“Es geht heute um die Frage von Krieg und Frieden!”

Offener Brief an den Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern von Hans Fricke (83)
26. November 2014
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, als Bürger unseres Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern verfolge ich mit besonderer Aufmerksamkeit Ihre nunmehr bereits jahrelangen Bemühungen, sich gegen die unsachliche und ideologisch motivierte Diskussion über den „Unrechtsstaat DDR“ zu wenden und mehr Sachlichkeit und Ehrlichkeit einzufordern.

Sogar DIE WELT musste Ihnen kürzlich ein weiteres Mal bescheinigen: „Kein anderer Ministerpräsident eines Ostlandes legt sich so leidenschaftlich und beharrlich mit seinen Mitmenschen an, wenn es um die Verteidigung ostdeutscher Befindlichkeiten geht   – im Speziellen: um historische Befindlichkeiten.

Auch am Vorabend des 25. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer gaben Sie sich unbeirrt und erklärten: „Ich bleibe bei meiner Meinung.“ Natürlich hat es in der DDR schweres staatliches Unrecht gegeben. Aber es gab auch Millionen Menschen, „die weder Täter noch Opfer waren, sondern unter oft schwierigen Bedingungen viel Gutes geleistet haben. Diese Leistungen verdienen Anerkennung und Respekt. Sie sollten nicht abqualifiziert werden mit einem Begriff, der keine Differenzierung des Lebens in der DDR zulässt.“

Schweres staatliches Unrecht gab es, wie Sie aus Ihrer Tätigkeit als Jurist und Richter in der BRD zweifellos auch wissen, nicht nur in der DDR, sondern auch in der BRD. Noch immer zählt die politische Verfolgung von Kommunisten und Menschen dieses Umfelds in den 50er und 60er Jahren zu den Tabu-Themen der Bundesrepublik.

Weit über 200 000 meist schon von den Nazis Verfolgte wurden vor und nach dem KPD-Verbot von 1956 durch Ermittlungen von schwerwiegenden und nachhaltigen strafrechtlichen und sozialen Folgen betroffen. Mit Hilfe von Verleumdungen und Unterstellungen wurden sie isoliert, auf diesem Wege aus dem gesellschaftlichen Leben verdrängt, wurden sie und ihre Familien Opfer wirtschaftlicher Repressionsmittel.

Auch was die fehlende Rechtsstaatlichkeit nach der Einheit betrifft, können sich noch viele frühere DDR-Bürger beispielsweise an die öffentlich Erklärung eines Ihrer Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten unseres Bundeslandes, Bernt Seite (CDU), von 1993 erinnern, ohne dass ihn Bundeskanzler Helmut Kohl auf den Boden eines zivilisierten Umgangs mit seinen Mitmenschen zurückholte, er werde „mit dem Flammenwerfer“ das Land nach „roten Socken durchkämmen, jeden Winkel ausräuchern“ und sein Wirtschaftsminister gleichzeitig beklagte, dass „die Revolution in der DDR nur so verdammt friedlich“ war.

Viele fragten sich damals besorgt, in wessen Auftrag und mit welchem Ziel eine so feindliche und aggressive, nahezu an Progromstimmung erinnernde Atmosphäre geschaffen wurde.

Dass Sie, Herr Ministerpräsident, sich mit Ihrem Standpunkt zur DDR und zum Leben ihrer Bürger im Widerspruch mit alle jenen Befinden, die nach wie vor geringschätzig auf Ostdeutschland blicken, verwundert ebenso wenig wie die Tatsache, dass es im Kreis Ihrer Ministerpräsidenten-Kollegen immer dann einsam um sie wird, wenn die sogenannte Unrechtsstaat-Debatte aufflammt.

Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass die Zustimmung der überwiegenden Mehrzahl der früheren DDR-Bürger zu Ihrem Standpunkt ungebrochen ist und sie dankbar registriert, dass Sie nicht müde werden, sich vor sie zu stellen und ihr Leben und ihre Arbeit in der DDR zu verteidigen.

Schließlich müssen auch Ihre Widersacher auf diesem Gebiet eingestehen, dass Ihre Beliebtheitswerte in Mecklenburg-Vorpommern stabil sind. Ich selbst habe bereits mehrere Male Ihr Auftreten in der Unrechtsstaats-Debatte zum Anlass genommen, um Ihnen meine Zustimmung zu signalisieren und Ihnen in dieser Frage den Rücken zu stärken.

Wenn ich den Entschluss gefasst habe, mich mit diesem Brief erneut an Sie persönlich zu wenden, dann geht es um weit mehr, als um ostdeutsche Befindlichkeiten:

es geht heute um die Frage Krieg oder Frieden!

Ich, der aus eigenem Erleben weiß, was Krieg bedeutet, bitte Sie und erwarte von Ihnen als unseren Ministerpräsidenten, dass Sie als führender Politiker der SPD Ihren ganzen Einfluss geltend machen, um die Kräfte in Deutschland rechtzeitig in die Schranken zu weisen, die glauben, die Entwicklung in der Ukraine nutzen zu können, um Russland in einen Krieg zu ziehen und es auf diesem Wege in die Knie zu zwingen.

