Kalte Kriegerinnen
Auf Krieg gebürstet: Staatssekretärin Pulli, Verteidigungsministerin Amherd, Ex-Ruag-Chefin Beck (v. l.). Bild: Montage der Weltwoche Vorlagen: VBS-DDPS, RUAG
Mehr weibliche Soldaten und Führungskräfte machen eine bessere Armee: Davon ist Verteidigungsministerin Viola Amherd bis heute überzeugt. Aus bürgerlich-feministischen Kreisen erhält die Verteidigungsministerin dafür Applaus. «Das ist richtig so», sagte Philosophin Katja Gentinetta 2021 in einem Gespräch mit Viola Amherd dazu.
Doch was ist von einer zunehmenden Feminisierung der Verteidigungs- und Aussenpolitik eigentlich zu halten? Bringen Frauen mehr Sicherheit und weniger Konflikte? Zweifel sind erlaubt. Mit Blick auf die Schweiz fällt auf: Es sind vor allem Frauen, die zuletzt mit bellizistischen Verhaltensweisen auf sich aufmerksam gemacht haben.
«Wir erwarten auch von China, dass sie im Bereich der Menschenrechte Fortschritte machen.»
Brigitte Beck, ehemalige CEO der Ruag, machte sich 2023 für die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in kriegsführende Länder wie die Ukraine stark, was gemäss Kriegsmaterialgesetz verboten ist. Die Sache flog Beck um die Ohren, und sie musste die bundeseigene Rüstungsschmiede verlassen.
Freude dürfte der Ruag nun der neuste Bericht der VBS-Studienkommission Sicherheitspolitik bereitet haben, in dem es heisst: «Das Wiederausfuhrverbot ist aufzuheben.» Verfasst hat den Bericht Katja Gentinetta (ehemals Avenir Suisse und Co-Moderatorin der Sendung «NZZ Standpunkte»), die auch die Leitung der Expertengruppe innehatte. Die Gruppe präsentierte jüngst im Auftrag des VBS Vorschläge für eine künftige Sicherheitspolitik (Weltwoche Nr. 35/24).
Die Resultate des Gentinetta-Berichts sind Wasser auf die Mühlen der Befürworter eines lockereren Kriegsmaterialgesetzes und ganz im Sinne Amherds, die entgegen dem Gesamtbundesrat mit einer Lockerung liebäugelt. Schon länger arbeiten Nato-nahe Kreise daran, die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern in kriegsführende Staaten wie die Ukraine zuzulassen, so auch im Parlament. Dort herrscht längst wieder eine Mentalität vor, wie man sie nur noch aus dem Kalten Krieg kennt. Und auch hier tun sich besonders Frauen hervor.
Moskau Krieg erklärt
An vorderster Front: Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller, die sich seit 2022 als glühende Anhängerin des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen Namen gemacht und diesen im Herbst 2022 einmal getroffen hat. Genauso wie Nationalratspräsidentin Irène Kälin, die bereits einige Monate zuvor dem Machthaber in Kiew einen Besuch abgestattet hatte.
Ständerätin Binder-Keller war treibende Kraft beim Ukraine-Armee-Deal, mit dem sie fünfzehn Milliarden Franken an der Schuldenbremse vorbeischleusen wollte. Rund zehn Milliarden in die Armee und fünf Milliarden in die Ukraine. Die Motion scheiterte jedoch. Unterstützung erhielt sie gleich von mehreren Frauen. Darunter Mitte-Nationalrätin Yvonne Bürgin, SP-Ständerätin Franziska Roth, Mitte-Ständerätin Andrea Gmür und SP-Nationalrätin Sarah Wyss. «Mit der Schuldenbremse schiesst man keine Raketen ab», sagte Binder-Keller, die auch rhetorisch aufmunitioniert hat.
Der jüngste Bericht der VBS-Studienkommission kommt zum Schluss, dass sich die Schweiz der Nato und der EU annähern sollte und die bisherige Neutralitätspolitik obsolet geworden sei. Gerade auch Frauen treiben just diese Anbindungspolitik besonders eifrig voran. Die Neutralität sei «moralisch und politisch problematisch geworden», schrieb VBS-Studienautorin Gentinetta schon 2023 und plädierte für mehr Unterstützung für Kiew.
Die Philosophin zeigte sich zudem besorgt angesichts der Gefahren, die durch totalitäre Staaten wie China lauern sollen. Und da ist sie in bester Gesellschaft mit Viola Amherd: «Wir erwarten auch von China, dass sie im Bereich der Menschenrechte Fortschritte machen», sagte die Wehrministerin im Gespräch mit Gentinetta 2021.
