  Ein Beispiel zur Veranschaulichung des Sachverhalts:

Es genügte den Neocons nicht, die Kontrolle über die US-Denkfabriken und die akademische Welt zu übernehmen.  Selbst RAND, AEI, CSIS & Co. waren ihnen "zu unheimlich", weshalb sie das so genannte "Institute for the Study of War" gegründet haben, das gar kein Institut ist und nichts untersucht, schon gar nicht Kriege (die Neocons haben keinerlei militärisches Fachwissen).  Und jetzt beziehen sich sogar russische (!!!) Quellen auf die "Studien" dieses "Instituts" als etwas Glaubwürdiges.  So groß ist die Macht der Medien.

Das ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, welche Art von Fachwissen ein Journalist heutzutage hat. Im besten Fall sind sie nur Schauspieler.  Im schlimmsten Fall sind sie ahnungslose Presstituierte.

Auch hier hat Martyanov Recht: Die überwältigende Mehrheit der politischen Kommentatoren und Talking Heads da draußen bezieht ihr "Verständnis" von Krieg aus Tom Clancy-Büchern, Hollywood-Propagandafilmen und dem cleveren Marketing des US-MIC [Military Industrial Complex] und des Pentagon.  Im besten Fall können diese Journalisten Zusammenfassungen schreiben, "Blickwinkel" finden, einschließlich des obligatorischen "Human Interest"-Bullshits, und sie haben *Zugang*. 

Aber was sie nicht wissen oder was ihnen egal ist, ist, dass dieser Zugang nur den politisch korrekten Journalisten mit dem doppelten Plus gewährt wird.  Meistens haben sie überhaupt keine Moral und es ist ihnen egal.  Es geht ihnen um das Geld, um nichts anderes.  Mein einziger Einwand gegen den Begriff "Presstituierte" ist, dass er den Prostituierten gegenüber sehr unfair ist (die ja in der Regel das liefern, wofür sie bezahlt werden). 

Leider kann ich dem französischen Philosophen Alain Soral nur zustimmen (der wegen seiner Ansichten heftig verfolgt wird, aber keine "Menschenrechtsorganisation" würde es je wagen, ihn zu verteidigen. Wenn überhaupt, wollen sie ihn lynchen!), der sagte, dass es nur noch zwei Arten von Journalisten gibt: Prostituierte und Arbeitslose.

Das trifft auf die gesamte Zone A zu.

Also nein, als jemand, der das alles von innen gesehen hat (ich hatte übrigens viele Journalistenfreunde, ich kenne diese Welt auch), kann ich nur voll und ganz bestätigen, was Martjanow immer wieder wiederholt: Die gesamte Zone A des Jahres 2023 wird entweder von den Neocons oder ihren treuen Dienern geführt, und in den letzten 30 Jahren oder mehr hat es einen absolut epischen, historischen, katastrophalen Braindrain aus den westlichen herrschenden Klassen gegeben.

Eine letzte Sache: Es bereitet mir keine Freude, das oben Gesagte zu schreiben.  Ehrlich gesagt, wenn es sich nur um eine rein interne Angelegenheit der USA handeln würde, wäre es mir ziemlich egal (ihr Land, ihr Problem, ihre Entscheidung).  Aber diese Realität ist im Moment die größte Bedrohung für unseren gesamten Planeten.  Und es erschreckt mich zutiefst, wenn ich sehe, wie wenige Menschen da draußen verstehen und erkennen, dass Martyanov völlig Recht hat.  Und damit das klar ist: Es gibt viele Themen, bei denen Martyanov und ich nicht einer Meinung sind. Ich stehe also nicht auf seiner Seite, weil ich ihn als Freund betrachte (was ich tue) oder weil er mein "maître à penser" ist (was ich nicht bin). 

Nein, ich stehe in dieser Frage voll hinter ihm, denn solange die USA der sprichwörtliche "Affe mit der (nuklearen) Handgranate" sind, werden die Neocons weiterhin eine existenzielle Bedrohung für unseren Planeten darstellen.  Und da die Neocons die totale Kontrolle über die Zone A haben, wird diese Gefahr so lange bestehen bleiben, bis diese Verrückten in irgendeinen Keller zurückgeschickt werden oder sie die gesamte nördliche Hemisphäre in die Luft jagen.

Andrei [The Saker]

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ANDREI MARTYANOV ist ein Experte für russische Militär- und Marinefragen. Er wurde 1963 in Baku, UdSSR, geboren. Er absolvierte die Kirov Naval Red Banner Academy und diente bis 1990 als Offizier auf den Schiffen und als Stabsoffizier der sowjetischen Küstenwache. Er nahm an den Ereignissen im Kaukasus teil, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion führten. Mitte der 1990er Jahre zog er in die Vereinigten Staaten, wo er derzeit als Laborleiter in einem kommerziellen Luft- und Raumfahrtkonzern arbeitet. Er ist ein häufiger Blogger im Blog des US Naval Institute. Er ist Autor von Losing Military Supremacy, The (Real) Revolution in Military Affairs und Disintegration: Indicators of the Coming American Collapse.

Buch Andrei Martyanov Desintigration

Quelle: https://thesaker.is/is-andrei-martyanov-right-in-his-criticism-of-us-ruling-elites/

31.12.2021
Der russische Militärexperte Andrei Martyanov spricht über die Gefahren des amerikanischen Exzeptionalismus, des Globalismus und darüber, wie unsere Gesellschaften totalitär geworden sind. Er erklärt, wie die amerikanische Militärmacht vor Jahren verloren ging und wie Russland nicht nur zu einem ebenbürtigen Konkurrenten geworden ist, sondern den USA um Jahrzehnte voraus ist, mit einer Raketenlücke, die zu einem "technologischen Abgrund" geworden ist, mit Hyperschallwaffen, gegen die es keine Verteidigung gibt (und die die USA nicht haben), mit Luftverteidigungskomplexen (z.B. S-500) und so weiter. Die wahre Stärke liegt darin, sowohl eine fortschrittliche materielle Wirtschaft als auch eine erstklassige militärische Macht zu besitzen. Russland ist zu einem völlig anderen taktischen und operativen Paradigma übergegangen. Konventionell können die NATO und die USA nichts ausrichten, Russland macht ihnen überhaupt keine Angst. Der einzig mögliche Krieg wäre eine Eskalation bis zur nuklearen Schwelle, aber er glaubt, dass es genug kluge Leute in Washington gibt, um das zu verhindern. Er kommentiert den kulturellen und wirtschaftlichen Zerfall Amerikas, der die Möglichkeit einer Hyperinflation und eines Bürgerkriegs einschließt. Er glaubt, dass die Pandemie ein Druckmittel für den Wechsel der alten Garde ist.

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