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30. November 2024 The Duran
5. Dezember 2024

Glenn Diesen, Alastair Crooke, Alexander Mercouris: Verzweifelte Eskalationen im Nahen Osten und in der Ukraine


(Red.) Dieses Gespräch ist nicht nur wegen seiner unschätzbaren Informationen über die Situation im Nahen Osten und Putins Verhandlungsbereitschaft mit dem Westen wichtig. Die Gesprächsteilnehmer beschäftigen sich auch intensiv mit der Frage, warum die westliche Politik so derart von realitätsfernen Narrativen gesteuert wird und der geharnischte Einspruch der Realität auf der Innenseite der Köpfe und Gemüter der westlichen „Eliten“ nicht wirklich ankommt. Eine vertiefte Diskussion dieses psychologischen Phänomens wäre hilfreich.(am)

Glenn Diesen:

Hallo zusammen und willkommen. Ich bin Glenn Diesen und heute bei mir sind Alexander Mercouris und Alastair Crooke, jedermanns Lieblingsdiplomat aus Großbritannien und Nahost-Analyst.

Wir erleben derzeit wirklich einige sehr extreme Eskalationen. In der Ukraine überschreitet die NATO neue rote Linien. Aber wir sehen auch, dass Russland neue Möglichkeiten der Vergeltung hat, wie die Oreschnik-Rakete. Aber ich dachte, wir könnten zunächst die sich verändernde Situation im Nahen Osten ansprechen und ja, vielleicht könnten wir mit Ihnen, Alastair, beginnen, was die Geschehnisse betrifft. Können Sie uns etwas über den aktuellen Krieg Israels mit seinen Nachbarn berichten, über die Waffenruhe mit dem Libanon. Wird sie halten? Und ich denke, wir können auch auf die Position von Natanjahu innerhalb Israels eingehen. Aber vielleicht beginnen wir mit dem eigentlichen Krieg.

Alexander Mercouris:

Und vielleicht auch mit diesem Angriff auf Aleppo.

Alastair Crooke:

Ja, okay. Zunächst einmal würde ich sagen, dass dies ein langer Krieg ist. Im Moment sehen wir im Grunde eine Formveränderung. Er verändert einfach seine Form und bewegt sich von hier nach dort und vielleicht auch wieder zurück oder bewegt sich ganz woanders hin. Ich glaube nicht, dass wir in nächster Zeit auch nur in die Nähe des Endes kommen werden.

Also ja, zunächst einmal gibt es den Waffenstillstand im Libanon, von dem ich annehme, dass er das erste ist, mit dem jeder zu diesem Zeitpunkt beginnt. Der Waffenstillstand scheint bisher zu funktionieren   – es sei denn, es gibt aktuelle Nachrichten   –, aber es scheint in Ordnung zu sein. Aber es ist eine Waffenruhe [truce], kein Waffenstillstand [ceasefire]. Und ich denke, dass das im Moment ausreicht.

Was sind die Gründe für den Waffenstillstand? Aus israelischer Sicht gibt es mehrere. Ich denke, ein wesentlicher Grund ist: Die israelische Armee ist überlastet, sie ist müde. Ich meine, mehr als müde. Sie ist erschöpft. Aber sie operiert etwa 20 % unter dem Personalbestand, den sie benötigt, um die aktuellen Aufträge zu erfüllen, die an sie gestellt werden, die militärischen Anforderungen an die Armee. Sie sind nur zu etwa 80 % einsatzbereit und es gibt einen starken Rückgang bei den Reservisten, die zum Dienst erscheinen und bereit sind, zu diesem Zeitpunkt zu dienen. Einige von ihnen haben sich entfremdet und sind ausgestiegen, und so haben sie zum Beispiel im Libanon nicht gekämpft   – die Reservisten   – sie wurden abgezogen und die Golani, die Hauptbrigade dort oben, hat enorme Verluste erlitten. Ich denke, das ist ein Grund dafür: Die hohen Verluste im Libanon, sehr hohe Verluste im Libanon   – vielleicht mehr Verletzte als Tote, aber immer noch hohe Verluste, Erschöpfung.

Die Armee wird gegenüber der Regierung ziemlich aufsässig. Sie haben sicher gesehen, dass es Proteste gegen die Regierung gab, als Galant entlassen wurde.

Aber ich denke, es gibt noch ein weiteres Element   – vielleicht sogar zwei Elemente, die einfach wichtig sind: Das eine ist die Koalition, denn es wird immer schwieriger, zu rechtfertigen   – insbesondere sogar gegenüber dem religiös-nationalistischen Teil der Koalition, dass es richtig ist, dass ein Teil der Gesellschaft enorme Verluste und Todesfälle erleidet, dass ihre Söhne, der säkulare, eher aschkenasische Teil in die Armee geschickt werden, um dort getötet zu werden, und dass die Haredim, die Orthodoxen, immer noch davon ausgenommen sind. Diese Ungleichheit wurde mit zunehmenden Verlusten zu einem solchen Problem, dass ein Teil der Bevölkerung seine Söhne sterben lassen sollte und der andere Teil völlig davon ausgenommen war, und dies drohte, die Koalition zu Fall zu bringen. Es wurde zu einer sehr großen Quelle von Spannungen innerhalb des Kabinetts und hätte es zum Scheitern bringen können. Ich denke also, dass ein sehr wichtiger Aspekt der Entscheidung darin bestand, die Koalition zu sichern und zu verhindern, dass sie an dieser Frage der Wehrpflicht der Orthodoxen scheitert.

Dann   – laut der hebräischen Presse, wenn man sie heute liest   – hielten auch die Amerikaner bestimmte JDAM-Munition zurück   – Biden war es   – und ein Teil des Waffenstillstandsabkommens bestand darin, dass diese freigegeben werden sollten, diese zusätzlichen Waffen, um die Israel gebeten hatte, sollten freigegeben werden.

Ich nehme an, es gibt auch ein Element   – aber ich glaube nicht unbedingt, dass Netanyahu es nur aus diesem Grund tun würde   – aber wahrscheinlich wollte er auch die Karten für Trumps Hauptaufgabe neu mischen, nämlich Trump davon zu überzeugen, sich Israel in einem Krieg gegen den Iran anzuschließen, und das ist für ihn noch wichtiger als der Libanon. Ich denke, das sind die Gründe dafür.

Wie lange das anhält? Nun, wir müssen einfach abwarten und sehen.

Und so kommt es natürlich in einem Teil zu einem Waffenstillstand und in einem anderen Teil beginnt der Krieg in Syrien. Und das wird meiner Meinung nach eine ziemlich schwierige Angelegenheit werden.

Dies geht auf etwas zurück, das Erdogan seit dem 10. des Monats sagt. Er hat über den Krieg gesprochen (...) vor einigen Tagen sagte Erdogan: Wissen Sie, wir befinden uns in einer neuen strategischen Lage. Die Grenzen verändern sich. Land wird eingenommen. Menschen werden abgeschlachtet, um die Ankunft vorzubereiten, vor der Ankunft von Trump am 20. Januar. Und so sagte Erdogan: Wir müssen unseren Teil davon haben. Die Türkei muss ihren Teil davon haben und die Situation ausnutzen, und wir brauchen eine große Militäroperation. Und die große Militäroperation in Idlib wird im Wesentlichen vom türkischen Geheimdienst geleitet, und sie setzen eine große Anzahl von Kämpfern ein. Sie haben eine große Anzahl von Kämpfern aus Idlib vom HTS mobilisiert, die aus Al-Qaida umstrukturiert wurde, aber sowohl von den Amerikanern als auch von den Türken ausgebildet wurde. Was er jetzt zu tun versucht, ist, dass er sagt, er wolle die Grenzen der Türkei schützen, aber indem er syrisches und irakisches Land einnimmt. Er spricht sogar davon, eine Pufferzone zu schaffen, die vom Mittelmeer bis zum Iran reicht, durch Nordsyrien führt, einen Teil Nordsyriens einnimmt und im Nordosten endet und im Iran ankommt.

In erster Linie sagt er, man müsse die Kurden daran hindern, in die Türkei einzudringen und dort Unruhe zu stiften. Die Kurden befinden sich natürlich nicht in Idlib, aber die türkische Bevölkerung ist sehr besorgt über die Aussicht, dass, wenn Syrien irgendwann als Staat wieder zusammenwächst, viele potenzielle Flüchtlinge in die Türkei kommen werden, und die Türken sind fest davon überzeugt, dass sie diese nicht wollen. Er versucht also wirklich, Idlib zu einem Protektorat unter türkischer Kontrolle zu machen und dann im Nordosten eine Pufferzone zu schaffen. Und Assad besteht darauf, dass Syrien ein ganzer Staat sein muss, und er wird dies nicht zulassen.

