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Erziehung und Achtung vor dem anderen

01. April 2013

Kinderpsychologie Bern: «Fit für die Schule. Was kleine Kinder von ihren Eltern brauchen»

von der Erziehungsberatung des Kantons Bern

ag. Gewalttätiges Verhalten von Kindern und Jugendlichen in unseren westlichen Gesellschaften wird heute breit wahrgenommen und diskutiert. Ein ernstes Nachdenken über Ursachen und Prävention findet in allen Kreisen der Bevölkerung statt. Der Konsens, dass dieses Thema uns alle etwas angeht und ein Handeln erfordert, ist vorhanden. Jeder ist gefragt, einen Beitrag zu leisten. Und viele leisten bereits einen Beitrag. So haben Fachleute der Kinderpsychologie im Kanton Bern schon vor geraumer Zeit mit der Schrift «Fit für die Schule. Was kleine Kinder von ihren Eltern brauchen» in verschiedenen Sprachen für die Bevölkerung eine wegweisende Orientierungshilfe für die Kindererziehung ausgearbeitet. Wissenschaftliche Erkenntnisse konnten auf diese Weise für die Erziehungs­praxis nutzbar gemacht werden. Hier finden Eltern Grundlagen, Hinweise und Hilfen für die Erziehung ihrer Kleinkinder. Eine solche Erziehung, die die Achtung vor dem anderen in die Persönlichkeitsentwicklung mit einschliesst, ist auch Frühprävention, um gewalttätiges Verhalten zu verhindern. Daher ist dieser Schrift eine weite Ver­breitung zu wünschen. Im folgenden geben wir   – mit freundlicher Genehmigung der Autorin   – den Text der Broschüre wieder.

Liebe Eltern

Ist Ihr Kind zwischen zwei und sechs Jahre alt, und fragen Sie sich manchmal, wie es neugierig und fit für das Leben sowie für den Kindergarten und die Schule wird?

Die Schule ist für alle Kinder in unserer Gesellschaft ein sehr wichtiges, anregungsreiches Entwicklungsangebot. Sie ist ein Recht, aber auch eine Pflicht − alle Kinder treten in die Schule ein. Das organisierte Lernen in der Gruppe wird jenen Kindern leichter fallen, die schon früh darauf vorbereitet werden.

Sie als Eltern haben viel Einfluss auf Ihr Kind, und Sie können jetzt schon etwas dafür tun! Aus unserer Erfahrung als Fachleute der Kinderpsychologie legen wir Ihnen die folgenden Anregungen ans Herz:

Kinder brauchen ...

Geborgenheit, eine sichere Bindung und verlässliche liebevolle Beziehungen in ihrer Familie;
Erfahrungen, anregende Erfahrungen und alltägliche Aufgaben, an denen sie sich von klein auf beteiligen und bewähren können;
Beziehungen, ein soziales Umfeld mit anderen Kindern und Erwachsenen, in dem sie selbstbewusst und rücksichtsvoll werden können.

Kinder brauchen Sprache

Sprache öffnet den Weg zu den anderen und zum Lernen. Sie wird vom frühesten Kindesalter an in der Familie vermittelt. Mit Sprache lernen Kinder Beziehungen mitgestalten. Sie lernen, wie man mit anderen Kindern und wie man mit einer erwachsenen Person spricht. Oder sie erfahren, wie man mit Sprache Konflikte lösen kann. 

Sprache muss erworben und gepflegt werden. Kinder lieben Sprachspiele. Sie probieren Laute und Töne aus, erfinden mit sinnlosen Silben lustige Wörter, testen Bedeutungen oder gebrauchen ab und zu auch «schlimme Wörter», um die Wirkung auf die Erwachsenen auszuprobieren.

Mit der Sprache werden Kinder von ihren Eltern begleitet und geführt. Kinder lernen zuhören, horchen und gehorchen und sich mitteilen. Regeln des Zusammenlebens werden auch sprachlich festgelegt. Gesagtes muss angehört und verstanden werden. Was gesagt wird, gilt.

Die Sprache ist ein wertvoller Schatz, den Sie Ihren Kindern im Leben mitgeben.

