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Bonns Oberbürgermeisterin boykottiert Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Beschämend: Katja Dörner, Mitglied der Grünen, will sich „nicht instrumentalisieren lassen“
Offener Brief eines Bonner Bürgers an Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen)
23. Juni 2021
Wie an vielen Orten, hatten Aktive der Friedensbewegung auch in Bonn am 80. Jahrestag des Überfalls Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion eine Gedenkkundgebung organisiert. Sie hatten dazu auch die Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Bündnis 90/ Die Grünen") eingeladen, die zum Netzwerk „Mayors for Peace“ (Bürgermeister für den Frieden) gehört. Die Grüne Oberbürgermeisterin Dörner hatte eine Teilnahme abgelehnt. Sie hatte, laut Kundgebungs-Moderater Jens Koy zur Begründung ihrer Absage vorgebracht: "die Angst, sich angesichts der tagesaktuellen politischen Lage instrumentalisieren zu lassen". Ein Kundgebungsteilnehmer schrieb ihr diesen Brief:

An Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn
Frau Katja Dörner

Sehr geehrte Frau Dörner!

Heute Abend am 22.6.2021 wurde vor dem Alten Bonner Rathaus des barbarischen Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion vor achtzig Jahren gedacht. 27 Millionen Sowjetmenschen mussten in der Folge ihr Leben lassen. Mit Befremden habe ich von Ihrer Absage vernommen, an diesem Gedenken teilzunehmen. Auf Ihre Weisung hin nahm auch kein anderer Vertreter der Bundesstadt Bonn teil. Für mich ist Ihre Absage schäbig und lächerlich zugleich. 

Schäbig, da Sie sich weigern, diesen Millionen erbärmlich krepierter Menschen im Namen der Bonner Bürgerinnen und Bürger die gebührende Reverenz zu erweisen. Lächerlich, da Sie wohl eine tagespolitische Instrumentalisierung befürchteten. Die Instrumentalisierung, die die Nazis mit den Bürgern und Bürgerinnen der Sowjetunion betrieben, als sie diese zu Freiwild erklärten und jagten, scheint Ihnen bedeutungslos angesichts möglicher kritischer Stimmen, wenn sich die Bonner Mayor for Peace an dieser Friedensveranstaltung beteiligt hätte. 

Ich hänge Ihnen ein Foto eines toten sowjetischen MG-Schützen an (ToterSowjetSoldat.jpg), über dessen Kopf ein deutscher Soldat sein MG richtet. Dieses Toten habe ich heute gedacht. Die ältere Schwester meines Vaters, unverheiratet, wurde dienstverpflichtet und war eine Zeitlang in einem deutschen Soldatenheim bei Briansk eingesetzt. Hochbetagt erwähnte sie mir gegenüber, dort habe wochenlang schwarzer Rauch über dem Wald gestanden, und es habe verbrannt gerochen. "Jeder wusste doch, dort verbrennt die SS Juden", waren ihre Worte. Auch dieser Toten habe ich gedacht. 

Mein Vater war von der ersten Sekunde des Überfalls dabei. In seinen letzten Lebenssekunden hat er wild mit einer Maschinenpistole auf eine Gruppe von Sowjetsoldaten geschossen. Über diese Menschen wurde meiner Mutter nichts weiter berichtet, die meisten dürften den Abend nicht erlebt haben, die andern als Gefangene kaum die nächsten Wochen. Dieser Toten habe ich heute gedacht. 

Mein Stiefvater berichtete Jahre später, er habe einmal in der Ukraine fotografieren sollen, wie man jüdische Menschen, die auf den Ladeflächen von LKWn zusammengepfercht waren, lebendigen Leibes in einen Bergwerkschacht abkippte. Er hatte das abgelehnt. Auch dieser Toten gedachte ich. 

Mein Stiefvater war dreimal in Charkow. Beim dritten Mal hatte die SS die Balkone mit Gehängten "verziert", wie er sarkastisch und mit einem harten Zug um die Lippen sagte. Auch diese Toten schloss ich in mein Gedenken ein, und immer wieder die Angst, die Panik, die Schmerzens- und die Todeschreie dieser Menschen bedenkend. 

Ich habe hier viele erwähnt, und doch waren es nur wenige der unvorstellbar vielen 27 Millionen, die derart barbarisch ermordet wurden. Ich halte hier inne und verneige mich vor all denen, die so geschunden wurden.
 
Ich frage mich: Wo waren Sie heute Abend? Wo war die Repräsentantin der Bundesstadt Bonn, von wo aus wenige Jahre nach dem Ende der deutschen Barbarei die Remilitarisierung Westdeutschlands mit Verboten und Verhaftungen durchgesetzt wurde? Die Remilitarisierung sei notwendig, um eine angebliche Bedrohung durch die Sowjetunion abzublocken, wurde damals gesagt. Es war eine Lüge, und sie wird - abgewandelt - als russische Bedrohung heute wieder propagiert. Ihnen sollte bewusst sein, in welcher Tradition diese Lüge steht, der auch - leider - Ihre Partei schon zahlreiche "likes" erteilt hat; sogar die Bücheler Atombomben haben unter diesem Vorwand bereits ein grünes Like: 

Die Bedrohungslüge diente den Nazis als Vorwand für den Überfall auf die Sowjetunion. Ich belege dies mit einem Foto, das mein Vater heute Morgen vor 80 Jahren im Morgengrauen "geschossen" hatte (Vorstoss220641.jpg). Es wurde am 3.Juli 1941 in der Münchner Illustrierte Presse veröffentlicht und ist unterschrieben mit: "Vorstoß im Morgengrauen. Die Eisenbahnbrücke ist für den deutschen Vormarsch gesichert, nun geht Infanterie vor gegen den Feind, der so lange als unberechenbare Drohung an des Reiches Ostgrenze stand." 

"Russische Bedrohung" ist damals wie heute ein Propagandaprodukt. Einer Mayor for Peace hätte es gut angestanden, dem klar und offen entgegen zu treten, statt die Öffentlichkeit zu scheuen. Wie eingangs geschrieben: Ihr Fernbleiben war in meinen Augen schäbig.

Mit Grüßen
Wolf Göhring
Hoholzstr. 77
53229 Bonn
0228 430803

PS: Ich werde diese email auch meinen Freundinnen und Freunden in der Friedensbewegung zuleiten.
Zur Weiterverbreitung empfohlen.

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