Erdogan tut dies also, und es ist auch als sekundäres oder vielleicht auch als primäres Ziel gedacht, um den Amerikanern und dem kommenden Trump zu gefallen, denn er erinnert sich tatsächlich daran, dass Trump ihn aufgehalten hat, als er versuchte, eine   – ich glaube, es war ... ich kann mich nicht erinnern, 2019 oder so   – als Erdogan eine größere Pufferzone im Nordosten Syriens haben wollte, schritt Trump ein und schickte seinen Pence, um das zu stoppen und Erdogan zu sagen, dass er das nicht tun könne. Das war zu der Zeit, glaube ich, als Trump daran dachte, alle Truppen abzuziehen, und Erdogan es vermasselte.

Und ich stelle fest, dass die Türken auch versuchen, ihren F35-Vertrag mit den Amerikanern wiederzubeleben, obwohl ich nicht verstehe, warum sie das tun wollen   – es ist ein so nutzloses Flugzeug. Ich meine, 55 % sind in der Regel nur zu einem Zeitpunkt im Einsatz. Die anderen müssen gewartet und repariert werden, damit sie weiterfliegen können. Wie auch immer, er will sie kaufen. Es ist also eine komplexe Angelegenheit, und er wird es natürlich Trump verkaufen, indem er sagt, er kappe die Versorgungsleitungen, die Waffenlieferungen des Iran an die Hisbollah.

Und im Grunde ist dies ein Schachzug gegen den Iran und gegen Russland in der komplizierten Welt der türkischen Politik.

Wissen Sie, wir haben gehört, wie laut und vehement er seine Unterstützung für die palästinensische Sache zum Ausdruck gebracht hat und dass jeder sie unterstützen sollte, und dennoch fließt das Öl immer noch von Aserbaidschan durch die Pipelines nach Ceyhan* und weiter nach Israel, und das ist wichtig. Ich glaube, etwa 40 % des israelischen Öls werden über diese Route transportiert, und Erdogan hat keinen Finger gerührt, um das oder einige der anderen Korridorsysteme, die nach Israel führen, zu stoppen, obwohl er diese Reden gehalten hat und vor riesigen Menschenmengen in der Türkei sehr nationalistisch zur Unterstützung der Palästinenser aufgetreten ist.

Alexander Mercouris:

Zwei Fragen. Erstens zu Israel. Haben sie die Hisbollah unterschätzt? Ich hatte den Eindruck, als sie die Kampagne gegen die Hisbollah begannen, dass sie dachten, wenn sie die Führung der Hisbollah enthaupten, Nazrallah töten, den Mann, der seine Nachfolge antrat, töten, die Pager-Aktion starten, all das   – dass das Ganze wie ein Kartenhaus zusammenbrechen würde. Es ist nicht das erste Mal, dass die Israelis ihren Gegner unterschätzen. Ich habe sehr widersprüchliche Dinge über die Kämpfe gehört, aber es scheint nicht so, als hätten sie tatsächlich auch nur ein einziges Dorf im Libanon eingenommen. Wenn das wahr ist ...

Alastair Crooke:

Das stimmt.

Alexander Mercouris:

Haben sie die Hisbollah unterschätzt?

Alastair Crooke:

Ja. Sie, nun ja ... In gewisser Weise ist es eine kulturelle Sache, eine weit verbreitete kulturelle Sache. Israel ist seit langem davon überzeugt   – und diese Ansicht wird auch oft von Amerika geteilt   –, dass, wenn man nur die oberste Person ausschaltet, alles zusammenbricht und dann führerlos ist und einfach verschwindet. Aber ich war während des gesamten Krieges 2006 im Libanon und auch am Ende, weil ich währenddessen darüber geschrieben habe. Und am Ende wurde ich auf eher ungewöhnliche Weise, denn normalerweise tun sie das nicht, in den Süden gebracht und habe dort die Befehlshaber getroffen, die militärischen Befehlshaber der Hisbollah. Normalerweise lassen sie das Militär mit niemandem sprechen. Über diesen Teil habe ich nie genau geschrieben. Aber ich sage Folgendes dazu: Es war erstaunlich. Sie waren sehr jung. Die meisten Kommandeure waren 21 oder so. Sie waren so professionell, so gut ausgebildet. Sie wussten genau, was sie taten, und sie waren ... Sie hatten eine andere Vorstellung vom Kämpfen als die, die uns beigebracht wurde. Ich fragte sie: Was ist das Wichtigste, was Sie als junger Offizier gelernt haben? Und sie antworteten: Philosophie. Und ich dachte, das lernt man doch nicht am Santos Military College, dass sie Philosophie studiert haben. Aber sie tun es aus psychologischen Gründen, weil man in der Lage sein muss ... Dieser philosophische Ansatz ermöglichte es ihnen, mit der Begeisterung über den Sieg und den Tiefen der Depression umzugehen, wenn die Dinge gegen einen laufen, und ein langes Gleichgewicht zu bewahren. Es ging also darum, die Moral aufrechtzuerhalten.

Und die andere Sache, die ich sie gefragt habe, war: Nun, wie wählt ihr eure Anführer aus? Was ist die Voraussetzung dafür? Und, wissen Sie, keines der westlichen Systeme: Haben Sie diesen Kurs gemacht? Kreuzen Sie ein Kästchen an. Haben Sie diesen Kurs gemacht? Kreuzen Sie ein Kästchen an. Haben Sie sich dafür qualifiziert? Sie sagten: Nein! Wir suchen nach Menschen, die ein magisches Netz über Männer spinnen können. Das ist es, was wir suchen. Jemanden, der sie anlocken kann und dem sie sogar in den Tod folgen werden. Ich will nicht ins Jahr 2006 abschweifen. Aber ich will sagen: Damals waren sie 21. Das ist etwa 20 Jahre her, fast 20 Jahre. Sie sind jetzt in ihren 40ern und 50ern. Seitdem haben sie in Syrien und im Kampf gegen die Dschihadisten viel Erfahrung gesammelt, sie haben harte Nahkämpfe bestritten und sind in ihren besten Jahren. Sie haben viel mehr Erfahrung als damals, als sie 21 waren. Sie haben viel mehr Verständnis für diesen Krieg.

Und es ist auch wichtig, Folgendes zu verstehen: Natürlich gab es einen großen Rückschlag. Die Menschen haben es gespürt, als die gesamte Führung unerwartet getötet wurde und dann Safi al-Din, der mutmaßliche Erbe, auch starb. Es gab also eine Zeit ...

Aber zunächst einmal: Der militärische Flügel war nie mit diesen Pagern und Walkie-Talkies verbunden. Das war im Grunde für die zivilen Strukturen in der Hisbollah. Wenn man nach Dahieh, einem Vorort von Beirut, fährt, wo sie die Kontrolle haben, gibt es Polizei, Sicherheitskräfte, den nationalen Zivilschutz, Rettungsdienste oder Krankenhausdienste und all diese Dinge. Sie brauchen Pager. Sie brauchen Walkie-Talkies. Aber das Militär arbeitet ausschließlich mit Glasfaser und war sich der Gefahren schon vor 2006 sehr bewusst, weil die Siniora-Regierung** immer versuchte, ihre Kommunikation zu unterbinden oder sie unter die Kontrolle von Servern und Systemen zu bringen, die größtenteils unter israelischer Überwachung standen. Also bauten sie einfach ihr eigenes Glasfasernetz auf.

Und die andere Sache ist, dass selbst damals, und das war ein Modell, das es schon gab und das auf den Iran ausgeweitet wurde. Schon damals bestand das Ziel darin, selbstständige Einheiten zu haben, die nicht so groß, aber autonom sind. Und sie wurden zunächst einmal angewiesen, Nachfolger vorzubereiten, und zwar für jeden von ihnen, und zweitens Pläne zu erstellen, damit sie den Krieg zwei Jahre lang fortsetzen konnten, selbst wenn alle Kommunikationswege unterbrochen und das Hauptquartier vollständig eliminiert worden wäre, und dass sie in der Lage wären, mit ihren Kollegen in den nächsten Gebieten und den anderen nächsten Gebieten in einer Bottom-up-Netzwerkstruktur zusammenzuarbeiten, selbst wenn es keine Kommunikation vom Hauptquartier gäbe. Sie konnten auf dieser Grundlage weitermachen. Ich meine, Sie verstehen jetzt, was ich meine: All dies passte zusammen und deshalb konnten sie sich schnell neu formieren und sie hatten einige Jahre lang geplant und sich darauf vorbereitet, wie sie es machen und ihre Arbeitsweise ganz erheblich ändern wollten.

Und ja: Ich meine, die Israelis kamen nicht weiter. Sie kamen nicht einmal 2 km weit. Sie erreichten den Litani nicht. Und in einigen Fällen kamen sie herein ... Als sie sich zum Beispiel neben die irische UNIFIL-Gruppe, die Gruppe der UN-Friedenstruppen dort, setzten: Sie gingen hinein, brachten den Chef des Shin Bet*** mit, machten Fotos von sich selbst und gingen dann wieder hinaus. Sie hatten nicht vor, dort zu bleiben. Also, ja, sie haben es getan, sie haben die Kosten unterschätzt und selbst die Golani wurden wirklich dezimiert, Hinterhalte, Operationen ...