Wer diese Kräfte sind, wie sie dabei vorgehen und wie gefährlich ihr Tun auch für uns Deutsche ist, geht nach meinem Dafürhalten aus dem Offenen Brief von Karl-Jürgen Müller, Lehrer aus Konstanz, vom 18. November 2014 an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel, hervor, den ich mir erlaube, Ihnen als Anlage zur Kenntnis zu geben. Kommen Sie zur Wahrheit, Frau Merkel!

Wer sehen will, der kann unmöglich übersehen, dass imperialistische Staaten das Völkerrecht laufend zur Durchsetzung ökonomischer Interessen brechen.

Der Lehrer von Beruf aus Konstanz spricht in seinem Brief an die Bundeskanzlerin nach meiner Erfahrung aus, was viele Menschen nicht nur in Deutschland denken, wenn sie hören, wie die angeblich „mächtigste Frau der Welt“ gegen Russland und Präsident Wladimir Putin hetzt. Sowohl der Wortlaut von Merkels Rede in Sydney als auch die begeisterten Reaktionen in NATO-Medien machen deutlich, dass sie keineswegs „mächtig“ und verantwortungsbewusst agiert, sondern sich erneut als Befehlsempfänger Washingtons entlarvt.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger stellen sich nicht erst seit heute die Frage, welche Gründe es für die kaum noch zu überbietende schonende Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber den Kriegsverbrechen der USA und ihrer permanenten Missachtung internationalen Rechts gibt und woher die schon peinlich wirkende Vasallentreue von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber der aggressiven US-Politik, auch unter Obama , kommt.

Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt: Egal, welche friedensgefährdenden Pläne in Washington auch geboren werden, ihre Urheber können sicher sein, bei der deutschen Bundesregierung Zustimmung und willfährige Unterstützung zu finden. Dass Entscheidungen der US-Regierung, die nachweisbar nationalen deutschen Interessen schaden, weder von Politikern noch von Massenmedien der BRD thematisiert werden, hat gewichtige Gründe, über die die Bevölkerung seit Jahrzehnten in Unwissenheit gehalten wird.

Bitte erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang folgenden Hinweis:
Generalmajor a.D. Gerd-Helmut Komossa gibt in seinem 2007 in Österreich(!) erschienenen Buch „Die deutsche Karte   – Das verdeckte Spiel der geheimen Dienste   – Ein Amtschef des MAD berichtet“ dazu aufschlussreiche Informationen, die erklären können, warum deutsche Politiker so amerikahörig sind und weshalb über manche Sachverhalte und Zusammenhänge in den Medien strengstes Stillschweigen herrscht (Gert H. Komossa, die deutsche Karte, Graz 2007).

Als Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) von 1977 bis 1980 und späterer Kommandeur der 12. Panzerdivision gewährte Komossa einen erhellenden Blick hinter die Kulissen der Geheimpolitik und lässt den Leser von Sachverhalten wissen, von denen er eigentlich nichts wissen sollte.

Er schreibt: „Der Geheime Staatsvertrag vom 21.Mai 1949 wurde vom Bundesnachrichtendienst unter ‘Strengste Vertraulichkeit’ eingestuft. In ihm wurden grundlegende Vorbehalte der Sieger für die Souveränität der Bundesrepublik bis zum Jahr 2099(!) festgeschrieben, was heute wohl kaum jemand bewusst sein dürfte. Danach wurde zum einen der ‘Medienvorbehalt der alliierten Mächte über deutsche Zeitungs- und Rundfunkmedien’ bis zum Jahr 2099 fixiert. Zum anderen wurde geregelt, dass jeder Bundeskanzler Deutschlands vor Ablegung des Amtseides die sogenannte ‘Kanzlerakte’ zu unterschreiben hatte. Darüber hinaus bleiben die Goldreserven der Bundesrepublik durch die Alliierten gepfändet.“*

Deshalb entspricht auch der Artikel 7(2) des sogenannten 2 + 4 Vertrages: „Das vereinte Deutschland hat demgemäß seine volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten“ weder der Rechtslage noch der Realität.

Ein solch beruhigender Vertragswortlaut bedeutet für den normalverständigen Bürger, dass keinerlei Regelungen des früheren Besatzungsrechts mehr fortgelten können, die sich aus dem „Überleitungsvertrag“ in der Fassung vom 23.10.1954 ergeben. Dem ist aber nicht so, weil dieser Überleitungsvertrag und damit grundsätzliche Bestimmungen weiter, und das im weitesten Umfang, fortgelten.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bitte haben Sie Verständnis für diese dank Komossa mögliche Exkursion in Jahrzehnte bundesdeutscher Geschichte, aber mir, und nicht nur mir, ermöglicht sie eine Reihe von Antworten auf die in diesem Brief gestellten Fragen.

