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Der lamentable Zustand der Zürcher Schulpsychologie

Mein Brief an eine Journalistin des Tages-Anzeiger
Mit Jürg Forster sprach Liliane Minor
05. Dezember 2017

Von: Willy Wahl
Gesendet: Samstag, 2. Dezember 2017 23:23
An: 'Minor, Liliane', tages-anzeiger
Betreff: Ihr gutes Interview mit Herrn Forster

Grüezi Frau Minor,

Ihr interessantes Interview mit dem Schulpsychologen Jürg Forster hat mir gut gefallen, insbesondere weil Sie gute Fragen gestellt haben.

Die Antworten des erfahrenen (?) Psychologen zeugen allerdings von seiner grossen Unerfahrenheit an «Tiefenpsychologischer Menschenkenntnis». Wüsste er dazu mehr, wäre er nicht in der Lage, auf Ihre präzise Frage so locker über «die Einsamkeit» eines Jugendlichen hinwegzugehen und ihm auch noch als Hilfe (!) das Internet zu empfehlen. Sie haken sogar noch sehr präzise nach, aber der Schulpsychologe   – immerhin war Herr Forster 23 Jahre lang Leiter des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Zürich   – bleibt stur bei seiner Meinung.

Hier nachstehend eine kleine Sequenz aus Ihrem Interview* mit Herrn Forster:

Frage: «Soziale Medien und das Internet können Jugendlichen helfen, selbstständig zu werden?

Antwort: Ich denke schon. Jugendlichen, die eher einsam sind, kann das Internet auch helfen, Kontakte zu knüpfen.

Frage: Beschleunigt die Möglichkeit, virtuell zu kommunizieren, den Rückzug nicht noch zusätzlich?

Antwort: Das mag in Einzelfällen so sein, aber in der Regel würde ich das nicht so sehen.»

Zu Herrn Forsters Entlastung sei gesagt, dass er mit seiner falschen Meinung über die Natur des Menschen, mit dem vorwissenschaftlichen Menschenbild, wonach der Mensch IST   – er IST gut oder böse, er IST dumm oder gescheit   – nicht alleine dasteht. Irgendwo seien bei der menschlichen Psyche noch die Gene im Spiel, glaubt die psycho-logische Fachgemeinde. Wieviel Prozent aber und wo genau diese zum Tragen kommen, weiss man noch nicht. Nach dem Intelligenzgen wird noch gesucht. Der Mangel an profunder tiefenpsychologischer Menschenkenntnis kumuliert dann darin, dass «Fachleute» auf die gloriose Idee verfallen, Kindern mit ADHS-Diagnose Kapseln mit Omega3 Fischöl als «Hilfe» anzubieten.

Siehe:
http://www.lendenmann.org/arbeitsproben/sana/otx/otx_37/OTX37_29.pdf  

Das naturwissenschaftliche Menschenbild, wonach der Mensch in der Beziehung zu den Eltern WIRD, ist leider noch nicht Allgemeingut. Weder sind Gene beim WERDEN (Erlernen) des Charakters, noch beim WERDEN (Erlernen) der Intelligenz und ebenso wenig beim WERDEN (Erlernen) von Sprache im Spiel. Beim Spracherwerb ist es zwar den meisten Menschen einsichtig, dass kein Gen für Englisch, Spanisch, Russisch oder jede andere Sprache im Spiel ist, sondern dass der Homo sapiens dank seinem Grosshirn jede Sprache ERLERNEN kann. Züritütsch wird nun mal nicht vererbt, sondern schon ganz früh vom Kind gelernt, genau wie alles andere auch, was der Mensch später im Leben brauchen wird, um gut durch’s Leben zu kommen. Mit der Sprache lernt das Kind auch die Sitten und Gebräuche der Familie, der Umgebung und der Kultur, in der es aufwächst. Das ist auch gut so, weil diese Flexibilität dazu beigetragen hat, dass der Mensch sich im Laufe der Evolution an die ganz verschiedenen Lebensbedingungen auf unserem Planeten anpassen konnte.

Ein wenig Hoffnung auf Besserung beim psychologischen „Stochern im Nebel“ kommt auf beim Lesen über einen Hirnforscher, der Physik studiert hat: Heute im Tages-Anzeiger steht eine Aussage des wissenschaftlichen Direktors des Allen-Instituts für Gehirnforschung Dr. Christoph Koch: «Bewusstsein ist ein Produkt aus Evolution und eigener Erfahrung». Dr. Koch erforscht, wie Gefühle und Bewusstsein entstehen. Er will herausfinden, wie geistlose Atome und Moleküle im Gehirn subjektive Erfahrung hervorbringen können. Eine spannende Frage wie ich finde!

Dass diese Frage allerdings seit 100 Jahren   – seit Alfred Adler, René A. Spitz, Adolf Portmann u.a.   – bereits geklärt ist, hat sich leider noch nicht genügend herum gesprochen…
https://seniora.org/erziehung/die-soziale-natur-des-menschen/hirnforschung/bewusstseinsforscher-mit-nervenzellen-tattoo

Ich sende Ihnen zur eigenen Lektüre und auch zur Weitergabe an Ihre Wissenschafts-Redaktion den nachstehenden Text von Friedrich Liebling, worin u.a. das berufsethische Anforderungsprofil für den Psychologen profund beschrieben wird. Wie Sie wissen, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass in Zürich, dem Mekka der Psychologie, das wissenschaftliche Licht, das zu Zeiten Friedrich Lieblings «Psychologischer Lehr- und Beratungsstelle» geleuchtet hat, wieder Einzug hält.

Siehe:
http://beratungsstelle-fuer-lebensfragen.ch/literatur/psychologie/56-tiefenpsychologische-menschenkenntnis-2

Mit freundlichen Grüssen
Willy Wahl, Psychagoge
www.beratungsstelle-fuer-lebensfragen.ch
ERZIEHUNG ETHIK PSYCHOLOGIE

*Tages-Anzeiger, 2017-12-01: Jürg Forster hat 23 Jahre lang den Schulpsychologischen Dienst der Stadt Zürich geleitet. Seine Arbeit sei während dieser Zeit interessanter geworden, sagt er. Nun geht er in Pension.

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