Und zum Schluss noch eine Anekdote: Aufgrund dessen, was ich Ihnen erzählt habe, würde es Sie überraschen, aber plötzlich stellen Familien fest, dass eine Gruppe von 17 Personen, zu denen sie den Kontakt verloren hatten und von denen sie dachten, sie seien tot, plötzlich wieder aufgetaucht ist und es es ihnen gut ging und sie die ganze Zeit gekämpft hatten und einfach weitergekämpft hatten, ohne sich zu melden, und plötzlich war die Familie ... Es sind mehrere Dinge passiert, bei denen die Familie plötzlich feststellte, dass alle ihre Männer nach Hause kamen und sie einfach still und leise weitergekämpft hatten, ohne sich zu melden.

Alexander Mercouris:

Warum hat die Hisbollah einem Waffenstillstand zugestimmt? Ich meine, war es, weil sie diesen Kampf eigentlich nie wollten, oder gibt es einen anderen Grund?

Alastair Crooke:

Nun, es berührt etwas, das ich Ihnen über eine philosophische Sichtweise gesagt habe, und, wissen Sie, es ist ein bisschen wie ... Eine Parallele, um es verständlich zu machen, wäre wie bei den Russen ... Wissen Sie, die Russen sind nie - ich glaube, Sie haben das wahrscheinlich schon mehrmals in Ihren Programmen gesagt - die Russen kümmern sich nicht um Territorium. Wenn es ihnen passt, ziehen sie sich zurück und dann: Was ist das Hauptziel? Und das Hauptziel der Hisbollah ist eine lange Zermürbung Israels, nicht nur eine Niederlage der Golani-Truppen im Südlibanon. Und nur um das klarzustellen, denn einige Leute sagen: „Na ja, sie waren in diesem Dorf oder so ...“ Die einzigen Dörfer, die sie im Libanon wirklich besetzen konnten, waren die, die der SLA   – das war die Südlibanesische Armee. Das war eine israelische Hilfstruppe, die 2006 im Libanon war und die dann alle aus dem Land fliehen mussten. Aber es gab bestimmte bekannte Dörfer   – ein oder zwei davon an der Grenze   –, die mit Israel sympathisierten. Und die Israelis sind in diese eingedrungen. Natürlich sind sie direkt auf diese Dörfer zugesteuert, aber sie sind nie weiter als zwei Kilometer in den Libanon vorgedrungen.

Glenn Diesen:

Ich wollte Sie dazu befragen, was Sie über die Türkei gesagt haben. Muhammad Marandi hat darauf hingewiesen, dass die Türken   – obwohl sie sehr lautstark waren   – nichts unternommen haben, um die Palästinenser oder die Libanesen zu unterstützen. Inzwischen starten sie stattdessen diesen Angriff gegen Syrien, der den Libanon tatsächlich schwächt. Inwieweit ist das also ... Sie erwähnten, dass die Öffentlichkeit natürlich sehr besorgt um die Kurden ist und so weiter ...

Alastair Crooke:

Die türkische Öffentlichkeit.

Glenn Diesen:

Ja, die türkische Öffentlichkeit, sorry, ja. Aber inwieweit wird dies als problematisch angesehen, wenn man bedenkt, dass sie all diese verschiedenen Bälle gleichzeitig jonglieren.

Alastair Crooke:

Sehr problematisch. Ich meine, es ist eine große Streitmacht: 15.000, wie es in einigen Berichten heißt. Eine große Streitmacht mit Panzern, eine ganze Panzerdivision, alle mit der neuesten westlichen Ausrüstung, NATO-Ausrüstung. Es handelt sich um eine hochqualifizierte Streitmacht von beträchtlicher Größe, die von der russischen Luftwaffe und der syrischen Luftwaffe angegriffen wird, die sie bombardieren und dabei große Verluste erleiden. Aber sie scheinen   – das Letzte, was ich gehört habe, kurz bevor ich zu diesem Programm kam, war, dass sie sich am Stadtrand von Aleppo befanden. So weit waren sie gekommen, und das ist ein ... Erdogan hat eine große Operation gestartet, um Assad zu stören, um Territorium und besetztes Gebiet einzunehmen.

Und für die Amerikaner ... Denn die Amerikaner, diese Gruppen, die Al-Nusra-Nachfolgegruppen, um die es hier geht, haben währenddessen mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Ihre zweite Aufgabe besteht also darin, die Versorgungslinien zwischen Iran und der Hisbollah zu kappen und anzugreifen ... Dabei wurde bereits ein iranischer General getötet. Wie gesagt, dies ist wirklich ein sehr störendes Ereignis, das sich hier abspielt, und Russland bombardiert sie mit seiner Luftwaffe wirklich heftig, ebenso wie die syrische Luftwaffe und die syrische Armee. Aber sie sind gut ausgerüstet, sie haben Panzer. Sie haben alle Einrichtungen dort, also müssen wir abwarten, was passiert. Aber man sollte das nicht unterschätzen. Das ist keine kleine Gruppe von dschihadistischen Milizen, die sich zu einer Gruppe von 30 Personen zusammenschließt. 15.000 Mann stark, so in der Art. Erdogan meint es ernst!

Glenn Diesen:

Wurden diese Dschihadisten nur von der Türkei ausgebildet und bewaffnet oder sind die Vereinigten Staaten an der Vorbereitung dieser Bodentruppen beteiligt?

Alastair Crooke:

Ja, sie wurden von den Amerikanern und den Türken gemeinsam ausgebildet. Das war zu der Zeit, als sie gemeinsam versuchten, Assad zu stürzen. Sie wurden also hauptsächlich von den Vereinigten Staaten ausgebildet und bezahlt. Aber wie ich von den Menschen in der Region weiß, die die Situation sehr genau verfolgen, handelt es sich um eine Initiative des türkischen Geheimdienstes.

Es ist also eine ganz andere Front, die sich wirklich öffnet, denn Syrien und Russland werden hart zurückschlagen. Die Israelis sprechen jetzt davon, die Kurden als weitere Front gegen den Nordosten, in Nordostsyrien, als weitere Front gegen den Iran und gegen die Achse des Widerstands einzusetzen. Die Dinge werden also ... nicht völlig unerwartet, aber wenn sich ein Krieg ausweitet, bringt er fremde Konflikte mit sich, die sich vermischen und gleichzeitig viele Dinge durcheinanderbringen können.

Alexander Mercouris:

Vielleicht könnten wir auch über die Situation in der Ukraine sprechen, denn in gewisser Weise hat man fast das Gefühl, dass es immer einen roten Faden gibt, der all dies verbindet ...

Alastair Crooke:

Den gibt es.

Alexander Mercouris:

Wir haben eine massive Krise erlebt. Wir hatten eine Entscheidung, die scheinbar aus dem Nichts kam   – obwohl sie eindeutig schon lange angekündigt und vorbereitet war   – amerikanische Raketen nach Russland zu schicken. Wir hatten diese massive russische Reaktion mit diesem neuen Raketensystem, das die Amerikaner völlig überrascht zu haben scheint. Wir haben all diese Gespräche über Friedenspläne. General Kellogg wurde ernannt. Die Russen haben weitere Angriffe gestartet. Sie behaupten, weitere Abschussrampen für ATACMS-Raketen zerstört zu haben.

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass ... Ich habe Putin zugehört. Er war gerade in Astana. Dort hat er eine große Pressekonferenz abgehalten. Er hat dort eine Rede gehalten. Er schien mir das Gefühl zu haben, dass er die Situation ziemlich unter Kontrolle hat, und die jüngsten Ereignisse, zumindest aus militärischer Sicht, indem er seine Macht, seine militärische Macht, demonstriert, wirken sich eher zu seinem Vorteil aus. Und ich hatte auch den Eindruck, dass er überhaupt nicht in der Stimmung ist, Zugeständnisse in Bezug auf die Ukraine zu machen, und wenn die Amerikaner das glauben, dann irren sie sich leider. Was war Ihr Eindruck?

Alastair Crooke:

Nun, ich kann es nicht wie Sie auf Russisch sehen, aber ich habe es mit Übersetzung gesehen, seine Rede, und ich teile die Ansicht. Ich denke, Sie haben vollkommen recht. Der Westen versucht, Oraschnik herunterzuspielen und sagt: „Ach, das ist doch nichts. Das ist nicht wichtig. Das ist nur eine Art Angeberaktion von Putin.“ Das ist es nicht! Es ändert das gesamte Paradigma, denn seit George Kennan The Long Telegram geschrieben hat, war es lange Zeit das Ziel, Russland immer weiter zu drängen, um die ihrer Meinung nach bestehenden Widersprüche, die internen Widersprüche, innerhalb des Systems zu verschärfen und es zum Zusammenbruch zu bringen.

