"Du bist kein Engel, Angela”
Es wird gekonnt dargestellt, wie Eifersucht als eine Charaktereigenschaft entstehen kann und wie sie sich wie ein roter Faden im Leben immer wieder bemerkbar macht, auch dann, wenn daraus nur Nachteile für die Person entstehen.
Dieser Vorgang wird anhand einer Familie im Arbeiterquartier Wollishofen in Zürich dargestellt. Im Mittelpunkt steht Angela, wie sie in ihrer Familie gross wird und wie sich die Eifersucht in ihrem Leben langsam einschleicht und nicht mehr beherrschbar wird.
Die Familie wurde von einem armen Tessiner Vater und einer Zürcher Mutter aus dem Kleinbürgertum gegründet. Angela als Dritte von vier wurde zu einem Zeitpunkt geboren, als das Ehepaar eine Krise hatte. So stellte dieses Kind für die Mutter immer eine Erinnerung an diese schwierige Zeit dar und dementsprechend wurde sie besonders hart und unnachgiebig behandelt.
Keller zeigt sehr genau auf, wie unbewusste Gefühle entstehen – in diesem Fall die Eifersucht mit all ihren Verästelungen. Dies gelingt ihm anhand verschiedener Stationen im Leben des Mädchens und dann der jungen Frau einzigartig, nachvollziehbar und auf eine Art, dass sich der bewusste Leser sehr gut einfühlen kann.
Es wird eine schöne Entwicklung beschrieben, wie sie sich aus diesem sehr zerstörerischen Verhalten herauslösen kann. Sie macht im Laufe der Geschichte diese Wandlung mit Hilfe von zwei Vertrauensbeziehungen durch, indem sie ihre eifersüchtige Reaktionsweise erkennt, verändert und sogar neue und schönere Gefühle für die Menschen entwickelt. Man fühlt automatisch mit und kann nicht anders, als dieses Mädchen gerne zu bekommen, sich in sie hineinzuversetzen und mitzuleiden.
Gleichzeitig spricht Keller auch das Thema der autoritären Erziehung mit Schlagen, Bestrafen, Kritisieren an, die Auswirkungen dieser verfehlten Erziehungsmethode auf das Gemüt des Menschen in seinem ganzen Leben: Melancholie beziehungsweise Depression und Lebensüberdruss nach den erlittenen Demütigungen und Schlägen.
Der Autor stellt aber auch eine tragende, vermutlich rettende Beziehung zu einem Bekannten der Mutter dar, die die von Eifersucht Geplagte ihr Leben hindurch begleitet und auf ihr Gefühl korrigierend einwirken kann. Keller gelingt es, alle auftauchenden Personen psychologisch genau zu charakterisieren und die Gefühlsabläufe feinsinnig zu beschreiben.
Auch die sozialen Hintergründe einer Arbeiterfamilie und die Wirkungen der sozialen Situation auf die Persönlichkeitsbildung schildert der Autor sehr genau. Er zeigt auf, dass Anfang des 20. Jahrhunderts eine normale Arbeiterfamilie mit einem sehr geringen Verdienst leben und sich alles vom Mund absparen musste, vor allem wenn mehrere Kinder zur Familie gehörten - wie im beschriebenen Beispiel. Es kommt zum Ausdruck, wie die sozialen Unterschiede, ein Oben und Unten, im Gefühlsleben als Gift wirken, die ein Verbundenheitsgefühl verhindern.
Autor
Walter Alvares Keller schreibt in einem seiner Bücher davon, dass die Individualpsychologie Alfred Adlers ein gutes Instrumentarium bietet, um die Entstehung von Gefühlslagen in der Erziehung zu erfassen. In allen seinen Büchern beschreibt er die dargestellten Personen mit Stärken und Schwächen und Gefühlsverstrickungen als Produkt ihrer Erziehung. In seiner Art des Schreibens wirbt er immer um Verständnis für die Mitmenschen, die auch in ihrer Unzulänglichkeit und sogar Boshaftigkeit verständlich werden. Insofern kann sich der Leser in alle beschriebenen Personen einfühlen und deren Denken, Fühlen und Verhalten nachvollziehen und dadurch milde beurteilen. Keller hat ganz hervorragend individualpsychologische Gedanken in den Geschichten, die er schrieb, umgesetzt und lebendig gemacht. Wenn man an psychologischen Zusammenhängen interessiert ist, kann man sehr viel für sein eigenes Leben profitieren.
Keller war in der sozialdemokratischen Partei der Schweiz aktiv - unter anderem als Gemeinderat in Zürich. Entsprechend griff er auch in seinen Büchern immer wieder die Not der arbeitenden Bevölkerung auch in den Kriegsjahren während des 1. und 2. Weltkrieges auf und beschrieb aus psychologischem Blickwinkel die sozialen Schichten und die damit verbundenen Meinungen und Haltungen und wie der Einzelne darin gefangen ist.
Quelle: http://www.verlag-psychologie-erziehung.ch/brosch%C3%BCren/b%C3%BCcher
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