Der Mensch – ein sozialer Egoist
Unsere Welt ist gekennzeichnet von Kriegen, Ausbeutung, Elend, Hunger und Folter. Liegen die Ursachen dafür in der Bösartigkeit des Menschen? Oder sind es andere Gründe, welche ein Zusammenleben der Menschen in Frieden und Freiheit verunmöglichen?
Die Autoren des vorliegenden Sammelbandes versuchen, eine Antwort auf diese Fragen zu geben, indem sie die Natur des Menschen beschreiben. Der Mensch wird als Ergebnis der natürlichen Evolution verstanden und deshalb mit naturwissenschaftlichen Methoden, ohne jegliche irrationale und mystische Überlegungen untersucht. Entscheidend für den Menschen sind seine soziale Natur und seine Lernfähigkeit. Da diese Faktoren durch eine unsachgemässe Erziehung, eine ungerechte Gesellschaftsordnung und eine vom mystischen Denken beeinflusste Kultur eingeschränkt und verunstaltet werden, ist unsere Welt in einem Zustand, der nicht als human bezeichnet werden kann.
Die landläufige Meinung über den Egoismus als Quell des Bösen im Menschen ist nur der philosophische Ausdruck jenes tragischen Missverständnisses der menschlichen Natur, welches den Geist und die Geschichte der christlich-abendländischen Kultur so verhängnisvoll prägte. Erst der Irrtum, man müsse den Menschen von Geburt an mit Gewalt zügeln, um ein sündiges, überhebliches Ich zu bändigen, bewirkte die Katastrophe unserer Weltgeschichte, deren Erbe bis zum heutigen Tage ein Meer von Blut und Tränen ist.
Spekulationen und Vorurteile in der Philosophie vom Menschen
Egoismus und Altruismus in der Umgangssprache
In der Sprache des Alltags pflegt man Menschen Egoisten zu nennen, die »immer nur an sich denken«. Wo der Egoist hinkommt, muss er im Mittelpunkt stehen. Alles versucht er an sich zu reissen. Nie bekommt er genug. Er kennt keine Rücksicht auf das Wohl und Weh anderer. Solche und ähnliche Haltungen werden als Egoismus angeprangert. Im Gegensatz dazu gilt die Gesinnung jener Menschen als vorbildlich, von denen es heisst, sie würden kaum je an sich denken, immer nur für andere da sein, sich stets selbst verleugnend aufopfern zum Wohl der anderen. Solche Menschen pflegt man Altruisten zu nennen, ihre Einstellung wird als Altruismus gelobt.
Worte haben ihre Geschichte
Die Begriffe »Egoismus« und »Altruismus« sind noch nicht sehr alt. Philosophen führten sie um die Mitte des 18. bzw. 19. Jahrhunderts in unser Sprachgut ein. Die Vorstellungen und Urteile aber, die man bald einmal durch diese Begriffe kennzeichnete, entsprechen einem jahrtausendealten Bild vom Menschen: ein Wesen im Spannungsfeld von Gut und Böse. Zwar bezeichnete der Philosoph Christian Wolff (1679-1754), der das Wort wohl als erster aus dem Französischen verdeutscht hatte1, mit »Egoismus« vorerst noch etwas anderes: die Behauptung gewisser Philosophen, nur das Ich und was es sich denkt sei Wirklichkeit – die ganze Aussenwelt sei bloss eine Vorstellung, ein Traum dieses Ich2.
Die Worte des Philosophen Kant
Aber bereits Immanuel Kant (1724-1804) brandmarkte den moralischen Egoisten als Menschen, »welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht als in dem, was ihm nützt, auch wohl als Eudämonist (Mensch, der nur nach Glückseligkeit strebt. UP) bloss im Nutzen und der eigenen Glückseligkeit, nicht in der Pflichtvorstellung, den obersten Bestimmungsgrad seines Willens setzt«3. Die von Kant so bestimmte, moralische Bedeutung des Wortes »Egoismus« hat sich in der philosophischen Fachsprache bald als alleinige durchgesetzt und ist von daher auch zum Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden. Immer häufiger wurde Egoismus mit Selbstsucht, Eigennutz und übertriebener Selbstliebe gleich gesetzt.
Der Egoismus als das Böse im Menschen
Diese Beurteilung und Verurteilung des menschlichen Egoismus ist ein Symptom des die christlich-abendländische Philosophie beherrschenden Menschenbildes. Man erahnte zwar den Zusammenhang des Egoismus mit dem Streben nach Selbsterhaltung. So erkannte Arthur Schopenhauer (1788-1860) zwar richtig: »Die Haupt-und Grundtriebfeder im Menschen, wie im Tier, ist der Egoismus, das heisst, der Drang zum Dasein und Wohlsein«4. Aber das Interesse des einzelnen Menschen wird letztlich immer wieder im Gegensatz zu den Interessen der anderen Menschen, der Gemeinschaft angesehen. Er will wo möglich Alles geniessen, Alles haben; da aber dies unmöglich ist, wenigstens Alles beherrschen: »Alles für mich und nichts für die Andern, ist sein Wahlspruch«. So wähnt man die selbstischen Strebungen der Menschen naturnotwendig in stetem Widerstreit. Egoismus kann also nur eine Untugend sein, »wo einer mit seinen Interessen die des anderen durchkreuzt: dann ist Egoismus geradezu der Name für die Rücksichtslosigkeit, mit der dies geschieht«5.
Die Todsünde der Selbstherrlichkeit
Das Menschenbild, das solchen Meinungen zugrunde liegt, entstammt dem Mythos der Erbsünde: Ich-sein, Selbst-sein sieht man in der Konsequenz als Keim zur Auflehnung gegen die höhere Macht, als gefährlichen Stachel wider die vom Menschen geforderte Demut und den Gehorsam vor seinem Schöpfer und dessen Stellvertretern. Da liegt die Wurzel der Verderbtheit der menschlichen Natur6, darum ist »des Menschen Herz zum Bösen geneigt von Jugend auf«7. »Die Sünde fing damit an, dass der Mensch... die Hand seines Schöpfers losliess... Er hatte es sich einflüstern lassen, dass er es viel besser haben würde, wenn er selbständig sei, sein eigener Herr... er will sein wie Gott. Er will durchaus nicht alles wahllos tun, was ihm etwa gefällt. Er will ernstlich unterscheiden zwischen gut und böse, aber er will es selbst tun. Er will gut sein, aber auf eigene Hand... er will immer die Selbstherrlichkeit«8.
Das geistige Erbe unserer Kultur
Das Denken des einfachen, ungebildeten Menschen, wie das des Gebildeten, ist von dieser Auffassung über den Menschen geprägt – zumeist auch dort, wo manche Denker und Forscher wähnen, überholte, primitive theologische Vorstellungen längst überwunden zu haben. Sei die Beschreibung der menschlichen Lebensbedingungen einfach und naiv oder in ausgeklügelter, philosophisch-scheinwissenschaftlicher Sprache vorgebracht: Der Mensch unserer Kultur sieht sich stets in eine Hierarchie, ein Oben und Unten gestellt, das ihm, in welcher Form auch immer, selbstverständlich, naturnotwendig erscheint. Für ihn bedeutet Ich-sein, letztlich Oben-sein, über den anderen stehen.