Übrigens sagt der Atlantic Council jetzt, dass wir das George-Kennan-Modell auch für den Iran brauchen. Diese Doktrinen verschwinden also nicht. Sie bleiben einfach bestehen und entwickeln sich weiter, und das Ziel war immer, Druck auszuüben   – nicht unbedingt, um einen totalen Krieg zu führen, sondern um Putin so weit wie möglich unter Druck zu setzen, um ihn in eine Alles-oder-Nichts-Falle zu zwingen: Entweder muss er einer Verhandlung zustimmen, die den Interessen Amerikas dient und deren Ergebnis für die Vereinigten Staaten günstig ist, oder er muss eskalieren und wahrscheinlich sogar nuklear eskalieren.

Ich meine, das wurde diskutiert, als ich mit mehreren Leuten in Moskau darüber gesprochen habe, und die Frage war: Der Eskalationskanal gegen westliche Provokationen wurde immer enger, zumindest in Richtung einer kleinen Atomwaffe, einer taktischen Waffe oder so etwas als demonstrativer Akt. Und so saß er gewissermaßen in dieser Falle fest.

Und jetzt ist es genau umgekehrt, denn jetzt sitzt Amerika in der Falle, weil sie Putin nicht mehr mit einem Alles-oder-Nichts-Druck konfrontieren können, denn er hat jetzt alle Möglichkeiten, auf Provokationen , die für den Westen wirklich schmerzhaft sein werden   – sogar in ihrem eigenen Land, sogar in London oder Paris   – ich meine, nicht auf zivile Weise, das würde er nicht tun   – aber es hat das gesamte Paradigma des westlichen Denkens über den Druck auf Russland verändert.

Und, wie Sie sagen, laufen diese Dinge parallel? Absolut. Und dann der Iran... Und das größte Problem, das meiner Meinung nach die USA sowohl gegenüber dem Iran als auch Russland haben... Die zugrunde liegende Strategie der USA ist dieser einfache Vorschlag: Wir sind stark. Russland ist schwach. Israel ist stark. Der Iran ist schwach. Und obwohl die Fakten vor Ort   – und wenn man sich das ansieht: Ich meine, jeder, der sich die Ukraine in dieser Zeit genau angesehen hat, konnte sehen, was passiert. Aber das dringt nicht bis zu den Geheimdiensten durch. In gewisser Weise ist diese Überzeugung von überlegener Technologie, überlegenem Militär, das amerikanische Militär ist das beste der Welt   – das ist es nicht, aber das ist die Überzeugung. Und diese Überzeugung sitzt tief, und das bedeutet, dass die Leute bereit sind, alle eingehenden Daten zu ignorieren, die etwas anderes aussagen. Und sie sagen einfach: „Nein, nein. Ich bin nicht bereit, das zu glauben. Ich denke, das ist falsch.“ Und sie nehmen es nicht zur Kenntnis.

Und so ist die Ukraine trotz allem, was man sehen kann und was man gesehen hat, und trotz der Ereignisse in der Ukraine ganz klar auf dem Weg in eine Richtung, die Putin und einem für Russland günstigen Ausgang der Ereignisse entgegenkommt, obwohl das offensichtlich ist, und das schon seit Monaten. Es ist noch nicht lange her, dass der CIA-Chef sagte: „Oh, wissen Sie, die russische Armee ist hoffnungslos. Sie ist schlecht ausgebildet. Sie hat keine Ausrüstung. Ihnen geht bla bla bla aus.“ Aber der Punkt war: Sie haben es selbst geglaubt!

Ich habe einen sehr interessanten Artikel in der israelischen Presse gelesen, in dem der ehemalige Leiter der militärischen Analyse und Forschung der israelischen Streitkräfte sagt, dass dies das Problem am 7. Oktober war. Ja, es gab Anzeichen dafür, dass etwas kommen könnte, aber sie konnten es nicht akzeptieren, weil seine Mitarbeiter und seine Leute sagten: „Aber die Hamas? Nein! Israel ist stark und sie sind schwach, also macht es keinen Sinn, dass sie etwas tun und uns angreifen, kommen und uns angreifen.“

Ebenso glauben sie nicht, dass der Iran und der Widerstand wirklich glauben, dass Israel durch Zermürbung implodieren kann, und er sagte, dass selbst nach dem 7. Oktober, als alle unsere Geheimdienststrukturen zusammenbrachen und zerbrochen am Boden lagen, die Menschen es immer noch nicht glaubten, es nicht glauben würden, und er sagte, und das war sein Punkt und das ist auch mein Punkt: Es ist kulturell bedingt. Es ist eine kulturelle Angelegenheit und einer der Gründe dafür ist   – es liegt nicht nur daran, dass wir das „Ende der Geschichte“-Meme und den liberalen Frieden und das, was wir haben, übernommen haben   – sondern es geht viel weiter zurück in dem Sinne, dass wir diese teleologische Sichtweise auf die Entfaltung der Geschichte, die Metageschichte, haben. Dass alles linear und progressiv ist und auf die Erlösung zusteuert   – oder wie auch immer man es nennen will. Aber dieses Gefühl, sich in einer Unvermeidlichkeit zu bewegen, wurde dann nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von diesem „Ende der Geschichte“-Meme überlagert und dann darin eingebettet, dass alles auf eine westlich-liberale Zukunftsvision für alle hinausläuft.

Und so ist es sehr schwierig, das zu durchbrechen. Und das Verrückte an Oreschnik ist: Selbst die Überzeugungen der Menschen bleiben bestehen: „Die Vereinigten Staaten sind so stark, dass die Militärausgaben den Militärausgaben der ganzen Welt entsprechen.“ Wir haben das alles schon gehört. Aber selbst dann können sie es nicht verstehen, und das ist auch die große Gefahr im Iran. Vielleicht sogar noch mehr. Der Iran hat zweimal demonstriert, dass er über echte militärische Fähigkeiten verfügt, die der Westen ihm nicht zutraut, dass er über echte technische Kapazitäten verfügt und dass er ebenso wie Russland eine neue Waffe entwickelt hat, die das Ganze verändert. Der Iran hat in den letzten 20 Jahren eine Revolution in der Kriegsführung eingeleitet, eine andere Art der Kriegsführung.

Der Westen ist in der Kriegsführung der Luftherrschaft, der absoluten Luftherrschaft und der Luftwaffe gefangen: Massen, Massen von Bomben. Was wir in Beirut und anderswo gesehen haben. Und vor 20 Jahren haben sie im Iran angefangen zu überlegen: „Nun, was macht man dagegen? Wie kann man dem entgegentreten?“ Und sie haben eine Lösung gefunden, wie man damit umgehen kann, wie man eine Luftwaffe haben kann, ohne eine Luftwaffe zu haben, wie man mit Flugzeugen mit verschiedenen Arten von Luftverteidigung umgehen kann. Es ist also dasselbe, und was Putin getan hat, könnte in gewisser Weise sogar in das lineare teleologische Bewusstsein des Westens eindringen, dass sich das Paradigma in Russland tatsächlich geändert hat und dass dies notwendig ist.

Und das ist einer der Gründe, warum der Iran immer noch über einen weiteren Angriff auf Israel nachdenkt, denn was nach dem letzten Angriff geschehen ist, hat es deutlich gezeigt. Leute wie General Jack Keane treten in Fox News auf und sagen ganz laut: „Die Israelis haben die Luftabwehr komplett ausgeschaltet. Sie haben das Programm beschädigt. Der Iran liegt einfach nackt vor uns. Sie sind erstaunlich verwundbar.“ Ich meine, das ist reine Fiktion, einfach Unsinn, aber gefährlicher Unsinn, denn er ist ein Vier-Sterne-General und andere sagen dasselbe und einige dieser Dinge sind einfach nicht passiert. Nehmen wir zum Beispiel diese großartige Behauptung, die überall zu hören war: „Oh, seht nur! Israel hat diese wichtige Forschungsstation, die Atomforschungsstation in Parchin, ausgeschaltet und das gesamte Programm zurückgeworfen.“

Das ist ein imaginärer Krieg. Ich meine, das ist in etwa so, als würde Colin Powell zur Zeit des Irakkrieges vor die UN treten und sagen: „Das ist der Beweis, den Sie für Massenvernichtungswaffen brauchen.“ Es ist genauso fiktiv. Zum Teil wusste ich davon, weil ich in gewisser Weise in diese Nuklearangelegenheit involviert war, als ich für [General Raoul Salan?] gearbeitet habe.

Parchin wurde über 20 Jahre lang inspiziert und erneut inspiziert, und ich erinnere mich, dass die Israelis vor zehn oder mehr Jahren kamen und sagten: „Oh, wir haben diese Sandproben und es sieht so aus, als gäbe es unerklärliche Uranvorkommen.“ Die IAEO [Internationale Atomenergie-Organisation] kam, inspizierte, fand keine Beweise und ging wieder. Dann sagten die Israelis: „Schaut mal, oh, sie haben in Parchin eine Asphaltschicht verlegt. Darunter muss sich ein geheimer Bunker befinden, in dem die Forschung durchgeführt wurde.“ Sie kamen erneut aus Wien zurück und inspizierten es erneut. Und die Wahrheit ist, dass alle sensiblen Arbeiten, alle sensiblen Arbeiten, zu Khatamis Zeiten vor Jahren aus Parchin entfernt und tief in den Bergen in den großen Bergbunkern untergebracht wurden, wo sie sich noch heute befinden. Es gibt in Parchin nichts außer gewöhnlicher militärischer Standardforschung und Dinge, die sich mit Panzerabwehrwaffen oder Ähnlichem befassen. Es hat überhaupt nichts mit sensiblen Dingen zu tun. Das alles ist also eine Fälschung.

