«Antifa» im deutschen Mainstream?

So kann das Land nicht zur Ruhe kommen
von Karl Müller
02. August 2018
Warum der neue westliche «Antifaschismus» nur wenig mit dem Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus zu tun hat.

Angela Merkel, so war in einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 21. Juli über die «Sommerpressekonferenz» der deutschen Kanzlerin zu lesen, sorgt sich um die politische Kultur in Deutschland. Sie wolle «ihre restliche Regierungszeit nutzen, um sich für andere, sanftere Umgangsformen einzusetzen». Die sozialen Netzwerke hätten «die ­politische Kultur nachhaltig verändert», es gebe einen «Prozess der Verwahrlosung», und den könne man nur aufhalten, «indem man mit gutem Beispiel vorangehe».

Auf den ersten Blick möchte man der deutschen Kanzlerin zustimmen. Aber dann kommt man ins Nachdenken: Was genau meint die Kanzlerin? Welchen Anteil hat die Politik der Kanzlerin an der von ihr nun kritisierten Entwicklung? Und wie geht die Kanzlerin selbst mit Kritik an ihrer Politik um?

«Schafft die Nationalstaaten ab!»

Bis heute umgibt sich die deutsche Kanzlerin und umgeben die ihr dienenden Kräfte innerhalb und ausserhalb des Landes die deutsche Regierungspolitik mit der Aura der «Alternativlosigkeit». Das hat fatale Folgen für die Demokratie gehabt. Andere Analysen und Meinungen galten nicht mehr als Alternativen, sondern als von vornherein falsch und keinesfalls gleichberechtigt. ­Politik als «alternativlos» zu bezeichnen, tötet die demokratische Debatte ab und erinnert doch recht deutlich an ein Lied der ehemaligen SED: «Die Partei, die Partei, die hat immer recht …» Als besonders «alternativlos» galt und gilt die Auflösung souveräner europäischer Nationalstaaten und die «Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union».

So widmete selbst die Schweizer «Neue Zürcher Zeitung» am 7. Juli dem Projekt der Ausrufung einer «Republik Europa» einen sehr wohlwollenden Artikel und eine ganze Zeitungsseite … und titelte mit einem Zitat der Protagonisten: «Schafft die Nationalstaaten ab!»

Die Menschen sind misstrauisch geworden

Der Erfolg und die Verbreitung sogenannter «alternativer Medien» hat nicht zuletzt damit etwas zu tun, dass sich immer weniger Menschen in den sogenannten «Mainstream-Medien» verstanden und vertreten sehen. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass diese «Mainstream-Medien» wie gleichgeschaltet berichten und kommentieren   – am Bürger vorbei. Das hat immer mehr Menschen misstrauisch gemacht und nach Alternativen suchen lassen.

Die schärfste Waffe im Kampf gegen Alternativen

Die schärfste Waffe der Regierungspolitik im Kampf gegen Alternativen ist der Griff in die Kiste des «Antifaschismus». Das ist im Prinzip nichts Neues. Schon 1994 veröffentlichte der damalige Bonner Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter das Buch «Die Faschismus-Keule. Das letzte Aufgebot der deutschen Linken». Das «letzte Aufgebot der deutschen Linken» hat heute allerdings den Mainstream und Regierungsbänke erreicht. Dafür gibt es viele Hinweise und Belege. Das geht so weit, dass im regierungsamtlichen «Kampf gegen rechts» staatliche Gelder an extremistische Antifa-Gruppen fliessen. Die ­Politik der Regierung ist geradezu paradox   – oder aber auch nicht, sondern mit voller Absicht so konstruiert. Da fliessen auf der einen Seite staatliche Gelder an die Antifa, auf der anderen Seite weist das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinen Jahresberichten bis heute auf die Gefährlichkeit des «Antifaschismus» hin.
So heisst es im neusten Bericht über das Berichtsjahr 2017 (Stand: Juli 2018) unter der Überschrift «Antifaschismus»:
«Aus linksextremistischer Sicht hat der ‹Faschismus› seine Wurzeln im ‹Kapitalismus›. Der Kampf gegen Rechtsextremismus gilt vor diesem Hintergrund nur dann als ausreichend und zielführend, wenn er die vermeintlichen gesellschaftlichen Voraussetzungen mit in den Fokus rückt und angreift. ‹Antifaschismus› sei deshalb auch immer ‹Kampf gegen das kapitalistische System› und seine Unterstützer und damit mehr als der blosse Kampf gegen Rechtsextremismus.
In einem Aufruf zu einer Demonstration gegen ‹Nazis› wird diese Haltung deutlich: ‹Der Kampf gegen den Faschismus ist auch der Kampf der Unterdrückten gegen die herrschende Klasse. Dessen Zerschlagung kann nur durch das Überwinden des kapitalistischen Systems erreicht werden.› (Homepage ‹Antifaschistische Aktion Karlsruhe›, 2. März 2017)»

Antifa: Gewalttätiger Kampf gegen die bürgerliche Demokratie

Weiter unten heisst es: «Linksextremisten suchen vornehmlich die direkte Konfrontation mit ‹Faschisten› auf der Strasse und scheuen auch nicht vor körperlichen Angriffen zurück.» Dann folgt ein Zitat: «‹Militanter Antifaschismus bleibt notwendig und kann gar nicht oft genug praktiziert werden.› (Internetplattform ‹linksunten.indymedia›, 16. Januar 2017)»
Mit anderen Worten: Der gewalttätige Kampf der Antifa gegen den «Faschismus» ist ein gewalttätiger Kampf gegen bürgerliche Werte und die bürgerliche Demokratie, ein Kampf gegen den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.

