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Change, Reform und Wandel  – Matthias Burchardt über das Alphabet der politischen Psychotechniken

Jens Wernicke
03. Juni 2015

Matthias Burchard

Matthias Burchardt

Matthias Burchardt ist Akademischer Rat am Institut für Bildungsphilosophie der Universität zu Köln sowie entschiedener Kritiker der Bildungsreformen im Namen von PISA und Bologna.

Zuletzt erschien von ihm das Buch "Ja? Nein? ... Jein! Kompass für den alltäglichen Gewissenskonflikt", das er zusammen mit Andrea Mayer und Nora Hespers geschrieben hat.

Herr Burchardt, von Ihnen war bisher vor allem anhand geistreicher Kritik an Bertelsmann und anderen Lobby-Akteuren im Bildungsbereich zu hören. Neuerdings konstatieren Sie aber eine Art "gefährlichen Gesinnungswandel" im Lande, bei dem es vor allem um die Veränderung von Begriffen wie etwa "Reform" oder "Wandel" geht. Wieso denn das? Eine Reform des Bankensystems täte doch dringend not   – und ein sinnvoller Wandel wäre das auch?

Matthias Burchardt: "Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die suggestive Sprache der neoliberalen Reformer und ihren Neusprech, der inzwischen viele Begriffe ihres vormaligen Inhaltes beraubt hat."

Naiverweise unterstellen wir nach wie vor, dass eine Reform dazu da sei, einen Missstand zu beseitigen oder einen Bereich des öffentlichen Lebens besser zu machen. Dabei spielen die Reformer bewusst auf den Fortschrittsgedanken der Aufklärung sowie das Zutrauen an, dass wir uns aus Fremdbestimmungen und Inhumanität befreien können, indem wir uns zu Subjekten unserer eigenen Geschichte aufschwingen. Doch im Unterschied zum emanzipatorischen Ansatz der Aufklärer werden die Menschen durch die "Reformen", welche auf den "Wandel" reagieren, nicht wirklich freier. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Sie sollen keine gestaltenden Subjekte des Politischen, sondern nur noch getriebene Objekte von konstruierten Sachzwängen sein.

Beiträge zu Alfred Adler und Friedrich Liebling