Das ist es, und wir befinden uns in diesem imaginären Krieg, weil Netanjahu sagt: „Nun, wir haben in Gaza gewonnen und jetzt haben wir im Libanon gewonnen und jetzt müssen wir im Iran gewinnen.“ Und meine einzige Sorge ist: Was passiert, wenn Israel einen imaginären Krieg gegen den Iran führt und behauptet, Parchin in Stücke gebombt zu haben?

Sie haben es während des großen Luftangriffs überhaupt nicht mit ballistischen Raketen getroffen. Parchin liegt in Sichtweite von Teheran und ich weiß von Leuten, die es beobachtet haben. Es gab überhaupt keine ballistischen Detonationen von ballistischen Raketen in Parchin. Wir wissen, dass zwei Gebäude, der Hangar eins und zwei, beschädigt wurden. Aber ich glaube, dass sie durch Drohnen beschädigt wurden, ebenso wie das Chabahar-Zentrum, etwa 1.000 Meilen von dieser Grenze entfernt, das Raumfahrtzentrum, in dem zu einer Zeit das sogenannte Kraftstoffmischen stattfand. Ich verstehe es nicht ganz, aber es ist für Flüssigbrennstoffraketen und so weiter, Mischzentrum, und das wurde auch dort vor Jahren eingestellt. Und es gab einen Zeugen, der beobachtete, was geschehen ist. Es war also sehr interessant, denn sein Haus ist nach Norden und Süden ausgerichtet und überblickt Chabahar, und er sagte: „Ich wachte um drei Uhr morgens auf und diese vier Flugobjekte kamen heran. Zwei wurden abgeschossen und zwei landeten nicht mit großem Getöse.“ Und er sagte: „Sehr seltsam war, dass sie aus dem Norden kamen. Sie kamen nicht aus dem Irak. Sie kamen nicht aus Teheran. Sie kamen aus dem Kaspischen Meer.“ Mit anderen Worten: Es handelte sich um Drohnen, die wahrscheinlich von den MEK (Mudschaheddin) abgefeuert wurden und den Anschein erwecken sollten, dass ein Angriff stattgefunden hat, weil die ballistischen Raketen nicht ... Ich meine, sie wurden abgefeuert, einige von ihnen, aber meistens trafen sie nur Ziele in den beiden an den Irak angrenzenden Provinzen. Sie kamen nicht näher als 7 Kilometer an den Iran heran.

Wir befinden uns also in einer Zeit, in der diese Narrative und Dinge wichtiger werden als die Fakten vor Ort, und es ist sehr schwer, den Westen zu überzeugen, weil, wie ich sage, die Linearität in dieser Überzeugung, dieser tiefen Überzeugung, die in gewisser Weise eschatologisch ist, dass der Westen auf dem Weg und auf der Startbahn zum Paradies ist und wir alle diesem Weg folgen werden.

Es ist sehr schwierig, das zu vermitteln, und das ist es, was Putin versucht hat, und warum er immer wieder darauf zurückkommt und sagt: „Wollt ihr noch eine Demonstration? Ich bin dabei, euch eine weitere Demonstration zu liefern.“ Er hat eine in Astana versprochen, wie Sie gehört haben, und er sagte: „Okay.“ Denn sie haben nicht aufgehört. Sie haben es nicht verstanden. Genauso wie im Iran. Sie haben es nicht verstanden.

Es war also Folgendes: Es gab mehrere ATACMS, viele ATACMS. Er erwähnte es und die Todesfälle und Verletzungen, die verursacht wurden, ich glaube am 23. und dann später. Sie haben wahrscheinlich ein besseres Gedächtnis als ich, als er sagte: „Und sie haben einfach weitergemacht.“ Es wird also wahrscheinlich so sein, dass sie [das russische Oberkommando] darauf warten, dass er [Putin nach Moskau] zurückkommt, und dann wird er einen weiteren Angriff befehlen, und er schlug vor, dass er auf Kiew oder auf einen anderen Ort gerichtet sein könnte.

Ich glaube nicht, dass er nach amerikanischem Muster vorgehen wird. Ich glaube nicht, dass er versuchen wird, die Situation zu verschärfen, um es mal so zu sagen. Ich denke, er wird einfach den gleichen Prozess fortsetzen. Er versucht, die amerikanische Psyche genauso zu beeinflussen wie die amerikanischen Waffen.

Glenn Diesen:

Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass ein Hauptproblem darin besteht, dass man zu sehr auf das Narrativ fokussiert ist, natürlich auf das Erzählen von Geschichten, was es schwieriger macht, einen Bezug zur Realität herzustellen. Mir gefällt, wie Sie es als einen imaginären Krieg dargestellt haben. Aber ich denke, das ist auch ein Hauptproblem mit Russland, das im Kern des Problems steckt. Es scheint, dass es diese Verneinung dessen ist, dass die Russen einen existenziellen Krieg führen, der viele der Probleme verursacht, weil er zu dieser Fehleinschätzung führt. Zum Beispiel die Vorstellung, dass wir, wenn wir nur genug Druck auf Russland ausüben, dann werden sie, wie Sie bereits erwähnt haben, diese internen Widersprüche entdecken und anfangen zusammenzubrechen.

Tatsächlich argumentierte Aristovich, der ehemalige Berater von Zelinsky, im Jahr 2019, dass Russland wahrscheinlich zu einer Invasion provoziert werden würde und wir es dann besiegen würden. Sie scheinen diesen Berechnungen zu folgen. Stattdessen sehen wir jedoch, dass die Sicherheitsbedenken, die Putin seit Jahren äußert, nun bestätigt zu sein scheinen, da die NATO immer direkter in Angriffe auf Russland verwickelt ist, und ich denke, dasselbe gilt für die Annahme einer Eskalation. Wenn wir als Westen das Argument, dass Russland einen Krieg um sein Überleben führt, nicht akzeptieren, dann deutet nach westlicher Lesart eine Eskalation darauf hin, dass für Russland die Kosten steigen, die Vorteile sinken und die Russen daher einen Rückzieher machen werden. Außerdem werden sie vor dieses Dilemma gestellt: Entweder sie riskieren einen Krieg mit der NATO oder sie kapitulieren.

Aber noch einmal: Wenn sie einen existenziellen Krieg führen, gibt es keine Kapitulation. Es scheint, dass die Oreschnik-Rakete ihnen natürlich diese sehr mächtige dritte Option bietet. Aber sehen Sie das auch bei den westlichen Eliten? Glauben die wirklich an das, was sie sagen, oder ist es nur das Engagement, eine bestimmte Sichtweise zu fördern? Oder akzeptieren sie nicht, dass Russland dies als einen Kampf um sein Überleben ansieht?

Alastair Crooke:

Zwei Dinge: Die erste Antwort ist, weil vor ein paar Tagen   – kurz danach, nun, es war eigentlich am Tag vor dem Einsatz von Oreschnik   – hat ein Vizeadmiral des strategischen Kommandos, der an den Nuklearplänen arbeitet   – Sie haben es vielleicht gesehen   – er kam und sagte ganz deutlich: „Die Vereinigten Staaten sind bereit, einen nuklearen Konflikt mit Russland zu führen und zu gewinnen und so siegreich daraus hervorzugehen, dass sie in der Lage sind, nach einem Sieg jeden anderen Gegner in einem nuklearen Schlagabtausch zu bekämpfen.“ Ich meine, wissen Sie, noch einmal: Ist das seine Überzeugung? Oder gibt es ... Wie kommen sie ... Wie kommen sie zu diesem Schluss?

Ich meine, es ist offensichtlich ... Sie glauben, dass sie einen Präventivschlag durchführen können. Nur so kann man verstehen, was dieser Vizeadmiral Buchanan gesagt hat. Ich meine, er ist vom strategischen Kommando und für diesen Planeten verantwortlich. Ich meine, das ist das Einzige, dass sie absolut davon überzeugt sind, dass Amerika mit all seiner Stärke und Macht einfach mit seinen Atomwaffen einmarschieren wird und Russland erledigt sein wird und Amerika genug Waffen übrig haben wird, um es nach dem Sieg mit jedem anderen aufzunehmen.

Ich meine, ich denke einfach, dass es wieder einmal eine Fantasievorstellung ist, ein imaginärer Krieg, in den sie verwickelt sind, und sie sagen es, weil es einigen... Man wird befördert, wenn man solche harten Dinge sagt, und man wird ernst genommen, und Leute, die sagen: „Bist du sicher? Ist das richtig?“   – ich meine, die werden beiseitegeschoben und bekommen nicht den zweiten Stern oder was auch immer.

