Norbert Häring
14. 06. 2024 | Die Berliner Zeitung berichtet nun am konkreten Fall, wie die deutsche Regierung zulässt, dass die Militärpropagandisten der Ukraine massiven Druck auf das ZDF ausüben, damit dieses nicht aus den russisch besetzten Gebieten berichtet und das Narrativ der Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland respektiert.
Die Berliner Zeitung veröffentlichte am 8. Juni einen sehr lesenswerten Bericht über massive Angriffe der Ukraine gegen das ZDF, weil dieses Ende Januar einen Vor-Ort-Bericht des Chefs seines Moskauer Büros aus der russisch besetzten Stadt Mariupol gesendet hatte. Darin wurde von der erzwungenen Russifizierung der Stadt berichtet, aber auch von instensiven Wiederaufbaubemühungen. Letzteres widersprach dem Tenor der ukrainsichen Kriegspropaganda. In den deutschen Medien ging daraufhin ein Sturm der Entrüstung gegen das ZDF los.
Zeuge der Anklage in mehreren großen Medien war Sergej Sumlenny, der 2022 in Reaktion auf den russischen Angriff das European Resilience Initiative Center gegründet hat, für das unter anderem eine Reihe ehemaliger Militärangehöriger der USA, der Ukraine und Österreichs tätig sind. Er wird zitiert mit Beschimpfungen des ZDF-Journalisten wie:
„Ist Ihnen klar, dass Ihr Moskauer Korrespondent praktisch ein kleiner Helfer Putins ist? Diese Person hat nie in der Region gearbeitet, kennt keine Landessprache, hat keine Erfahrung mit der Arbeit im Krieg. Er ist für diesen Job nicht qualifiziert. Entfernen Sie ihn (und seinen Vorgesetzten).“
Das Militär interveniert offen
Fast niemand verteidigt das ZDF und dessen Moskauer Bürochef, erst Recht niemand von der Regierung. Es wird sogar noch schlimmer. Die Berliner Zeitung berichtet:
„Monate später, am 9. April, greift das ukrainische „Center for Countering Disinformation“ (CCD) in einem Post auf Telegram das Thema erneut auf. Das CCD ist eine offizielle ukrainische Behörde, die dem Nationalen Sicherheitsrat des Landes zugeordnet ist. (…) In dem Telegram-Post heißt es: „Eine der wichtigsten Plattformen zur Verbreitung von russischer Propaganda in Deutschland ist der TV-Kanal des ZDF. Der Kanal sendet regelmäßig Programme aus Russland und den besetzten Gebieten der Ukraine und verbreitet Narrative des Feindes.“
Dann widmet sich das CCD Armin Coerper persönlich: Russland „benutze“ westliche Journalisten, um die Legitimität seiner Besetzung von Teilen der Ukraine zu „legitimieren“. Unter einem Foto von Coerper schreibt das CCD: „Zu diesem Zweck ,heuert‘ der Kreml westliche Journalisten an, meistens mit weit rechts stehenden (far-right) Ansichten.“ (…)
Das CCD hat noch einen weiteren Artikel des ZDF gefunden, mit dem es zu belegen sucht, dass der Sender ein Sprachrohr des Kremls sei. Das CCD schreibt auf Telegram: „Im März 2024 publizierte die Website des ZDF einen Artikel ,Stabile Wirtschaft in Russland unterstützt Putin‘, welcher Narrative verbreitet über die ,Ineffektivität der westlichen Sanktionen‘ und den ,machtvollen Anschub für die Wirtschaft‘ durch den Krieg gegen die Ukraine.“
Obwohl Deutschland die Ukraine mit Waffen und vielen Milliarden Euro unterstützt, lässt die Bundesregierung diese ungeheuerlichen Angriffe der ukrainischen Regierung gegen die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland öffentlich unwidersprochen. Doch es ist noch viel schlimmer.
Finanziert von der EU reist ebenfalls Anfang April ein Team des CCD nach Berlin, wo die Delegation „mit Vertretern von Regierungsinstitutionen zusammentraf, die für Medienkompetenz und Bekämpfung von Desinformation zuständig sind“. Sie dürfen Vertretern der Bundesregierung die Unzufriedenheit der Ukrainer mit deutschen Medien vortragen und die Regierungsvertreter diskutieren mit dem CCD das (unbotmäßige) Verhalten des ZDF. Aus dem Heimatministerium (BMI) erfuhr die Berliner Zeitung, dass an dem Treffen Mitarbeitende teilgenommen haben, „die sich mit den Themen hybride Bedrohungen einschließlich Desinformation sowie Cybersicherheit und entsprechenden Ukraine-bezogenen Fragen befassen.“ Mit anderen Worten: Es war ein Treffen von Experten für kognitive Kriegsführung der deutschen und ukrainischen Regierung, die sich da über das ZDF unterhielten. Das ZDF war nicht über das Treffen informiert und wurde offenbar auch danach nicht informiert.