Auch zeitgenössische Psychologen lassen dieses Vorurteil in ihre Lehre vom Menschen einfliessen. So ist zwar für Philipp Lersch, der die unbestrittene Abstammung des Egoismus vom Selbsterhaltungstrieb aufzeigen möchte, der Egoismus »darauf gerichtet, Umwelt und Mitwelt für sich in Anspruch, in Besitz und Gebrauch zu nehmen und zu verbrauchen«. Aber dadurch glaubt er, die uneingeschränkten egoistischen Bestrebungen des einen Menschen müssten in einen Widerspruch zu denen des anderen kommen. Das egoistische Motto des »Für-sich-haben-Wollens« sieht Lersch »in Konkurrenz und Rivalität mit anderen«. Der Egoist will nicht nur leben, sondern »gut leben und besser leben als die anderen«9.
Das Gegenstück Zum bösen Egoismus
Aus der Meinung, der Egoismus des Menschen sei etwas Schlechtes, erwächst die Forderung, diese böse Macht mit »der moralischen Triebfeder zu bekämpfen«. Denn »die Ausschliessung der eigennützigen Motive im weitesten Sinne des Wortes«, meint der Philosoph Schopenhauer, ist gerade »das Eigentümliche und Charakteristische« jener menschlichen Verhaltensweisen, »denen man ... moralischen Wert zugesteht«10. Eine solche, den eigenen Egoismus überwindende oder zumindest zügelnde Haltung nannte der französische Philosoph Auguste Comte (1798-1857), der diesen Begriff wahrscheinlich erfunden hat, Altruismus. Er sah das Fundament der Sittlichkeit in der Unterordnung der egoistischen unter die altruistischen Funktionen11 des menschlichen Lebens.
Nenne man sie nun Altruismus, Selbstlosigkeit oder Nächstenliebe, die wirklich gemeinschaftszugewandte Haltung des Menschen wird als moralisch positive Leistung, als Willensakt und Überwindung egoistischer Wünsche im Menschen gewertet. Schon die Worte »Selbstlosigkeit« oder gar »Selbstverleugnung« usw. sprechen für sich. Sie sind Ausdruck der Auffassung vom Menschen, den zwar das Böse treibt, der jedoch aufgerufen ist, das Gute zu tun. Der Philosoph Friedrich Nietzsche nannte das »die romantische Attitüde des modernen Menschen:... der Altruismus als verlogenste Form des Egoismus ... gefühlsarmster Egoismus«12; Und er zählt zu den »grossen Verbrechen in der (bisherigen, philosophischen) Psychologie« unter anderem, »dass alles Grosse am Menschen umgedeutet worden ist als Entselbstung, als Sich-opfern für etwas anderes, für andere... dass die Liebe gefälscht worden ist als Hingebung (und Altruismus), während sie ein Hinzunehmen ist oder ein Abgeben infolge eines Überreichtums von Persönlichkeit. Nur die ganzesten Personen können lieben; die Entpersönlichten... sind die schlechtesten Liebhaber«13.
Wie untersucht der Naturwissenschafter solche Fragen?
Realistisches Weltbild als Grundlage naturwissenschaftlichen Forschens
Wie ist der Egoismus des Menschen nun aber wirklich zu beurteilen? Die zitierten Meinungen der Philosophen gehören noch dem vorwissenschaftlichen Bereich an. Eine stichhaltige Beantwortung dieser Frage bedarf aber einer wissenschaftlichen Abklärung. Wir wollen uns dabei an dieselben grundsätzlichen Anforderungen halten, wie sie für alle Naturwissenschaften gelten, wenn entschieden werden soll, was wahr oder falsch ist. Nichts Übersinnliches, was nicht mehr erforschbar wäre, wo uns nur noch ehrfürchtiges Staunen bliebe, steht zur Debatte. Was hat uns die Furcht vor der Ehre manch grosser Philosophen, erhabener Geister im verwirrenden Höhenflug majestätisch vorgetragener Sprachakrobatik, weitergebracht? Bin ich nun wirklich oder träumt mir bloss? Auch der Laie kennt solche Phantasien. Der Naturwissenschafter findet es erfolgversprechender, die Dinge einfacher zu beschreiben. Er nimmt die Welt als eine für ihn und seit Menschengedenken immer schon vorhandene Tatsache, die unabhängig von seinem und der anderen Menschen Bewusstsein besteht. Es fehlt ihm die Zeit und die Neigung, überflüssigerweise zuerst die objektive Existenz dessen zu beweisen, das zu erforschen, besser noch, zu dem Beziehung aufzunehmen er sich anschickt.
Allein die Praxis des Lebens ist Kriterium der Wahrheit
Was ist Leben? Unerbittlich stritten sich Philosophen aller Zeiten auch über diese Frage. Der Glaube der ahnungslosen Menschen in den Anfängen ihrer Geschichte, da sie noch jede Quelle von Geistern bewohnt wähnten in jedem Waldesraunen die Stimmen höherer Wesen hörten usw., fand seine über die Jahrtausende geistreich verfeinerte Fortsetzung in der Meinung, zwischen dem Lebendigen und Nicht-Lebendigen bestehe ein »Wesensunterschied«, eine unüberbrückbare Kluft – manche tiefsinnigen Denker14 erdachten sich sogar eine besondere, nichtmaterielle Lebenskraft, die Ursache aller Lebenserscheinungen sei – darum könne das Geheimnis des Lebens niemals restlos analysiert und abgeklärt werden. Doch wo bleibt dieser grundsätzliche, wesentliche (was heisst das schon?) Unterschied zwischen der lebenden und nichtlebenden Materie? Die Befunde der modernen Biologie und Chemie vermögen diese Spekulationen nicht zu stützen. Im Gegenteil15.
Auch in der Frage nach dem Ich-sein und dem Egoismus können wir uns nicht auf die Meinungen der idealistischen Philosophen verlassen. Ist das Ich des Menschen ein geheimnisvolles ewiges Wesen und der Egoismus die Versuchung des Bösen, alles an sich zu reissen? Der Naturwissenschafter kann nicht von solchen weit hergeholten Spekulationen ausgehen. Seine Theorien stützen sich ausschliesslich auf sorgfältig begutachtete Befunde aus der Praxis des Lebens: Er beobachtet genau, was er erforschen möchte, stellt vorsichtige Vermutungen an, kombiniert und zieht Schlüsse, auf Grund derer er dann eingreift ins Geschehen, die Welt verändert; dieweil begutachtet er fortwährend die Auswirkungen seiner Tätigkeit, vergleicht die Sachverhalte kritisch mit seinen Vermutungen, korrigiert dann seine Theorie wo nötig usw. Welche Vermutungen richtig sind und welche falsch, darüber entscheiden letztlich allein die sich aus der Praxis ergebenden objektiven Sachverhalte.
Zur moralischen Definition des Egoismus
Der Begriff des Egoismus, wie ihn die Philosophen einführten und ihn schliesslich vorab moralisch definierten, ist für eine wissenschaftliche Beschreibung des Menschen untauglich. Das Wort bezeichnet zwar recht vage eine bestimmte Klasse von Sachverhalten, etwa das Suchen des Menschen nach eigenem Glück, nach persönlichem Lustgewinn, nach Selbstverwirklichung – oder wie immer die recht unklaren, verschwommenen Begriffe zur Beschreibung solcher Strebungen lauten mögen. Aber der letztlich damit angedeutete Zusammenhang beinhaltet noch den alten Aberglauben vom Bösen im Menschen, das zu überwinden sei, vom angeblichen Widerspruch zwischen dem egoistischen Streben des einzelnen und der Forderung der Gemeinschaft. Ein derart fragwürdiger Begriff stiftet mehr Verwirrung als wissenschaftliche Klarheit.