Ich denke also, und Sie betonen es, und ich stimme Ihnen voll und ganz zu: Diese Narrative haben die Fakten vor Ort übertrumpft. Die Menschen sind mehr daran interessiert, ein Narrativ vom Gewinnen zu entwerfen und zu pflegen, als tatsächlich zu gewinnen. Ich meine, manchmal verlieren sie, aber in dem Narrativ gewinnen sie trotzdem. Und ich halte das einfach nicht für einen sehr guten Weg, und Buchanans Kommentare haben die russische Öffentlichkeit übrigens elektrisiert. Sie sagten, viele von ihnen seien darauf zurückgekommen und sagten: „Sehen Sie, sie sind auf einen Atomkrieg mit uns aus. Das beweist es.“ Und so eskaliert es und es erhöht den Druck auf Putin, ebenfalls härter vorzugehen.

Alexander Mercouris:

Das ist interessant, denn Sie haben darauf hingewiesen, dass sie es für unmöglich halten, dass sie scheitern könnten ... Erst gestern haben wir mit [...?...] gesprochen, einer Politikerin in Deutschland, die der Partei von Sahra Wagenknecht angehört, die gegen all diese Dinge ist. Ich sagte zu ihr: „Glauben Sie, sind die deutschen Spitzenpolitiker in der Lage, zu glauben, verstehen sie wirklich, dass in Deutschland ein tatsächlicher Prozess der Deindustrialisierung im Gange ist? Können die sich das vorstellen?“ Und ich hatte den Eindruck, ich meine, sie sagte im Grunde: „Nein, das können sie nicht.“

Sie können sich im Allgemeinen nicht vorstellen, dass so etwas passieren könnte, und wenn man Robert Habeck, dem Wirtschaftsminister Deutschlands, zuhört, sagt er: „Es gibt keinen Grund zur Sorge. Deutschland ist nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.“   – was nicht der Fall ist, die drittgrößte Volkswirtschaft. Aber hier ist der Wirtschaftsminister, und das sagt er, und ich frage mich manchmal wirklich, ob wir den Punkt erreicht haben, an dem die Militärs und Geheimdienstler nicht mehr den Mut haben, das zu tun, was sie tun sollten, nämlich ihren politischen Führern zu sagen, wie die wahre Situation ist, oder ob sie die Fähigkeit verloren haben, der Macht die Wahrheit zu sagen, was man meiner Meinung nach tun sollte, wenn man in einem Land eine Führungsposition im Bereich Militär, Verteidigung, Geheimdienst oder Außenpolitik innehat.

Ich wollte nur Folgendes sagen: Ich habe Putin sehr aufmerksam zugehört. Er hat viele sehr, sehr, sehr interessante Punkte angesprochen, darunter auch, dass wir, unsere Angst, die Angst, dass Russland vom Westen umarmt werde: Wir haben so viele Zugeständnisse gemacht, dass wir die Sowjetunion im Grunde aufgegeben haben. Wenn jemand so etwas sagt, dann scheint mir, dass er damit sagen will, dass wir an unsere Grenzen gestoßen sind. Es gibt keine Zugeständnisse mehr, die wir machen können.

Er sprach ausführlich über Angela Merkel, und zwar auf eine Weise, wie ich sie noch nie von ihm gehört habe: Die ganze elende Geschichte mit dem Hund, wissen Sie, der, den er angeblich auf sie losgelassen haben soll, was immer wieder erzählt wurde. Es ist ein Missverständnis, und sie hat die ganze Geschichte in ihren Memoiren, die gerade veröffentlicht wurden, wieder aufgetischt, und er war absolut, er war eindeutig sehr wütend darüber, dass das wieder hochkam. Ich glaube nicht, dass er noch an die Menschen glaubt, mit denen er im Westen zu tun hat, und ihnen vertraut. Ich glaube nicht, dass dieser Mann in der Stimmung ist, irgendwelche Zugeständnisse zu machen, und ich glaube auch nicht, dass er sich unter großem innerem Druck fühlt, dies zu tun.

Und ich denke, das ist der andere Irrtum, dass es in Russland eine große Anzahl von Menschen gebe, die die Dinge wieder so haben wollen, wie sie waren, und die Frieden um jeden Preis wollen. Ich denke, es mag einige solcher Menschen geben. Aber ich glaube nicht, dass sie in irgendeiner politisch bedeutsamen Weise existieren, und sie machen den gleichen Fehler, den sie in Bezug auf den Iran machen. Über den Iran weiß ich viel weniger. Aber ich glaube, es herrscht die Meinung vor, dass der Iran auch ein Kartenhaus sei. Wenn man kräftig daran rüttele und weitere Sanktionen gegen sein Öl verhänge, werde es zusammenbrechen, und ich habe das Gefühl, dass das stimmt, aber egal. Was meinen Sie?

Alastair Crooke:

Nun, um auf das erste zurückzukommen, was Sie erwähnt haben: Ich denke, kulturell gesehen ist Putin in der Lage, zuzuhören und zu aufzumerken. Ich denke, es gibt zwei Dinge, die uns im Westen wirklich beeinflussen. Das eine ist diese Ausrichtung, die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft, die seit Obamas Zeit umgesetzt wird, bei der wir alle der gleichen Meinung sein sollen. Wenn man also jemandem etwas sagt: „Nun, ich glaube nicht, dass Putin ...“   – „Oh, das darf man über Putin nicht sagen!“ Ich meine, „Das darf man über den Iran nicht sagen!“ Ich meine, es gibt die ... Wir im Westen kümmern uns überhaupt nicht um Empathie oder darum, zuzuhören, weil wir KI haben. Wenn wir genug Datenpunkte haben, können wir den Iran verstehen. Wir können China perfekt verstehen... Aber diese Regressionen, die sie verwenden, um das zu tun, glätten und geben Ihnen ein schönes lineares Muster. Aber das Leben ist nicht so, und was sie ausschließen, ist: Sie schließen die kleinen Dinge aus, die unerwartet, unerklärt, aber bedeutungsvoll sind.

Und das Bedeutungsvollste kam für mich, als ich zugehört und beobachtet habe, was auf den israelischen Sendern vor sich ging, als die Israelis plötzlich bei der ersten Angriffswelle auf den Iran sagten: „Oh, die Piloten berichten, dass sie 70 km weit weg sind ... Wir wurden von einem unerklärlichen, unerwarteten Luftverteidigungssystem erfasst. Sie haben uns im Visier.“ Und dann strichen sie die zweite Welle, die eigentlich die schweren Bombenangriffe fliegen sollte. Nur dieser eine Kommentar.

Deshalb habe ich das Gefühl, dass wir die Welt immer noch auf Newtonsche Weise betrachten, als eine Maschine, bei der man nur die Gesetze und Muster verstehen muss, um dann alles klar vorhersagen zu können, und wir scheinen es nicht zu verstehen, dass es andere Entwicklungen in der Physik wie die Quantenphysik und die Chaostheorie gibt, die uns etwas ganz anderes sagen, nämlich dass es vielleicht nicht einmal so etwas wie einfache Ursache und Wirkung gibt, weil alles komplex durch Ursachen miteinander verbunden ist.

Ich glaube also, dass wir damit ein echtes Problem haben, und es ist auf eine seltsame Art und Weise ... Als wir in Beirut gelebt haben, habe ich Leute mitgenommen, viele aus dem Westen, um sie mit zu Treffen mit der Hisbollah zu bringen, und ich saß während des Treffens da und sie redeten und stritten mit den Anführern, die sie trafen. Und am Ende kamen sie und sagten: „Es war seltsam. Er sagte XYZ.“ Und ich sagte: „Aber er hat nicht ...„   – „Oh nein. Ich habe die Frage gestellt: ‘Werden Sie das tun?‘ und das war eindeutig die Antwort.“ Und ich sagte: “Aber haben Sie seine Geschichte nicht gehört? Es gab eine Geschichte, eine Allegorie, und er hat Ihnen in der Allegorie geantwortet, nicht in einer Ja/Nein-Form. Er hat Ihnen geantwortet, indem er Ihnen eine Geschichte erzählt hat.“

Und ich würde sagen, dass von allen Menschen nur sehr, sehr wenige tatsächlich hören konnten, was ihnen von einer solchen Bewegung gesagt wurde, sehr, sehr wenige. Sie waren einfach kulturell daran gehindert, zuzuhören. Es war nicht so, dass sie ... Sie haben sich nicht ... Ich will nicht sagen, dass sie es absichtlich taten oder dass sie so feindselig waren, dass sie es nicht taten. Es war einfach schwierig für sie... Es ist ein Mangel an Empathie, zuhören und hören zu können und das, was die Leute sagen, aufzunehmen.