Mit solchen Aussagen befindet sich die VBS-Chefin in guter Gesellschaft mit den Vorzeigepolitikerinnen einer «feministischen Aussenpolitik», eine davon ist die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock. Seit 2022 ist sie zu einer regelrechten Kriegsministerin mutiert, die der Ukraine gar nicht genug Unterstützung leisten kann, schliesslich befinde sich Deutschland «im Krieg gegen Russland».
Baerbock, die sich gerne als moralische Schiedsrichterin aufspielt, fordert von allen möglichen Staaten, die Menschenrechte zu respektieren. Kern ihrer «feministischen Aussenpolitik» ist in erster Linie eine feministische Personalpolitik. Was zählt, sind möglichst viele Frauen im Amt – es ist eine Politik, die auch Amherd vorantreibt, die den Bestand der Frauen in der Armee deutlich erhöhen möchte.
Was diese Machtfrauen eint, ist eine gehörige Portion Moralismus und ein manichäisches Weltbild. Sie blicken auf die Welt mit einem Gut-Böse-Schema. Hier die «Guten», dort die «Bösen», hier die liberalen Demokratien, dort die Autokraten im Osten, die es zu bekämpfen gilt. Ausgestattet sind sie mit einer gehörigen Portion Opportunismus und dem steten Blick darauf, ihre eigene Karriere zu retten.
Ihre Entscheidungen richten sich nach dem Zeitgeist. Gestern standen Politikerinnen wie Baerbock und Co. noch für Frieden, heute propagieren sie das Aufrüsten und den Krieg gegen die Feinde des Westens ohne Ende. Vorangetrieben wird diese Politik etwa durch Kaja Kallas, die neue EU-Aussenbeauftragte, die von einer Zerschlagung Russlands träumt, und durch die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Letztere pflegt einen engen Austausch mit der Schweizer Wehrministerin.
Ein Shootingstar unter den feministischen Aussenpolitikerinnen war bis vor kurzem Sanna Marin, die Ex-Ministerpräsidentin Finnlands. Marin war es auch, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 einen raschen Nato-Beitritt Finnlands einleitete.
Finnische Fantasien
Finnische Nato-Gelüste sind auch in Bern omnipräsent. Die Finnin Pälvi Pulli zählt zu denjenigen Frauen, die mitunter den grössten Einfluss auf die Sicherheitspolitik Amherds in den letzten Jahren ausgeübt haben dürften. Pulli, bis 2023 Chefin Sicherheitspolitik im VBS und inzwischen die Nummer zwei im Staatssekretariat für Sicherheitspolitik (Sepos), ist eine Befürworterin der Nato-Anbindung und steht schon länger auf Kriegsfuss mit der Neutralität.
Diese sei heute «weniger wichtig» als noch im 20. Jahrhundert «für den nationalen Zusammenhalt» der Schweiz, schrieb Pulli in einer Publikation des Österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung im vergangenen Jahr. Geht es nach Pulli, kann die Schweiz gar nicht eng genug an die Nato heranrücken.
Was die Schweizer Bevölkerung will, scheint ihr nicht von grosser Bedeutung zu sein. Vielmehr interessiert sie, was innerhalb des Bündnisses gedacht wird. «Wie weit die Nato in der Kooperation mit der Schweiz zu gehen bereit ist, muss in Gesprächen mit der Allianz herausgefunden werden», meint Pulli.
Was diese Frauen eint, ist eine gehörige Portion Moralismus und ein manichäisches Weltbild.
Für die VBS-Spitze, die die eigene Armee in den letzten Jahren vernachlässigte, ist es inzwischen wichtiger, was in Brüssel und Washington gedacht wird. Brigitte Hauser-Süess, die wichtigste Beraterin Amherds und Frauenförderin, schottet die Wehrministerin mehr und mehr ab, heisst es von Kritikern. Dank ihrer Unterstützung, so hört man, sei es Amherd über die Jahre auch gelungen, sich in der harten Welt der Machos und Männer zu behaupten.
Nun jedoch hat die VBS-Spitze sich längst Eigenschaften zu eigen gemacht, die zuweilen als männlich gelten: mit einer einseitigen Verteidigungspolitik neue Feindbilder zu beschwören. Damit laufen Amherd und Co. Gefahr, den Blick fürs Ganze zu verlieren. Wer nur noch Beraterinnen Gehör schenkt, die einem nach dem Mund reden, der richtet sich in einem ideologischen Gefängnis ein. Höchste Zeit, aufzuwachen.
Quelle: https://weltwoche.ch/story/kalte-kriegerinnen/
Mit freundlicher Genehmigung von Weltwoche.ch
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