Der Vollständigkeit halber sei dazu doch noch erwähnt, dass schon lange vor der Erfindung des Wortes »Egoismus« und auch danach manche Philosophen einen richtigen Zusammenhang in der menschlichen Natur zumindest zu erahnen schienen, indem sie sich die Frage stellten, ob nicht alles menschliche Verhalten letztlich allein sich selber zum Ziele habe, also ausschliesslich egoistisch verstanden werden müsste16. Aber vor allem bei den idealistischen Philosophen blieb es bei dieser vagen Vorahnung, die dann oft wieder durch religiöse Vorurteile verdrängt wurde.
Zur naturwissenschaftlichen Definition des Egoismus
Die heute vorliegenden Erkenntnisse aus der Biologie und der modernen Psychologie lassen es sinnvoll erscheinen, den Begriff des Egoismus brauchbarer und exakter zu definieren, um die bisher damit verbundenen Irrtümer auszuschalten. Das ich-bezogene Verhalten des Menschen erwies sich als Tatsache, die viel mehr umfasst als bloss die bisher mit »Egoismus« bezeichneten moralisch gewerteten Sachverhalte. Erst wenn wir das Leben und die Natur des Menschen nicht mehr losgelöst sehen von der übrigen Natur, wenn wir es vielmehr unternehmen, die Zusammenhänge in einen weiteren Rahmen zu untersuchen, können wir zu brauchbaren Aussagen und Prognosen über das menschliche Verhalten gelangen.
Dieser Tatsache soll folgender Versuch einer exakten und zugleich umfassenderen Definition des Egoismus Ausdruck geben:
Egoistisch ist ein Verhalten genau dann, wenn es Teil der vielfältigen Gesamtheit all jener Vorgänge und Zustände irgendwelcher zielstrebigen Gebilde in der Natur ist, die letztlich auf die Selbsterhaltung dieser Gebilde ausgerichtet sind – unabhängig davon ob damit das angestrebte Ziel auch erreicht wird.
Die Kennzeichen des Lebens
Die Organismen, wie der Biologe die individuellen Einheiten des Lebens nennt, sind durch eine Reihe typischer an ihnen ablaufenden Vorgänge gekennzeichnet, wie Stoffwechsel, Wachstum, Fortpflanzung und Reizbarkeit. Gelegentlich treten einzelne der genannten Vorgänge auch im Bereich des Nichtlebendigen auf: Auch Kristalle wachsen, und zum Beispiel eine Kerzenflamme zeigt einen Stoffwechsel. Auch im Bereich der nichtorganischen Chemie gibt es Verbindungen, die sich selbständig vermehren, und irgendein pysikalisches Objekt ist im Zustand des labilen Gleichgewichts äusserst reizbar (d.h. eine geringe Störung schon bringt es aus seinem Gleichgewicht). Aber gerade das gemeinsame, egoistisch koordinierte Auftreten dieser Sachverhalte ist das eigentliche Kennzeichen des Lebens.
Ichbezogene Prozesse und der Begriff des Ich
Schon die einfachsten Organismen, die Einzeller (z.B. Bakterien, einzellige Algen, Pantoffeltierchen usw.), sind Gebilde, deren individuelles Sein keineswegs in einer stofflich feststehenden Tatsache, sondern in einem ichbezogenen Prozessgefüge begründet ist. Da werden unaufhörlich Energie und Stoffe von aussen aufgenommen, umgewandelt, eingebaut, abgebaut und nach aussen abgegeben. Kaum ein Stoff in diesem Organismus bleibt auf die Dauer derselbe. Alles ist in ständiger Bewegung und Veränderung begriffen – und doch sind alle diese Vorgänge stets auf dasselbe Zentrum – man müsste es sinnvollerweise auch bei einfacheren Organismen das Ich dieses Lebewesens nennen – ausgerichtet. Ein Organismus gleicht weniger einem stofflich unveränderten Gegenstand, als vielmehr einem Strudel in einem Fluss, immer in der gleichen Form und an der gleichen Stelle und doch nie aus denselben Wasserteilchen bestehend.
Egoismus als Erscheinungsform der Materie
Die Tatsachen des Egoismus in der Natur, die Erscheinungen des Lebens, sind zwar hochkompliziert, aber keineswegs unergründlich, naturwissenschaftlich unerklärlich. Auch in diesem Bereich sind der menschlichen Erkenntnis keine feststellbaren Schranken gesetzt. Die Tatsache des Lebens ist die Tatsache des Egoismus gewisser biochemisch definierter Gebilde – ohne alle Mystik: das in der Natur heute in vielfältigen Formen vorzufindende egoistische Zusammenspiel bestimmter materieller Sachverhalte.
Leben ist konkret immer nur als Umkreis eines Ich da – gleichsam ein Strudel stofflicher, energetischer und informationeller Vorgänge. Der Egoismus aller Lebewesen – auch des Menschen – gehört mit zur Menge jener Tatsachen, welche der moderne Biologe Fliessgleichgewicht17 nennt. Allerdings sind diese Zusammenhänge gerade beim Menschen nicht allein durch biochemische Beschreibungen zu erfassen, sondern hier steht der informationelle Aspekt im Vordergrund, das heisst das Lernvermögen, der Informationsaustausch durch Gefühlsübertragung und Sprachentwicklung – also erst die psychologische Beschreibung lässt hier die Zusammenhänge durchsichtig werden.
Es gibt keine mystische Grenze zwischen toter und lebender Materie
Zur Erklärung des egoistischen Lebens bedarf es keinerlei Annahme eines mystischen, irrationalen
»Lebensprinzips« oder einer »Lebenskraft« u. dgl. Fliessgleichgewichte, das heisst Gebilde mit der Tendenz, sich stets in einem gewissen beschreibbaren Zustand zu erhalten und bei Störungen diesen entgegenzuwirken, sind auch in der anorganischen Natur und in der Technik sehr verbreitet. So spielte sich zum Beispiel für den Wärmehaushalt der Erde ein Fliessgleichgewicht ein, welches das Verhältnis von »Verbrauch« und Widerspiegelung des Sonnenlichtes derart regelt, dass seit der letzten Eiszeit die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche von 17,5°C konstant geblieben ist18. Dasselbe gilt auch für den Kreislauf des Wassers, für sich in gewissen Grenzen selbst regulierende Gebilde, wie Gletscher, Flüsse, Seen oder allgemeine klimatische Zustände. Auch künstliche Systeme, wie etwa ein Kühlschrank, eine Kühlanlage, Automaten aller Art usw., erzeugen solche F1iessgleichgewichte.
Zur naturwissenschaftlichen Definition des Ich
Die eindrucksvollsten Beispiele sind wohl die Organismen. Dennoch besteht diesbezüglich zwischen solchen nichtlebendigen Systemen und den Lebewesen kein prinzipieller, philosophisch begründbarer Unterschied. Die Fliessgleichgewichte der Organismen sind nur sehr kompliziert, ein feines Netz aus unzähligen, miteinander verknüpften und sich gegenseitig bedingenden materiellen Prozessen. Da bei findet nicht bloss ein einfach beschreibbarer Energieaustausch mit der Umwelt statt, sondern zugleich auch ein mehr oder weniger den gesamten Organismus umfassender Stoffaustausch. Dazu wird für die höher entwickelten Lebewesen der mit der Lernfähigkeit verbundene Informationsaustausch immer wesentlicher. Ausserdem ist das umfassende Fliessgleichgewicht lebendiger Systeme letztlich auf die Erhaltung des Ganzen, des jeweiligen Lebewesens überhaupt, ausgerichtet und nicht nur auf die Erhaltung einzelner oder weniger Zustandsgrössen.