Und ich weiß, dass der oberste Führer dasselbe tut. Er sagt: „Haben Sie das Buch gelesen? Es gibt dieses wirklich interessante Buch.“ Und einige Libanesen kamen und wollten, dass er die Hisbollah entwaffnet, und er erzählt eine Geschichte von... Ich meine, ich fasse mich kurz, aber ich meine, die Geschichte war eine Wiederholung dieses berühmten Gedichts über die Barbaren. „Wo sind all die Barbaren hin? Wir brauchen diese Leute. Sie sollten am Ende unsere Retter sein.“ Er las also eine kleine Geschichte vor, die in etwa so lautete. Damit endete die Diskussion. Und es gibt einfach verschiedene Arten zu kommunizieren und zuzuhören, und wir tun das nicht so oft.

Glenn Diesen:

Und ich denke, dass dies ein Kernproblem in der Ukraine, im Nahen Osten oder in der Wirtschaft ist, dieses Problem des Narrativs. Ich glaube nicht, dass die Menschen verstehen, wie wichtig es ist. Denn man muss sich wirklich auf die verschiedenen Narrative einlassen, um relevant zu sein, wie Sie, Alastair, bereits erwähnt haben, um befördert zu werden oder überhaupt sprechen zu dürfen, was mir auch bei der Ukraine-Frage aufgefallen ist. Selbst wenn man über die eindeutigen Beweise spricht, dass die Ukrainer vor 2014 nicht der NATO beitreten wollten, dass Istanbul sabotiert wurde und Nordstream, das Scheitern der Sanktionen: Ich stelle oft fest, dass die Leute nicht mit Fakten kontern, die ja nicht bestritten werden können. Die Hauptantwort lautet oft: „Nun, warum wollen Sie das Narrativ in Frage stellen? Dann folgen Sie ja dem Narrativ von Moskau. Dies ist unseres. Sie müssen sich also unserer Seite anschließen, sonst stellen Sie sich praktisch auf die andere Seite.“

Es scheint also, als hätten wir uns ein wenig von den Fakten abgekoppelt, was wahrscheinlich eine der Ursachen für die Irrationalität ist.

Ich schätze, meine letzte Frage betrifft den Elefanten im Raum, nämlich Trump, denn bei vielen der aktuellen Probleme sowohl mit der Ukraine als auch mit dem Nahen Osten wird davon ausgegangen, dass sich die Situation nach seiner Machtübernahme ändern wird, und zwar radikal. Also warten wir noch ein paar Wochen ab. Aber was meinen Sie   – wie wird sich die Wahl von Trump auswirken, sowohl in Bezug auf das Verhalten der Akteure, bevor Trump an die Macht kommt, als auch in Bezug auf die Frage, inwieweit wir vielleicht eine zu optimistische Sicht auf das haben, was Trump tatsächlich tun kann, wenn er erst einmal an der Macht ist?

Alastair Crooke:

Er hat bereits vor seiner Machtübernahme eine unglaubliche Wirkung erzielt, allein durch die Art und Weise, wie er sehr deutlich gesagt hat, dass ... Er hat gerade das Master-Narrativ des Westens umgestoßen, das Master-Narrativ in Bezug darauf, dass wir auf dieses Ziel zusteuern und der Westen da ist, um uns zu führen und uns das Ende der Geschichte zu bieten, einen friedlichen, liberalen Frieden, all das. Er sagte: „Keine ewigen Kriege mehr. Nie wieder! Warum sollte ich in diese Länder eingreifen? Ich finde es schon schwierig genug, dieses Land zu verwalten, ganz zu schweigen davon, dass ich versuchen sollte, ein Land wie den Iran oder so etwas zu verwalten.“

Nun, ob er das tatsächlich tut oder umsetzt   – es war, als würde jemand in einer stickigen, schwülen Atmosphäre ein Fenster öffnen und frische Luft hereinströmen lassen. Er sagte so etwas und sagte: „Ich werde den   – wie auch immer man es nennen will   – den interinstitutionellen, den permanenten Sicherheitsstaat loswerden. Ich werde sie auch loswerden und die Leute werden sagen können, was sie denken, ohne zensiert oder entmachtet zu werden oder ihren Job zu verlieren, und plötzlich war es das Ende einer Ära, während die neue Ära noch darum kämpft, geboren zu werden. Es ist noch nicht so weit. Es ist noch nicht in Kasan oder sonst wo herausgekommen, aber es kämpft darum, herauszukommen und kommt. Aber er hat dieses Fenster geöffnet und das hatte eine enorme Wirkung, und ich sehe das Ganze ... Alles ist dabei, sich umzukehren und zu verändern.

Und in der Region ist es so offensichtlich. Ich meine, wie lange ist es her? Vor nicht allzu langer Zeit wurden die sunnitischen Golfstaaten von Washington und dem Iran, der Großmacht des 19. Jahrhunderts mit dem Schah und allem, was zu dieser Zeit im Jahr 2006 mit dem Deal zwischen Dick Cheney und Prinz Bandar geschah, umarmt. Mit diesem Deal wurde versucht, die gesamte Region in eine andere Richtung zu lenken und die sunnitische Welt an die Spitze zu bringen und die iranische Welt zu degradieren, die schiitische Welt zu einem Außenseiter zu machen. Aber das ist ziemlich schwierig, weil es im gesamten Nahen Osten etwa 50/50 Schiiten/Sunniten gibt. Ich meine, wenn man anfängt, Indonesien oder Malaysia hinzuzuzählen, dann ändert sich das Gleichgewicht vollständig zugunsten der Sunniten, aber der gesamte Einfluss dieser Region ist schiitisch und sie haben große Differenzen mit dem Iran. Sie sind keine Stellvertreter oder Marionetten des Iran. Aber dennoch ist der Iran das Mutterschiff. Er ist die Heimat des Schiismus.

Das Ganze kehrt sich also um und die Menschen radikalisieren sich, und ich denke, ob ... Vor einigen Monaten, als ich in St. Petersburg war, habe ich darüber gesprochen und den Russen gesagt, dass sich meiner Meinung nach eine Gegenrevolution zusammenbraut. Ich weiß nicht, ob es passieren würde oder nicht, aber ich dachte, dass es sich im Westen zusammenbraut. Als ich jetzt aus London zurückkam, sprachen die Leute mit mir über ein Erwachen, nicht nur im Nahen Osten, sondern auch im Westen, aus unterschiedlichen Gründen und mit ganz unterschiedlichen Einschätzungen. Aber im Westen und im globalen Süden brodelt es, weil Frauen und Kinder sterben und Bilder von Kindern mit abgetrennten Gliedmaßen und dergleichen die Runde machen. Ich meine, die Leute sind wirklich wütend, und das verändert den gesamten Prozess.

Ich weiß, dass ich mich von Ihrer Frage entferne, die lautete: „Was wird Trump in dieser Hinsicht tun können?“ Ich denke, es wird sehr schwierig für Trump, es sei denn, er hört zu. Wenn er mit einem „Ich habe ‚The Art of the Deal‘ gelesen, ich weiß Bescheid!“ reinkommt und dann Folgendes macht: Er schwingt einen großen Knüppel und holt sich Leute in sein Team, die laut schreien: „Wir werden dich bombardieren, bombardieren, bombardieren!“ Und dann, wenn er das eine Weile durchgezogen hat, schleicht er sich von hinten an und macht einen Deal   – nach all dem Lärm und dem Geschrei und dem Winken mit Stöcken und so weiter. Das funktioniert nicht in der Diplomatie. Es mag für Geschäfte und Immobilien in Ordnung sein. Ich weiß es nicht. Ich bin nicht in diesem Bereich tätig. Aber es funktioniert nicht.

Nun, wenn er zuhört... Putin hat ihm eigentlich die Antwort gegeben. Es ist wieder eine dieser Fragen, bei denen es darum geht, ob die Leute es verstehen oder nicht. Sie werden sich sicher an diese erste Rede erinnern, denn ich weiß, dass Sie sie gehört haben. Putin sagte dann an einer Stelle: „Es war ein großer Fehler, das Abkommen über die Mittelstreckenraketen 2019 zu beenden. Ich denke, Amerika hat einen Fehler gemacht.“ Nun, damals war es Trump, der das getan hat. Ich denke, Putin gibt ihm jetzt ein sehr klares Signal und sagt: „Kommen Sie nicht hierher und sagen Sie mir, was ich mit der Ukraine und diesem und jenem tun soll. Kommen Sie her und sagen Sie: ‚Nun, Herr Putin, ich fand das sehr interessant, was Sie über den Vertrag über das Mittelstreckenraketensystem und dessen Begrenzung gesagt haben. Was haben Sie jetzt vor? Was denken Sie darüber? Und wie soll es Ihrer Meinung nach weitergehen?‘“ Und dann könnte das Gespräch auf die Ukraine kommen. Aber man geht nicht so ran: „Was ist Ihr Endergebnis? Kommen Sie schon! In welche Richtung? Lassen Sie uns einen Deal machen!“ So läuft das nicht.