Die Meldungen der letzten Tage machen deutlich, dass die Bundeskanzlerin und die Union entschlossen sind, ihren gefährlichen Weg gegenüber der Entwicklung in der Ukraine und gegenüber Russland nicht nur fortzusetzen, sondern im engen Zusammenwirken mit der US-Regierung sogar noch zu forcieren.

Darum verdient auch der jüngste an Außenminister Frank-Walter Steinmeier gerichtete Vorwurf von CSU-Chef Horst Seehofer, dieser verfolge gegenüber Russland einen „brandgefährlichen Kurs“ und die SPD müsse klären, ob sie weiter den Kurs der Kanzlerin unterstütze, mehr, als dass der Vorsitzende Ihrer Partei und Vizekanzler Sigmar Gabriel sich am 24.11.2014 in „Süddeutsche de.“darüber lustig macht. Dazu ist die Lage zu ernst!

Auch die Antwort von Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Fraktion Die Linke, der dieser Tage gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Wolfgang Gehrke aus der Ukraine und Russland zurückgekehrt ist, auf die Frage: „Was kritisieren Sie an der Politik der deutschen Bundesregierung?“ verdient meines Erachtens von Ihrer Partei sehr ernst genommen zu werden.

Hier seine Antwort:

„Sie blendet die tatsächliche Lage weitgehend aus und sieht statt dessen die Kämpfe als im wesentlichen vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gesteuert an. Sie hat sich einer Art Realtätsverweigerung verschrieben…

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler (SPD) fordert genau wie wir, Aufklärung zu drei Ereignissen: zu den Todesschüssen am Maidan, zum Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa und zum Absturz des Flugzeugs MH17.
Er sieht die ukrainische Regierung in der Bringschuld.“…

Der stärkste Eindruck war für mich die tiefeVerbitterung der Menschen, die unter den Kriegshandlungen dort sehr gelitten haben. Etwa 600 000 sind nach Russland geflohen, 400 000 innerhalb der Ukraine.

Für sie ist eine Unterordnung unter Kiew nach dem, was sie erlebt haben, kaum vorstellbar. In ihren Augen haben im Donbass keineswegs durchgeknallte Rebellen mit Unterstützung Russlands die Macht übernommen. Viele beschreiben es so: Die ukrainische Armee hat den Donbass angegriffen, die Häuser zerschossen, 4.000 Menschen umgebracht.“

Im Donbass geht das Sterben der Zivilisten jenseits der Kiewer Politintrigen weiter. Am 24.11.2014 starben drei Bewohner eines Mehrfamilienhauses beim Einschlag einer Granate; am folgenden Tag kamen beim Beschuss eines Sammeltaxis weitere zwei Menschen ums Leben. Damit das so weitergeht, kündigte Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite bei einem Besuch in Kiew an, ihr Land werde die Ukraine mit Waffen beliefern.

Und getreu der Realitätsverweigerung der Bundesregierung rechtfertigen Journalisten im Auftrag ihrer Redaktionen rund um die Uhr die NATO-Politik gegenüber Ukraine und Russland und verdummen unsere Bevölkerung weiter.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Fricke (83, parteilos)
Mail: hansfricke@online.de

Buch Fricke

Hans Fricke ist Autor des 2010 im GNN-Verlag erschienenen Buches „eine feine Gesellschaft“; Jubiläumsjahre und ihr Tücken   – 1949 bis 2010“,
Preis 15.00 Euro,
ISBN 978-389819-341-2;
GNN-Verlag Buchversand,
Badeweg 1, D-04435 Schkeuditz.
Siehe: „Eine feine Gesellschaft   – Jubiläumsjahre und ihre Tücken“ Hans Fricke

*Nachtrag seniora.org

Gerd-Helmut Komossa
DIE DEUTSCHE KARTE
Das verdeckte Spiel der geheimen Dienste. Ein Amtschef des MAD berichtet
ISBN 978-3-902475-34-3
Preis: € 19,90 / sfr 35,40
216 Seiten, zahlr. S/W-Abbildungen, 15 x 23 cm, Hardcover

Der Amtschef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) berichtet.
Erinnerungen aus dem Umfeld der Geheimdienste müssen fast immer genausoviel verschweigen, wie sie verraten. Dennoch sind Komossas Memoiren spannend genug. Der seit 1956 in der Bundeswehr tätige Offizier wurde unter dem sozialdemokratischen Verteidigungsminister Georg Leber Amtschef des MAD und verstand sich immer als politisch denkender Soldat. Er liefert einen Blick hinter die Kulissen des Dienstes, in Arbeits- und Denkweise der Beteiligten. Über das Verhältnis zu Journalisten und Politiker wird ebenso berichtet wie über dasjenige zu anderen deutschen wie ausländischen Geheimdiensten.

Komossa beschreibt die Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Militärs. Auch die Rolle Deutschlands im NATO-Bündnis und die „deutsche Karte“ im Spiel der Mächte wird von Komossa einer ausführlichen Untersuchung unterzogen.

Kanzlerakte 0000

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