Erst diese Gesamtheit von Vorgängen, wie sie bis anhin nur bei den Organismen beobachtet werden konnte, bezeichnet man sinnvollerweise als Egoismus. Dieser Begriff beinhaltet das Streben des Ganzen auf ein Ziel hin: die Erhaltung des ganzen Individuums. Das in gewissem Rahmen gleichbleibende Ziel dieser Vorgänge und vielmehr noch die charakteristische Art und Weise, wie versucht wird, dieses Ziel zu erreichen, kennzeichnet die jeweilige individuelle Struktur des betreffenden Organismus. Diese körperlich-seelisch einheitliche Struktur kann man als sein Ich definieren.
Alles Leben ist egoistisch
Das Naturgesetz des Egoismus
Der Egoismus ist die Natur des Lebens. Die Einzeller verhalten sich ebenso egoistisch wie die mehrzelligen, komplizierter strukturierten Lebewesen und schliesslich der Mensch. Alle Lebensvorgänge, vom primitivsten bis zum hochentwickelten Organismus, erweisen sich mehr oder weniger von einem das ganze Lebewesen umfassenden Ziel her gesteuert. Vergleicht man die beobachtete Zielstrebigkeit der Individuen, findet man eine gemeinsame Tendenz: das fortwährende Suchen nach Lebensmöglichkeiten. Ein Individuum lebt genau so lange, wie in ihm dieses Ziel wirksam ist und wirklich eine weitere Lebensmöglichkeit besteht. Das ist das Naturgesetz des Egoismus, ohne den kein Leben besteht.
Die egoistische Kausalität des Lebens
Der Egoismus des Lebens ist aber nichts Mystisches, ausserhalb der Natur und deren materiellen Gegebenheiten Stehendes. Allerdings wäre es wissenschaftlich unfruchtbar, – wollte man egoistische Verhaltensweisen jeweils aus der – vor allem bei höher entwickelten Lebewesen – unübersehbaren Vielfalt allgemeiner, physikalisch-chemischer Zusammenhänge erklären. Weder die biochemisch orientierte Analyse noch labortechnische Messungen physiologischer Reizgrössen und die Feststellung ihres Zusammenhanges mit parallel dazu beobachteten Verhaltensdaten bringen uns da weiter19.
Der physikalisch-chemische Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gilt natürlich auch für den menschlichen Organismus – bloss finden wir ihn hier überlagert von einem ichbezogenen Ursache – Wirkungs – Zusammenhang20: Ursache menschlichen Verhaltens ist stets die egoistische Zielsetzung. Von da her analysiert, erweisen sich die menschlichen Verhaltensäusserungen als blosse Symptome bereits vorhandener, schon vorgängig lernend erworbener, ichbezogener, unbewusster Gefühle.
Zur naturwissenschaftlichen Definition des Gefühls
Was sind eigentlich unbewusste Gefühle? Es handelt sich dabei um ebenso naturwissenschaftlich erfassbare Tatsachen wie bei anderen Forschungsgegenständen der Natur. Auch hier lässt sich eine auf Grund der bisherigen Forschungsergebnisse sinnvoll erscheinende Definition geben: Das Gefühl ist das Ensemble aller von einem Individuum aufgenommenen und egoistisch verarbeiteten Information in seinem bisherigen Leben.
Die ersten Informationen im Leben eines Menschen entstammen der Beziehung des Säuglings zu seinen Pflegepersonen. Sie umfassen ein Zeichenrepertoire, das noch vor dem Erlernen der Umgangssprache da ist – aus dem sich die sprachlichen Begriffe und das unbewusste Denken und Kombinieren erst langsam bilden. Der spätere Verstand ist ein Produkt dieses auch beim Erwachsenen vorwiegend unbewusst vorhandenen, inividuellen Lebensgefühls.
Die Ich-Entwicklung bedarf des Ich-Vorbildes
Das Naturgesetz des Egoismus (siehe Abschnitt »Das Naturgesetz des Egoismus«) zeigt sich auch im Umstand, dass sich der Egoismus und damit das Leben des Menschen erst entwickelt, wenn er konkrete Lebensmöglichkeiten erfährt. Dazu bedarf der Säugling der Gefühlsübertragung durch einen Menschen, der ihm durch seine Hilfe und durch das egoistische Vorbild solche Möglichkeiten vermittelt, an denen sich lebensnotwendige Zielsetzungen entwickeln können und so das Suchen nach weiteren Möglichkeiten zu spielen beginnt. Ohne diese Hilfe und ohne das Vorbild egoistischer Lebensmöglichkeiten bleibt das neue Leben hoffnungslos; ohne Perspektive für die Zukunft verkümmert das Suchen nach weiterem Leben bis zum Stillstand, zum Tod.
Die Erziehung ist massgebend
Der erste Informationsaustausch vollzieht sich über Körperberührung, Töne, Gestik, Mimik – kurzum in der ganzen sich durch diese vielgestaltigen Mittel ausdrückenden Stimmung zwischen Kind und Pflegeperson. Dieses zwischenmenschliche Klima des Elternhauses ist massgebend für die Ausbildung der fundamentalen, unbewussten Gefühlsstruktur des Menschen in seinen frühesten Lebensjahren. Die Gefühlsbildung beim Menschen, vom Tag seiner Geburt an, ist jedoch kein bloss passives Aufnehmen von Umweltseindrücken. Es besteht keine einfache Kausalität von der Art: So und so ist die Umwelt, folglich bewirkt sie diese oder jene unbewussten Gefühle und Charakterzüge beim Kind. Aus dem umfangreichen Angebot an möglichen Eindrücken erlebt der Mensch stets nur eine für seine bisherige Gefühlssituation charakteristische Auswahl.
Welche Informationen vom Menschen wie aufgenommen, gewertet und gespeichert werden, hängt ab von der vom betreffenden Individuum bereits vorher schon aufgenommenen und verarbeiteten Information. Das Gefühl des Menschen ist ein ichbezogenes Bild von seiner Welt, ein Repertoire
von hauptsächlich unbewussten »Meinungen« über die Möglichkeiten, in dieser individuell erlebten Welt Ich zu sein und sich zu behaupten – ein Repertoire von unbewussten, in frühester Kindheit eingeübten Aktions- und Reaktionsweisen auf die Anforderungen des Lebens.