Madeleine Albright warnt nun auch vor dem Faschismus

Den «Kampf gegen rechts» führt jetzt auch die ehemalige US-amerikanische Aussenministerin aus der Partei Clintons und Oba­mas, Madeleine Albright. Ihr Mitte Juli 2018 in deutscher Übersetzung erschienenes und im deutschsprachigen Raum (auch in der Schweiz) sehr umworbenes Buch trägt den Titel «Faschismus. Eine Warnung». Das «St. Galler Tagblatt» veröffentlichte am 20. Juli ein langes Interview mit Frau Al­bright, die dort ihre Überlegungen darlegen konnte. Frau Albright sieht eine faschistische Gefahr nicht nur in irgendwelchen politischen Splittergruppen   – die es tatsächlich gibt   –, sondern auch in der Politik von ihr unliebsamen Regierungen.

Eine wissenschaftlich angemessene systematische und geschichtliche Analyse zum Faschismus fehlt. Das Buch politisiert vor allem. Es geht gegen Donald Trump, Wladimir Putin und Nordkorea. Gegen europäische Regierungen, die wieder mehr nationale Souveränität fordern. Gegen Kritik an den Mainstream-Medien und gegen Kritik an der Migrationspolitik der deutschen Kanzlerin (und den dahinter stehenden politischen Kräften). Nicht alles davon sei schon Faschismus, sagt Albright. Aber der Weg in den Faschismus würde beschritten. Deshalb müsse sie warnen.

Madeleine Albright, Joseph Fischer und Angela Merkel

Madeleine Albright ist eine Gesinnungsgefährtin von Angela Merkel. Und von Joseph Fischer, dem ehemaligen Grünen-­Politiker und deutschen Aussenminister. Wie viele andere US-Politiker der Kriegsfraktion ist sie voll des Lobes für Deutschland: «Ich denke, dass Deutschland eine Schlüsselrolle im ­positiven Sinne gespielt hat in der Entwicklung des Nachkriegseuropas.» Dann: «Ich möchte sagen, einer derjenigen, die ich am meisten respektiere, einer meiner besten Freunde, ist Joschka Fischer. […] Seine Revolte gegenüber dem, was Faschismus war und bedeutete, seine Warnungen, seine Glaubwürdigkeit in bezug auf den Balkan, als er aufforderte, etwas zu tun: Wir dürfen Auschwitz nicht noch einmal zulassen. Er hat eine grosse Rolle damals gespielt.» Und einen Satz weiter: «Deutschlands Rolle ist wichtig. Kanzlerin Merkel ist jemand, der eine bedeutende Stimme hat.»

Wer ist Frau Albright?

Zur Erinnerung: Madeleine Albright und ­Joseph Fischer waren 1998 und 1999 die ­politischen Hauptakteure in der Vorbereitung und Durchführung des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Nato gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Sie sind verantwortlich für mehr als 2000 unmittelbare Kriegstote, die Zerstörung eines Landes mitten in Europa und bislang nicht gezählte Opfer des Einsatzes radioaktiver Waffensysteme. Albrights und Fischers «Antifaschismus» war (und ist) mörderisch.

In Erinnerung rufen muss man auch die Antwort von Frau Albright auf die Frage, ob die nach 1991 verhängten jahrelangen Sanktionen gegen den Irak zu rechtfertigen seien   – in Anbetracht einer halben Million Kinder, die an den Folgen dieser Sanktionen gestorben sind. Albright antwortete, diesen Preis sei es wert gewesen.

Frau Merkel ist unglaubwürdig

Sicher ist: Solange Alternativen zur bisherigen Politik der USA sowie der EU und ihrer Staaten unter den Faschismus-Verdacht gestellt werden   – und dann auch noch von Politikern, die selbst der Gewaltpolitik das Wort reden und sie betreiben   –, wird Angela Merkels Anliegen, das sie auf ihrer «Sommerpressekonferenz» geäussert hat, wie Hohn klingen. «Wer selbst im Glashaus sitzt …» wird man zurecht entgegnen. Frau Merkel ist unglaubwürdig.

Nur wenn sie sich als Kanzlerin tatsächlich dafür einsetzen würde, dass es wieder einen demokratischen Diskurs in Deutschland gibt, dass viele verschiedene politische Meinungen Recht auf Achtung und gleichberechtigten Umgang haben, dass das Sachargument zählt und nicht die Polemik, dass der andere Mensch als denkender Bürger respektiert und geschätzt wird … nur dann kann es besser werden.

Eine moderne deutsche Kurzgeschichte erzählt, wie einem Mann gekündigt wurde und niemand im Betrieb   – weder Personalchef noch Vorgesetzter noch Betriebsrat   – Gründe nennen und die Verantwortung dafür übernehmen wollte und alle Verantwortung auf einen Computer geschoben wurde. In seiner Ratlosigkeit und Verzweiflung über seine Arbeitslosigkeit schlägt der Mann nach ein paar Wochen mit einem Hammer auf den Computer ein   – sicher keine Lösung. Aber wie ist das Verhalten von Personalchef und Vorgesetztem zu beurteilen, über die es am Ende der Kurzgeschichte heisst: «‹Wie gut wir daran taten, ihn zu entlassen›, meinte der Personalchef, als er sich darüber mit den früheren Vorgesetzten des Mannes unterhielt. ‹Sich wegen einer Kündigung so aufzuregen.›»   

Quelle: https://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2018/nr-18-31-juli-2018/antifa-im-deutschen-mainstream.html

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