Die Berichte der Ukrainer und des Heimatministeriums über die für die Zukunft vereinbarte Zusammenarbeit unterscheiden sich laut dem Bericht der Berliner Zeitung im Tenor:
„Das CCD berichtet, man habe mit BMI-Vertretern „Fragen der aktuellen und zukünftigen Zusammenarbeit, des gegenseitigen Informationsaustauschs, internationaler Standards für die Überwachung und Analyse von Informationen sowie der gesetzgeberischen Unterstützung bei der Bekämpfung von Desinformation und schädlichem Informationseinfluss erörtert.“ Es sei vereinbart worden, „Konsultationen auf operativer Ebene durchzuführen, die dazu beitragen werden, die Reaktionsgeschwindigkeit auf aktuelle Bedrohungen zu verbessern und gemeinsame Mechanismen zur Widerstandsfähigkeit gegen feindlichen Informationseinfluss zu entwickeln“. Das BMI hält dazu fest: „Bei dem Treffen wurden keine konkreten Vereinbarungen getroffen. Es wurde lediglich beschlossen, in Kontakt zu bleiben.“
Noch verräterischer ist die ausweichende Antwort des Auswärtigen Amts auf die Frage, ob man tatsächlich gemeinsam mit dem CCD die deutschen Medien überprüfen wolle. Die Berliner Zeitung schreibt:
„Die „Kollegen des Auswärtigen Amtes“ zeigten sich offenbar besonders hilfsbereit. Sie „stellten Werkzeuge zur Analyse des Informationsraums vor und informierten über die Mittel zur Bekämpfung von Informationsbedrohungen“. Das CCD weiter: „Die Parteien tauschten Erfahrungen aus und einigten sich darauf, einen Algorithmus für den kontinuierlichen Informationsaustausch und Dialog auf operativer Ebene zu entwickeln.“ Auf die Frage, ob das Auswärtige Amt mit dem ukrainischen Zentrum zusammenarbeite, um deutsche Medien zu überprüfen, gab es aus dem Amt keine Bestätigung, aber auch kein ausdrückliches Dementi. (…) Das Zentrum ist jedenfalls zufrieden mit der Reise nach Berlin und zieht ein positives Fazit: „Der Studienbesuch in Deutschland wird dazu beitragen, einen wirksamen Widerstand gegen den Feind im Informationskrieg sicherzustellen.“ „
Fazit
Eine dem Nationalen Sicherheitsrat der Ukraine unterstellte Behörde zur kognitiven Kriegsführung fährt eine massive Einschüchterungskampagne gegen den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Trotzdem treffen sich deutsche Regierungsvertreter in Berlin mit den Hetzern gegen die Rundfunkfreiheit und besprechen, wie man gemeinsam im Informationskrieg mit Russland (in Deutschland) die Oberhand behalten kann. Mehr als die nicht nachprüfbare Behauptung eines Ministeriumssprechers, man habe hinter verschlossenen Türen den deutschen Rundfunk in Schutz genommen, gibt es nicht an Verteidigung des ZDF gegen die ungeheuerlichen Angriffe der ukrainischen Militärpropaganda. Das zeigt sehr deutlich, wo die Prioritäten liegen, wenn es gilt, die Interessen der Militärs und die Presse, Rundfunk- und Meinungsfreiheit gegeneinander abzuwägen.
Die Interessen der Militärs gehen dabei weit über das im engen Sinne Militärische hinaus. Die umfassende Digitalisierung aller Lebensbereiche gehört dazu, weshalb hier wenig Dissens geduldet wird. Auch alles, was geeignet ist, die Autorität einer Regierung im kognitiven Kriegsmodus zu untergraben, gilt als Waffe des Gegners im Krieg um die Köpfe und ist damit aus militärischer Sicht zu bekämpfen. Hier liegt der tiefere Grund dafür, dass der deutsche sogenannte Verfassungsschutz das Delikt der Delegitimierung des Staates erfunden hat und auch auf regierungskritische Journalisten anwendet. Und die Gegenseite, derzeit vor allem in Moskau, kämpft natürlich denselben Kampf gegen abweichende Meinungen und Informationen, die geeignet sind, ihre Autorität zu schwächen, mit vielleicht nicht ganz so ausgefeilten, dafür aber um so ruppigeren Methoden .
Berichte und Mutmaßungen über solche Zusammenhänge sind den Militärs mutmaßlich gar nicht recht. Vielleicht ist das eine Ursache dafür, dass Facebook seit mindestens zwei Monaten routinemäßig Posts zensiert, die meine Blogbeiträge verbreiten und dass ich mutmaßlich von X mit einem sogenannten Shadowban belegt wurde. Von Januar bis Mai sind die monatlichen Besucherzahlen meines Blogs laut „Semrush“ beständig von 448.000 auf knapp über 227.000 gesunken. Meine Followerzahlen auf X sind relativ flott von 12.000 auf 25.000 gestiegen, sind aber seit etwa eineinhalb Jahren auf diesem Nivau wie festgetackert. Wenn ich dem etwas Positives abgewinnen möchte, würde ich sagen: Viel Feind, viel Ehr. Mir geht es aber nicht um die Befriedigung einer Freude am Streiten. Ich meine nur, die Menschen sollten erfahren, wer bestimmt, was sie lesen, hören und sehen dürfen, und was nicht.