Dieses Bild ist aber leider in mehr oder minder grossen Teilen, vor allem im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen, kein getreues Abbild der tatsächlichen Welt, sondern oft sehr verzerrt, durchwoben von Irrtümern, aufgebaut auf Missverständnissen als Folge der Hilflosigkeit des kleinen Kindes und der unsachgemässen Haltung seiner Erzieher. Strafen und Drohungen aller Art zum Beispiel sind Fehlinformationen, welche für die psychische Entwicklung des Kindes schreckliche Folgen haben. Sein egoistisches Streben wird dadurch zutiefst verunsichert und auf Abwege gedrängt. Ängste, Eifersucht und andere Wahnvorstellungen prägen in der Folge sein unbewusstes Bild von der Welt und den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Das Gefühl als Produkt des egoistischen Lernprozesses
Das Verhalten des Menschen lässt sich nicht als unmittelbare Reaktion auf innere Umstände erklären. Der zielgerichtete Charakter allen menschlichen Tuns und Lassens ist vielmehr durch die individuelle unbewusste Gefühlssituation bestimmt. Was der Mensch erlebt, ist nicht bloss die Summe dessen, was seine Ohren, seine Augen, die Nase, die Tastorgane usw. an Reizen empfangen. Sein Erleben ist auch kein objektives Abbild des jeweiligen von aussen an ihn herangetragenen Angebots an sprachlich formulierter Information, sei diese Sprache nun ein Gebilde aus Sätzen oder aus der Mimik, Gestik und sonstigem Verhalten anderer Menschen.
Das Erleben des Menschen ist stets nur eine ichbezogen interpretierende Auswahl aus dem jeweiligen Angebot an sinnlicher oder sprachlicher Information. Was dabei jeweils ausgewählt wird und wie sachbezogen das Individuum das von aussen an es Herangetragene interpretiert und wie es sich dann verhält, kann nur verstanden werden, wenn man nicht nur die äusseren Umstände, sondern vor allem auch sein unbewusstes Vorurteil (siehe Abschnitt »Die Erziehung ist massgebend«) kennt.
Dieses unbewusste Vorurteil, das individuelle Lebensgefühl des Menschen, ist das Produkt eines egoistischen Lernprozesses, das vom Tag der Geburt an einsetzende Wechselspiel zwischen egoistischem Vorbild, als Hilfe und Anregung (siehe Abschnitt »Die Ich-Entwicklung bedarf des Ich-Vorbildes), und dem dadurch erst ermöglichten eigenen Versuch egoistischer Lebensbehauptung. In diesem Lernprozess der ersten Lebensjahre erwirbt sich der Mensch seine Erfahrungen, hier bildet er sich den unbewussten Prospekt von seinen Lebensmöglichkeiten, nach dem sich auch im späteren Leben sein Fühlen und Denken, sein Tun und Lassen ausrichten.
Psychologie des Egoismus auf naturwissenschaftlicher Grundlage
Obschon das menschliche Verhalten und die unbewussten Gefühle nicht Folgen physikalisch oder biochemisch beschreibbarer Ursachen sind, sondern auf der Ebene der Information, als Lernprozess, in ihrer egoistischen Kausalität (siehe Abschnitt »Die egoistische Kausalität des Lebens«) psychologisch analysiert werden müssen, bringt diese psychologische Analyse nur dann sichere Erkenntnis, wenn sie sich grundsätzlich der naturwissenschaftlichen Methode21 bedient. Informationelle Prozesse, wie sie u.a. im Egoismus, in Gefühl, Verstand und Kultur des Menschen zum Ausdruck kommen, umfassen einen ebenso wesentlichen Aspekt der Natur, der Materie, wie es die anderen beiden Aspekte, die stofflichen und energetischen Prozesse sind. Obwohl informationelle Prozesse prinzipiell nicht auf stoffliche oder energetische Vorgänge zurückgeführt werden können, finden wir sie doch ausschliesslich auf stofflicher und energetischer Grundlage realisiert vor: Stoff, Energie und Information sind Grundkategorien der Materie – darum ist auch der Egoismus des Lebens als materieller Sachverhalt zu sehen.
Das Ich des Menschen, vorhanden in seinen unbewussten Gefühlen, sichtbar in seinem Denken und Verhalten, kann aber nicht als »schwarzer Kasten« erforscht werden, bei dem man bloss feststellt, was hineingeht und wieder herauskommt und dann versucht, kausale Zusammenhänge zwischen Eingang und Ausgang zu sehen. Erst das Wissen um den egoistischen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang und die Analyse des stets individuell verlaufenen Lernprozesses, durch den die verhaltensbestimmenden Gefühle eines Menschen geworden sind, lassen uns sein Ich, seinen Egoismus wirklich erkennen. Das ist die Aufgabe der Psychologie. Sie ist aus den oben erwähnten Gründen auf dem Boden der Naturwissenschaft – und nur dort – lösbar.
Der menschliche Egoismus bedarf der Gemeinschaft
Egoismus heisst: gegenseitige Hilfe
Der Egoismus ist keine besondere Eigenschaft der menschlichen Gattung; er ist vielmehr das gemeinsame Merkmal aller Lebewesen. Ausserordentlich menschlich jedoch ist eine der notwendigen Lebensbedingungen, die den Egoismus des Menschen erst ermöglicht und richtig wachsen und erstarken lässt: die gegenseitige Hilfe der einzelnen in der Gemeinschaft. Zwar finden wir schon im Tierreich die verschiedensten Formen gegenseitiger Hilfe als mehr oder minder notwendige Grundlage individuellen Lebens. Nirgends aber ist das Sein des einzelnen derart abhängig und geprägt von einem so vielfältigen, verwickelten Netz gemeinschaftlicher Beziehungen wie beim Menschen.
Da sich die Menschen weder durch Knospung noch durch blosse Teilung vermehren, bedingt bereits die Zeugung der rein biologischen Voraussetzung eines neuen Individuums einen gemeinschaftlichen Akt. Das neugeborene und heranwachsende Kind überlebt und gedeiht nur dank der Pflege durch Menschen, die sich schon besser zu helfen wissen als es selbst. Aber auch der erwachsene Mensch vermag sich auf die Dauer in der Natur nur zu halten, solange er in irgendeiner Weise von der gegenseitigen Hilfe in der Gemeinschaft profitieren kann. Die Rolle der Menschheit in der Naturgeschichte wäre eine andere ohne diese biologische Möglichkeit der gegenseitigen Hilfe durch den Aufbau eines komplexen Netzes vielfältigster Beziehungen zwischen den Individuen.
Egoismus kann sich nur aus Gemeinschaft entwickeln
Im Gegensatz zu vielen stammesgeschichtlich nicht so hochentwickelten Lebewesen, bei denen ausser ihrer Körperstruktur auch ihre nachgeburtlichen Verhaltensnormen weitgehend genetisch bestimmt erscheinen, ist der lebensnotwendige Egoismus des Menschen bei seiner Geburt nicht einfach da. Das Neugeborene braucht dazu erst eine kräftige Start hilfe (siehe Abschnitt »Die Ich-Entwicklung bedarf des Ich-Vorbildes): Nur wenn es genügende Anregung durch mitmenschliche Zuwendung und ein egoistisches Vorbild erfährt, sucht und findet es den Weg ins Leben22.
Damit der Mensch überhaupt zum Leben erwacht und dann auch nicht nur auf der untersten Stufe der Lebenslust dahinvegetiert, jederzeit in Gefahr, wieder abzusterben, muss er die Möglichkeit zu leben zuerst einmal ganz konkret erfahren. Das kann er nur durch die Beziehung zu einem bereits gewordenen, dem Leben schon zugewandteren Ich.