Aber er hat, wenn er zugehört hat, ein Zeichen gegeben: „Sag mir: ‚Das war ein interessanter Kommentar. Vielleicht sollten wir dem nachgehen.‘“ Das ist alles, und dann wird er darauf eingehen. Er wird nicht darauf eingehen, indem Trump irgendeinen General schickt. Ich denke, sein Gesandter soll Putin einschüchtern oder was auch immer er sich vorstellt. Ich denke also, dass es schwierig werden wird.

Und im Iran umso mehr, weil Trump derjenige war, der Qasem Soleimani ermordet hat, und das schmerzt nicht nur die Eliten, sondern auch das Volk immer noch sehr. Er war wie ein Fußballstar. Das war er, aber er war ein Mann des Volkes und sie liebten ihn. Es wird also nicht so einfach für ihn sein, das zu überwinden.

Alexander Mercouris:

Nur um es kurz zu sagen: Ich stimme vollkommen zu und ich weiss, dass ich in meiner Zeit an vielen, vielen Handelsverhandlungen beteiligt war. Diplomatie ist damit überhaupt nicht zu vergleichen. Wenn Trump denkt, dass es hier darum geht, Geschäfte abzuschließen, dann irrt er sich völlig. Bei der Diplomatie geht es darum, mit jemandem zu verhandeln, der immer da ist. Bei einem Geschäft könnte man ein Geschäft abschließen und der andere kann weitermachen. Er kann jemand anderen finden und man kann ständig weitere Geschäfte abschließen. Aber bei der Diplomatie ist das nicht so. Es geht darum, ständig im Gespräch zu bleiben, Vereinbarungen zu treffen, Wege nach vorne zu finden und manchmal Probleme zu bewältigen. Die Kultur ist völlig anders. Wenn Trump das nicht versteht, wird er sich möglicherweise in große Schwierigkeiten bringen.

Und ich stimme Ihnen zu. Ich denke, die Russen ... Ich denke Putin ... Eine weitere sehr interessante Aussage von ihm war: „Wenn Sie mich fragen, ob ich bereit bin zu verhandeln? Ich bin es immer. Ich war immer dazu bereit. Ich habe nie Vorbedingungen für Verhandlungen gestellt. Wenn Sie eine Einigung wollen, nun, dann habe ich meine klaren Positionen und meine Bedingungen, und ich habe sie bereits dargelegt.“

Das ist etwas ganz anderes. Denn eines der Dinge im Kellogg-Bericht... Es ging darum zu sagen, dass der Bericht, den General Kellogg verfasst hat, darauf abzielt, die Russen dazu zu drängen, Verhandlungen zuzustimmen. Die Russen haben sich nie geweigert, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Es ist wieder etwas, das man im Geschäftsleben manchmal erlebt, dass es manchmal oder in der Rechtswelt manchmal sehr schwierig ist, die andere Seite dazu zu bringen, anzuerkennen, dass es etwas zu besprechen gibt. Aber Verhandlungen, Diplomatie, sie sollten geführt werden, werden ständig geführt, und ich glaube einfach nicht, wie gesagt, dass die Amerikaner, zumindest diese Regierung, diese kommende Regierung, Trump selbst, obwohl er bereits Präsident ist, das vollständig verstanden haben. Wenn Sie also keine weitere Bemerkung dazu machen wollen, habe ich wirklich nichts mehr zu sagen.

Alastair Crooke:

Ich habe nur eines zu sagen. Ich stimme vollkommen zu.

Glenn Diesen:

Ich stimme auch Ihrem Kommentar über das Öffnen des Fensters zu. Ich denke, das könnte der größte Beitrag von Trump und Vance sein. Ich habe die Rede von J.D. Vance gesehen, in der er darauf hinwies, dass Amerika in den letzten Jahren andere Länder schikaniert hat, indem es versucht hat, sie zu belehren und ihnen zu sagen, was sie tun sollen   – währenddessen hat China Straßen und Infrastrukturen gebaut, die die Menschen aus der Armut befreien, und deshalb verlieren wir.

Für mich war das sehr verrückt zu hören, weil es natürlich sehr viel Sinn ergibt, aber ich wusste nicht, dass wir das sagen dürfen, und ich denke, wir haben uns in sehr lächerliche und gefährliche Narrative verstrickt, in denen es keinen Handlungsspielraum gibt, und ja, Alexander wies auch auf dieses Narrativ hin, dass wir die Russen unter Druck setzen müssen, damit sie reden. Ich finde das so seltsam, denn fast drei Jahre lang waren es unsere westlichen Politiker, die die Diplomatie boykottiert haben. Sie haben nicht nur die Verhandlungen vergessen, sondern sich nicht einmal mit dem Gegner an einen Tisch gesetzt und mit ihm gesprochen, während Hunderttausende Menschen starben. Niemand wollte reden.

Es ist ziemlich seltsam, und dann sagen wir: „Nun, wir müssen Druck auf die Russen ausüben, damit sie sich an den Tisch setzen.“ Aber ich habe Putin in Valdai sogar danach gefragt, und er meinte nur: „Wir haben unsere Tür für niemanden geschlossen. Wir sind bereit zu reden.“ Daher ist es für mich sehr seltsam, dass wir diese Narrative immer wieder aufgreifen und alle so tun müssen, als ob sie wahr wären. Mir gefällt, was Sie dazu gesagt haben, dass sie jetzt zulassen, dass sich der Diskurs ein wenig öffnet. Ich denke, das könnte sehr gesund sein.

Wie auch immer, noch ein paar abschließende Kommentare, bevor wir uns abmelden?

Alexander Mercouris:

Ich möchte mich nur noch bei Alastair dafür bedanken, dass er wieder in unserer Sendung zu Gast war. Es ist immer sehr aufschlussreich und ich wollte Alastair nur sagen, dass ich Ihnen bei unserem privaten Treffen vor kurzem gesagt habe, dass, als Sie vor einigen Wochen Ihre Informationen über den israelischen Angriff und die Tatsache, dass die Israelis bestätigten, dass ihre Flugzeuge verfolgt wurden, preisgegeben haben, eine Menge Leute in der gesamten Medienlandschaft bemerkten, dass es ziemlich außergewöhnlich war, die Wirkung zu sehen.

Alastair Crooke:

Nun, ich bin froh, wenn manchmal ein bisschen Realität durchkommt.

Glenn Diesen:

Vielen Dank.

Alastair Crooke:

Aber es ist immer noch eine gefährliche Zeit.

Alexander Mercouris:

Sehr gefährlich.

Alastair Crooke:

Wie auch immer, vielen Dank für die Einladung. Es hat mir wirklich gefallen. Ich hoffe, es war nicht zu weit vom Wesentlichen entfernt für Ihr Publikum, aber manchmal ist es gut, zu versuchen, hinter die Dinge zu blicken und zu verstehen ...

Alexander Mercouris:

Genau darauf wollte ich hinaus. Wir beschäftigen uns ständig mit den Details. Es ist auch für unsere Zuschauer sehr erfrischend, wenn jemand einen Überblick hat.

Alastair Crooke:

Vielen Dank.

Glenn Diesen:

Danke.

_____________________

Anmerkungen des Übersetzers:

* Der Öltransport von Aserbaidschan nach Israel erfolgt in der Regel über internationale Pipelines und den Seeweg, da es keine direkte Landpipeline zwischen den beiden Ländern gibt. Aserbaidschan, ein bedeutender Erdölproduzent im Kaspischen Raum, exportiert sein Öl hauptsächlich über die Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)-Pipeline. Der Ablauf sieht folgendermaßen aus:

  1. Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC):
    Die BTC-Pipeline transportiert Rohöl aus den Feldern Aserbaidschans bis zum Mittelmeerhafen Ceyhan in der Türkei.
  2. Seetransport:
    Von Ceyhan aus wird das Öl auf Tankschiffe verladen und zu verschiedenen Zielen transportiert, darunter auch nach Israel.
  3. Israelische Häfen:
    In Israel wird das Öl beispielsweise im Hafen von Aschkelon entladen. Von dort kann es über die Eilat-Aschkelon-Pipeline (EAPC) weitergeleitet werden, entweder für den inländischen Verbrauch oder für den Export in andere Regionen, einschließlich Asien.

** Die Siniora-Administration im Libanon bezieht sich auf die Amtszeit von Fouad Siniora, einem prominenten libanesischen Politiker und Ökonomen, der zwischen 2005 und 2009 als Premierminister des Landes fungierte. Seine Zeit als Regierungschef war von bedeutenden politischen Herausforderungen geprägt, darunter die Auswirkungen des Attentats auf den ehemaligen Premierminister Rafik Hariri, die daraus resultierenden politischen Spannungen sowie der 33-tägige Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006.

*** Der israelische Shin Bet (hebräisch: השב"כ, kurz für "Schinui Bitachon Clali", deutsch: "Allgemeiner Sicherheitsdienst", oft mit ISA für "Israel Security Agency" übersetzt) ist einer der zentralen Geheimdienste Israels. Er ist für die innere Sicherheit des Landes verantwortlich.


Quelle: The Duran
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus