Die Vermittlung von Bildung als Bürgerrecht  – Die Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger

01. Oktober 2013

Die Vermittlung von Bildung als Bürgerrecht   – Die Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger

von Erika Vögeli

Die Schweizer Volksschule, aber auch die höheren Bildungseinrichtungen der tertiären Stufe, vor allem die Hochschulen, wurden in den letzten Jahren von unzähligen Reformen regelrecht umgepflügt.

Und weitere sollen folgen. Mittlerweile sehen viele kleinere mittelständische Betriebe von der Einstellung von Lehrlingen ab, weil die jungen Leute die persönlichen und schulischen Voraussetzungen für die Mitarbeit in einem Betrieb nicht mehr erfüllen. Andere haben sich darauf verlegt, eigene Aufnahmeprüfungen oder Tests durchzuführen, da die Zeugnisnoten der Schule für sie keine Aussagekraft mehr besitzen.

Die Einführung ständig neuer Methoden und Lehrmittel und eines administrativen Aufwandes, der vielerorts ein echtes pädagogisches Nachdenken verdrängt hat, haben die Schule zu einem Gebilde gemacht, das mit Recht nun mit der Finanzblase aus Schrottpapieren verglichen werden muss. Die Initiatoren   – USA, EU und OECD mit dem «Bertelsmann-Pflug» vorne dran   – freuen sich offensichtlich am Erfolg. Hinzu kommt eine immense Aufblähung «therapeutischer» Massnahmen   – in vielen Klassen ist neben dem Klassenlehrer eine ganze Reihe von Speziallehrern und Therapeuten beschäftigt. Entwickeln sich Kinder in dem einen oder andern Bereich etwas langsamer oder schneller, sehen sich Eltern sofort mit Fragen nach dieser oder jener Abklärung ihrer Kinder, mit Diagnosen und entsprechenden Spezialmassnahmen konfrontiert. Wenn sie Glück haben, kurven sie knapp an einer Ritalin-Verschreibung vorbei.

Viele und vor allem erfahrene Lehrer sind der Meinung, dass all diese Reformen nur dazu geführt haben, dass ein ruhiges Lernen im Klassenverband und die Bildung einer echten Klassengemeinschaft irgendwo von oben nicht mehr gewollt sind   – mit ehrlicher Begründung hat sich ja bislang niemand in ein Lehrerzimmer gewagt   –, mit allen Konsequenzen für die emotionale Seite von Schule und Lernen und für die Demokratie. Die erfahrenen Lehrer beklagen, dass die Kinder kein solides Grundwissen mehr erhalten und viel zuwenig auf das Berufsleben, geschweige denn auf ihre staatsbürgerliche Aufgabe in der Demokratie vorbereitet werden. Die angeblich wegen der Globalisierung für die Wirtschaft notwendigen «Reformen» dienen also der Realwirtschaft keineswegs, und sie versäumen eine der wichtigsten Aufgaben der Volksschule in einem demokratischen Staat: die Vermittlung von Bildung als Bürgerrecht und die Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger.

Auch an den Universitäten regt sich wohlbegründeter Widerstand sowohl von seiten der Dozenten als auch der Studenten. Anstelle eines breiten Grundlagenstudiums mit aufbauenden Spezialisierungen jagen Studenten nun Credit points nach. Ein Soziologieprofessor der Universität Zürich charakterisierte die Bologna-Reform in einem Interview ungeschminkt: «Es herrscht ­Bulimie-Lernen: reinfuttern, rauskotzen, vergessen.» Die Einschränkung des universitären Freiraumes für Forschung und Denken «reduziert die Uni zu einer Paukschule» und: «Die Lehre wurde auf den Mainstream verkürzt. Das Lehrpersonal ist gezwungen, das Wissen zu standardisieren und dann mit Multiple-Choice-Tests abzufragen.»1

Wie sind wir eigentlich dahingekommen?

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http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1586

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