Erst aus dem Erlebnis der Gemeinschaft wächst der Egoismus des Menschen, sein Streben, sich in der Welt zu behaupten. In der gemeinschaftlichen Beziehung entstehen die ersten unbewussten Ziele, auf die sich das Leben hinbewegt. Sie prägen auch das spätere Verhalten des Menschen massgebend. Das Erlebnis der gefühlsmässigen Zuwendung, die stete Ermutigung und Hilfe bei seinen ersten, zaghaften Lebensversuchen vermitteln dem Kind erst ein Motiv für das Leben, einen unbewussten Ausblick, eine Hoffnung, die ihn weitertreibt. So entsteht der Lebenswille, der Egoismus des Menschen.
Gemeinschaft ist nur auf der Grundlage des Egoismus der Individuen möglich
Der menschliche Egoismus steht keineswegs in einem naturnotwendigen Gegensatz zur Gemeinschaft. Im Gegenteil. Die Pflege der Gemeinschaft, die gegenseitige Hilfe von gleich zu gleich, ist für den Menschen, in Anbetracht seiner biologischen Situation eine objektive, natürliche und egoistisch zu verstehende Notwendigkeit. Darum sucht der gesunde Egoist die Anerkennung der anderen im gemeinschaftlichen Mittun – nur dort erfährt er seine egoistische Genugtuung, weil er sich allein in der gleichwertigen Gemeinschaft sicher und geborgen weiss.
Die Gemeinschaft verkörpert keinen Wert an sich; sie ist nicht mehr und nicht weniger als die notwendige Grundbedingung für das Sein und die Entwicklung des Egoismus der Individuen. Die Gemeinschaft lebt nur aus dem Bedürfnis der Egoisten, dadurch wird sie überhaupt erst möglich und sinnvoll. Ohne das bliebe sie ein lebensfremder heiliger Fetisch.
Die neuen wissenschaftlichen Befunde über die Natur des Menschen, über seine unbewussten Gefühle, über die Ursachen seines individuellen Verhaltens konnten die alten, kulturell tief verankerten Vorurteile über den vermeintlichen bösen, asozialen Egoismus des Menschen in keiner Weise bestätigen. Im Gegenteil. Der Egoismus des ausgeglichenen, angstfreien Menschen, der seine eigentlichen Interessen wirklich zu wahren sucht und weiss, ist im vornehmsten Sinne des Wortes sozial. Leider ist der Mensch vorläufig bloss eine jämmerliche Karikatur dessen, was er eigentlich als Mensch23 sein könnte – als gemeinschaftszugewandter Egoist. Dem Zeitgenossen jedoch fehlt die Würde, die vitale Spannung des Selbstbewussten Ich.
Die Entfremdung vom Egoismus
Gesunder und kranker Egoismus
Die Frage, was gesund und was krank ist, lässt sich in bezug auf den Egoismus ebenso naturwissenschaftlich klar und eindeutig beantworten wie in der Körpermedizin. Auf willkürliche Spekulationen kann verzichtet werden. Gesundheit und Krankheit des Menschen seien an objektiven Kriterien der menschlichen Natur und nicht an zeitbedingten, kulturellen Nonnen gemessen. Selbstverständlich ist der Mensch stets aus seiner Geschichte zu verstehen, sind die geltenden Normen und die jeweilige kulturelle, gesellschaftliche Situation von Bedeutung für die Beurteilung, ob dieses oder jenes konkrete Erleben und Verhalten gesund oder krank sei. Aber nur die konkreten Lebensmöglichkeiten sind durch die jeweiligen geschichtlichen Umstände relativiert, nicht die Natur des Menschen, nicht der objektive Sachverhalt dessen, was für den Menschen gut ist und was schlecht.
Alles Leben ist Bewegung, die ursprünglich auf die Selbstbehauptung eines Ich tendiert, das wir in seinen Lebensäusserungen sichtbar vorfinden. Egoismus heisst die Ausrichtung der Lebewesen auf ihre Selbsterhaltung (siehe Abschnitt »Zur naturwis senschaftlichen Definition des Egoismus«). Sein Egoismus ist genau gesund, wenn die gefühls- und verhaltensmässige Ausrichtung des Individuums den jeweils objektiv vorhandenen Grundbedingungen entspricht, von deren Erfüllung es wirklich abhängt, ob das angestrebte Ziel auf weite Sicht hin erreicht werden kann. Andernfalls ist er krank.
Der Mensch ist krank, weil er dem Egoismus entfremdet wurde
Die Gemeinschaft ist das Bedürfnis des Egoisten. Sie ermöglicht dem Menschen erst zu leben, zu wachsen – Ich zu werden. Die gegenseitige Hilfe gleicher unter gleichen, wo keiner sich Gewalt über den anderen anmasst und sich auch keiner wehrlos vergewaltigen liesse, dieser Umstand macht den Menschen stark und lebenstüchtig. Wo sich jedoch der vermeintliche Egoist von der Gemeinschaft abwendet oder sie gar stört, entblösst er sich gerade jener Voraussetzungen, deren sein egoistisches Streben bedürfte, soll es sich auf das angestrebte Ziel hin bewegen – der kranke »Egoist« handelt im Wahn, aber nie wirklich egoistisch: er ist seinem Egoismus entfremdet. Er erstrebt Ziele, von denen er wähnt, die Lebensmöglichkeiten gefunden zu haben; dabei jagt er Phantasien und Träumen nach, die das egoistische Wachsen seiner Persönlichkeit bloss hemmen oder gar zum Stillstand bringen.
Der Unverstand klagt über den zunehmenden Egoismus der Menschen als Übel unserer Zeit. Doch wo sind die Egoisten? Der Geizige und der Herrschsüchtige, der Eigenbrödler und der gefühllose, gemeinschaftsunfähige Mensch – sie und alle anderen sind keine Egoisten, sondern Produkte einer unsachgemässen Erziehung, welche den Menschen im Gegenteil vom Egoismus entfremdet hat. In der irrigen Meinung, der Egoismus sei das Böse im Menschen, das man mit Gewalt bändigen müsse, verweisen die Erzieher ihre Kinder guten Glaubens auf Abwege. Statt den heranwachsenden Menschen zu sich selbst zu führen – du hast dein Leben in deiner Hand –, lassen sie seine kindliche Abhängigkeit zur Institution werden, im Himmel wie auf Erden, und erziehen ihn zu Gehorsam, Demut und Unterwürfigkeit. Im Bestreben, den Menschen von Geburt an im Zaum zu halten, durch ein System von oben und unten in der Familie, in Kirche und Staat, versucht man ihn zu einem Gemeinschaftswesen zu formen – und erreicht damit das Gegenteil: statt gemeinschaftsfähigen Egoisten, ichstarken Persönlichkeiten, erwiesen sich die Produkte unserer traditionellen Erziehung als traurige Kümmerformen des Lebens, fromme Altruisten ohne Gemeinschaftsgefühl, gehorsame Untertanen, würdelose, manipulierbare Wesen, eingebildete Gecken, wenn sie sich oben wähnen, kniefällige Bittsteller, wo sie sich unterziehen, keine Egoisten — weder der Mann auf der Strasse noch seine Vorbilder, die Dichter, Denker und Lenker, die Philosophen und Politiker: es gibt keine Egoisten!
Nicht Egoismus, vielmehr Selbstlosigkeit gilt als Ideal in dieser Kultur. Und doch erschrecken die Mütter und Väter immer wieder, wenn sie ohnmächtig zusehen müssen, wie ihre selbst-los erzogenen Kinder als junge Frauen und Männer gemütskrank werden, der Drogensucht verfallen oder Suizid begehen. Selbstlos verlieren die Menschen noch das letzte Restchen von Verstand und Realitätsbewusstsein. Selbstlos lassen sich die jungen Menschen in den Krieg befehlen. Selbstlos schenken die Ausgebeuteten den Handlangern ihrer Ausbeuter ihre Stimme und ihr Vertrauen.
So krank ist der Mensch, so hilflos, selbstlos —unfähig, seine Sache überhaupt wahrzunehmen oder gar sein Haupt zu erheben: Nein, so nicht! —, weil er dem Egoismus entfremdet wurde, weil man schon das kleine Kind nicht auf sein Selbst, sondern in höhere Sphären verwies. Noch immer ist der Mensch in Theorie und Praxis der sündige Wurm, der im Staub zu kriechen hat, ein unbedeutender Statist im vermeintlich gesetzmässigen Verlauf der Weltgeschichte — wehe ihm, sollte er sich vermessen, sich zu erheben in Selbstherrlichkeit, die alten und neuen heiligen Fetische verachtend, welche Partei auch immer sie ihm vorgaukeln und auf-zwingen möchte! Wehe ihm, erhebt er die Faust: Jetzt kämpfe ich für meine Sache! Die Heerscharen der Selbstlosen werden ihn nicht verstehen: Wo kämen wir hin, wenn jeder...
Zur naturwissenschaftlich begründeten Ethik und Moral
Die Frage nach dem Egoismus des Menschen wirft auch ethische Probleme auf: Kennt der Egoist eine Moral? Gibt es für den Egoisten objektive Massstäbe, nach denen das menschliche Tun und Lassen beurteilt werden kann? Jahrtausende schon haben sich Philosophen mit der theoretischen Rechtfertigung moralischer Werturteile beschäftigt. Eingedenk der unbewussten, erziehungs- und kulturbedingten Vorurteile, die auch der Zeitgenosse mit bekommen hat, ist mit grösster Vorsicht ans Werk zu gehen, will man nicht weiterspekulieren, sondern sich eine naturwissenschaftlich begründete Antwort auf diese Frage erarbeiten.
Eine solche wissenschaftlich exakte Antwort ist nicht nur möglich, sondern sie allein, verwirklicht in der Praxis, wird den Menschen weiterbringen. In einer naturwissenschaftlich begründeten Moral gilt Weder das traditionelle »gut und böse«, hinter dem sich letztlich eine hierarchische Wertung des Menschen, die Drohung mit Liebesentzug, Strafe oder gar ewiger Verdammnis versteckt, noch die orientierungslose »Relativität aller Werte«, die von den Reaktionären dann als Schreckgespenst der Unmoral gegen jedes Infragestellen der bigotten, schmutzigen Moral unserer Väter ins Feld geführt wird. Die Alternative – traditionelle Moral oder haltlose Unmoral – entspringt der wüsten Phantasie des, im weitesten Sinne des Wortes, unaufgeklärten, falsch informierten Kleinbürgers.
Die traditionelle Moral ist die Ursache der Entfremdung des Menschen vom Egoismus, vom Selbstsein, vom Menschsein. Sie zwang und zwingt noch immer den naiven, harmlosen, selbstlosen Menschen in den Bann ichfremder Ideale, um ihn so verfügbar zu machen, je nach Bedarf, hier als barmherziger Samariter, dort als grausame Bestie, im Sold angeblich höchster, ewiger Werte. Der zornige Ruf jenes Denkers, der, wie er von sich selbst sagte, »mit dem Hammer philosophierte«, nach einer gründlichen Umwertung aller Werte, ist dann die Aufgabe, die sich der naturwissenschaftlichen Ethik stellt: »Eine Tugend muss unsere Erfindung sein, unsere persönlichste Notwehr und Notdurft: in jedem anderen Sinne ist sie bloss eine Gefahr. Was nicht unser Leben bedingt, schadet ihm: eine Tugend bloss aus einem Respekts-Gefühl vor dein Begriff »Tugend«, wie Kant es wollte, ist schädlich«.24
Die Verantwortlichkeit des Menschen lässt sich nicht fordern. Er macht, was er kann: Er verhält sich so, wie er die Situation, die zu meistern ist, einschätzt – und seine Einschätzung fällt so real oder irreal aus, wie sein unbewusstes Lebensgefühl ihn die Dinge eben beurteilen lässt. »Schuld« und »Sühne« sind irreführende Begriffe aus der spekulativen, vorwissenschaftlichen Ethik. Die naturwissenschaftliche Ethik kennt nur Gesundheit und Krankheit als sachliche Beurteilung menschlichen Befindens und Verhaltens.
Die Kriterien, nach denen beurteilt werden kann, was gesund oder krank ist, sind durch die naturwissenschaftliche Ethik nicht einfach willkürlich erfunden würden. Die Natur des Menschen er gibt das objektive Mass. Leben ist Egoismus. Der menschliche Egoismus kommt erst durch Lernen zustande, durch Nachahmung des Vorgelebten – durch die gegenseitige Hilfe in der intensiven Lebensgemeinschaft der Egoisten. Von dieser empirisch gewonnenen und jederzeit nachprüfbaren Erkenntnis muss die naturwissenschaftliche Ethik ausgehen (siehe Abschnitt »Die Entfremdung vom Egoismus«).
Was braucht der Mensch notwendig, um leben zu können? Ich zu werden? Was hingegen stört diesen Prozess, hemmt sein körperliches und seelisches Werden? Nur sachlich gerechtfertigte, naturwissenschaftlich kritisch erarbeitete Antworten auf diese Fragen finden Platz in einer brauchbaren, menschenwürdigen Moral. Im Mittelpunkt dieser naturwissenschaftlich fundierten Moral steht der Mensch als Egoist und als Gemeinschaftswesen – als sozialer Egoist.
Als Warnung vor allfälligen Missverständnissen und voreiligen Schlüssen sei zum Ausklang dieser Betrachtung noch einmal eine wichtige psychologische Erkenntnis hervorgehoben: Das Denken, Fühlen und Verhalten des Menschen wird nicht in erster Linie durch den Verstand bestimmt, sondern durch seine unbewussten Gefühle. Auf Grund der heute noch vorherrschenden, traditionellen, unsachgemässen Erziehung ist das Unbewusste beim Menschen krank, den wirklichen Anforderungen des Lebens unangepasst. Auch der Zeitgenosse, wo immer wir ihn suchen, leidet an Ängsten, Wahnvorstellungen, Unzulänglichkeitsgefühlen, usw. Es gibt keine Egoisten, keine Persönlichkeiten mit einem zuverlässigen Gemeinschaftsgefühl. Man spricht viel von Menschenwürde – aber wissen wir, wovon wir sprechen?
Der Mensch hat seine Würde noch nicht gefunden. Allein der aufgeklärte Erzieher hätte es in der Hand, seine Kinder besser ins Leben zu führen. Das wird aber nur möglich sein, wenn man ihm Gelegenheit gibt, sich richtig vorzubereiten, zu schulen für seine gewaltige Aufgabe. Ohne wissenschaftliche Menschenkenntnis und ohne entsprechende individuelle Persönlichkeitsschulung laufen alle noch so gutgemeinten Bemühungen, dem Menschen zu helfen, Gefahr, schliesslich wieder zu scheitern an den Irrtümern und Vorurteilen des traditionellen, unwissenschaftlichen Menschenbildes, das eben nicht nur in unserem Verstand, sondern tief in unseren unbewussten Gefühlen verankert ist.
Die Gefühle aber glaubte man bisher wissenschaftlich nicht erfassen zu können. Darum stehen wir heute vor dem traurigen Tatbestand, zwar – dank dem naturwissenschaftlichen Forschungsprinzip – über eine unglaublich entwickelte Technik zu verfügen, aber in unserem Wissen um die Gefühlsprobleme des Menschen noch in mittelalterlichen Vorstellungen befangen zu sein. Richtige Theorien und klare Definitionen sind zwar auch in der Psychologie Voraussetzung wissenschaftlichen Fortschritts – das Hauptproblem ist und bleibt dabei aber immer die lebendige Persönlichkeit des Forschers und Erziehers. Alle Theorie und die grossartigsten Erkenntnisse über die menschliche Natur bleiben letztlich unverstanden und fruchtlos, solange die unbewussten Gefühle der betreffenden Menschen immer noch irritiert und krank sind. Das Selbstbewusstsein, das Gefühl für die Würde des Menschen fasst sich leider nicht einfach fordern. Nur wenn das kleine Kind die Achtung seiner Erzieher erfahren würde, eine wirkliche Beziehung von gleich zu gleich, ohne die tausend Spielarten der Gewalt, ohne das Schimpfen, Drohen, Strafen und Verwöhnen, mit denen die Erzieher ihre Zöglinge gefügig zu machen versuchen, nur so könnten aus hilflosen Menschlein Persönlichkeiten werden – Menschen mit Gefühl für ihre eigene und der anderen Würde, Menschen mit soviel Selbstbewusstsein und Sicherheit, dass sie – sich selbst vergessend –Helfer für die andern sein könnten.
Anmerkungen
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Christian Wolff: Vernünftige Gedanken von Gott, Welt und Seele, Par.2,1719
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Diesen Standpunkt nannte man später »Solipsismus«. Eine solche Meinung vertrat u.a. George Berkeley (1685-1753).
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Immanuel Kant: Anthropologie, Par.2 (Kant-Studienausgabe, hg. von W. Weischedel Bd.VI, repr. Nachdruck, Darmstadt 1970)
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Arthur Schopenhauer: Preisschrift über die Grundlage der Moral, Par.14.1841
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Ritter Alexius Meinong (österr. Philosoph, 1853-1920): Psychologisch ethische Untersuchungen zur Werttheorie, 1894, S.102
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Vgl. Martin Luther: Vom unfreien Willen. 1525
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Entscheidung des Konzils zu Trient (1545-63), vlg. Denzinger/Schön metzer: Enchiridion Symbolorum...,34 Aufl (1967), 787-792
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Ralf Luther: Neutestamentliches Wörterbuch. 1-lamburg 1963, 16.Aufl., S.233
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Philipp Lersch (Geb.1898): Der Aufbau der Person. München 1966, 10.Aufl, S.149„157
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Arthur Schopenhauer, a.a. 0„ Par.15
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Auguste Campte: Systeme de politique positive. Paris 1851, Bd.1:S.683- 696, Bd. 2: S.17-18
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Friedrich Nietzsche: Aus dem Nachlass der Achzigerjahre. Werke in 3 Bänden. Hg. K. Schlechta. München 1956, Bd. 3: S.529
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dgl, S.520
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Die sogenannten Vitalisten, z.B. Louis Dumas (1765-1813) oder Neuvitalisten, z.B. Hans Driesch (1867-1941)
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Es sei hier nur auf die immer zahlreicheren, geglückten Experimente zur künstlichen Herstellung organischer Stoffe aus anorganischen hinge wiesen.
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So zum Beispiel schon der griechische Philosoph Epikur (341-371 v.Z.), der das eigene Glück als oberstes Ziel und Prinzip des Handelns sah. Benedictus de Spinoza: »Das Bestreben nach Selbsterhaltung ist die erste und einzige Grundlage der Tugend« Ethik, 4.Teil, 22. Lehrsatz (Folgesatz), 1677, dt. Berlin 1887
Helvétius, De l'esprit, 1758, discours II, chap. 15
Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum. 1844
Ludwig Feuerbach: »Ich verstehe unter Egoismus die Liebe des Menschen zu sich selbst... die Liebe des Individuums zu Individuen seines Gleichen...«
Vorlesungen über das Wesen der Religion. 7.Vorlesung. 1848
»Individuum sein heisst zwar allerdings »Egoist« sein, es heisst aber auch zugleich und zwar unwillkürlich »Kommunist« sein.« Das Wesen des Christentums in Beziehung auf den »Einzigen und sein Eigentum,. 1845 -
Engl. »steady state«. Der Begriff stammt von Ludwig v. Bertalanffy: Theoretische Biologie, Bd.2. S.62 (1942), Bern 1951
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Hans Sachsse: Einführung in die Kybernetik. Braunschweig 1871. S.18
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So glaubten u.a. verschiedene Behavioristen (seit J.B. Watsons »Psychology as the Behaviorist views it«, 1913) das menschliche Verhalten erforschen zu müssen und zu können, um »naturwissenschaftlich« vorzugehen. U.a. auch B.F. Skinner: »Science and human behavoir«. New York 1953
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Oft kennzeichnet man diese Tatsache auch mit den philosophisch etwas verfänglichen Begriffen »Finalität« oder »Telelogie«. Der Begriff »egoistische Kausalität« sei hier nur zur Verdeutlichungdes Zusammenhanges zwischen lebender und toter lvlaterie eingeführt und um die natur wissenschaftliche Kontinuität der Forschung auf allen Gebieten zu betonen.
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Siehe Antonio Cho: Tiefenpsychologie auf naturwissenschaftlicher Grundlage. In: Psychologische Menschenkenntnis, 8.Jg. Heft 13/14, S.426:..428, 439-442
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Die grosse Bedeutung einer ersten engeren Beziehung des Säuglings zu einem Menschen belegen viele Untersuchungen. Rene A. Spitz be schreibt Kleinkinder im Heim, die keine solche Gefühlsbeziehung erfahren: Y,Im fortgeschrittenen Stadium versanken die Kinder in Lethargie, lagen ohne Bewegung, ohne einen Laut da und starrten apathisch vor sich hin.« In: Hospitalism. The Psychoanalytic Study of the Child. I. New York 1954. Vgl auch: a.a. 0. Vol. II. 1946, S.313-342 Zu ähnlichen Resultaten gelangte der Engländer Harry F. Harlow in Versuchen mit Affenkindern. Siehe HF. Harlow/Harlow, M.K.: The affectionalSystems. In: Behavior of Nonhuman Primates. Vol. 2, edby Schrier, A.M. et al., London 1965
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Damit ist nicht ein künstlich erdachtes Abstraktum »Mensch« gemeint im Stil idealistischer Begriffsvergottung. »Was er sein könnte« soll, im Vergleich zu dem »was er ist«, bloss auf das gewaltige Potential unausgeschöpfter Lebensmöglichkeiten und nicht vermittelten egoistischen Lebensmutes hinweisen.
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Friedrich Nietzsche: »Umwertung aller Werte«. Kröners Taschenausgabe von Nietzsches Werken, Bd.77. S.199. Stuttgart 1943
- Quelle: https://seniora.org/erziehung/psychologie/soziale-psychologie/der-mensch-ein-sozialer-egoist