Sprache erwerben, Sprache pflegen

Sprechen 

Reden Sie viel mit Ihrem Kind, auch wenn es noch klein ist und selbst noch nicht sprechen kann. Vieles versteht es trotzdem. Schon ganz kleine Kinder ahmen die Sprechmelodie nach, sie geben auf ihre Weise Antwort. Erste Formen eines Gesprächs entstehen. Beim Miteinander-Reden geht es um mehr als um das Vermitteln von Informationen. Achten Sie darauf, dass Sie mit Ihrem Kind ruhig und in klaren Worten sprechen; vermeiden Sie grobes Fluchen und Beleidigen. Sprechen kann nicht beim Fernsehen gelernt werden. Zuviel Fernsehen und Computer schaden der Sprache.

Zuhören

Hören Sie aufmerksam zu, wenn Ihr Kind spricht. Nehmen Sie sich Zeit zum Zuhören. Wenn Sie Ihrem Kind etwas erklären, vergewissern Sie sich, ob es Ihnen zuhört und Sie verstanden hat.

Erzählen

Wenn Sie Ihrem Kind Geschichten erzählen, mit ihm Bilderbücher betrachten, mit ihm Lieder singen und Verse aufsagen, wecken Sie die Freude an der Sprache, und Sie pflegen die Beziehung.

Aufträge erledigen, Bedürfnisse aufschieben

Gute Gewohnheiten bilden

Im Alltag einer Familie gibt es viele Dinge, die sein müssen. Manches sogar gerade jetzt und ohne Diskussion: Hände waschen vor dem Essen; anziehen, um einkaufen zu gehen; ein spannendes Spiel abbrechen und sich vorbereiten für ins Bett oder ähnliches.
Mithelfen

Geben Sie Ihrem Kind von früh an kleine Aufgaben, die es zuerst mit Ihnen zusammen im Tandem erfüllen kann. Es braucht Hilfestellung und Lob. Erst mit der Zeit kann das Kind sein Ämtchen alleine erledigen: Teile des Tisches decken, Ordnung herstellen, kleine Handreichungen machen.

Warten

Es gibt nur wenige Bedürfnisse und Wünsche des Kindes, die sofort befriedigt werden müssen. Alle müssen lernen zu warten: Noch zuhören, wenn andere nicht ausgeredet haben; erst essen, wenn es Zeit ist; fernsehen nach Programm. All das zu lernen ist für das Kind sehr wichtig, auch wenn es protestiert.

Sich anstrengen

Lernen ist oftmals anstrengend, der Weg kann lang sein: Manches muss zu Ende geführt werden. Helfen Sie Ihrem Kind allenfalls dabei. Lassen Sie es gelegentlich auf die Zähne beissen und die Anstrengung durchhalten. Zu erleben, dass man etwas durchstehen konnte, ist eine wichtige Erfahrung.

Halt geben, halt sagen!

Nein sagen

Zeigen Sie Ihren Kindern, dass es Grenzen gibt. Damit geben Sie ihnen Sicherheit, Orientierung und Halt. Ihre Kinder brauchen Regeln, die das Zusammenleben ordnen. Nein sagen schadet nichts, sondern ist ein weiterer Liebesbeweis der Eltern. Man kann nicht alle Wünsche erfüllen. Geben Sie zum Beispiel Ihrem Kind im Warenhaus nicht nach, selbst wenn es sich schreiend auf dem Boden wälzt. Ihr Kind hat es später leichter, wenn es schon früh gelernt hat, auf etwas zu verzichten und Enttäuschungen zu überwinden.

Wie sage ich es meinem Kinde?

Reden allein reicht oft nicht. Leiten Sie Ihr Kind mit klaren, verständlichen Aufforderungen und Handlungen an, damit es die Regeln annimmt und umsetzt. Gehen Sie auf Augenhöhe, wenn Sie dem Kind eine Anweisung geben oder ein Nein in einem ruhigen Ton aussprechen. Sie können das Kind auch sanft berühren, wenn Sie mit ihm reden, so spürt es noch deutlicher, dass es gemeint ist und Sie es ernst meinen mit dem, was Sie ihm sagen. Körperstrafen und massive Drohungen   – wie zum Beispiel Liebesentzug   – belasten die Beziehung zwischen Kind und Eltern und sind in keiner Weise angezeigt.

Trauen Sie Ihren Kindern etwas zu!  Zumutungen schaffen Mut!

Kinder begreifen durch eigene Erfahrungen. Dazu brauchen sie das Vertrauen ihrer Eltern und Gelegenheiten, neue Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen. Übertriebene Fürsorge und Ängstlichkeit verunsichern die Kinder und nehmen ihnen das Selbstvertrauen. Jedes Kind ist von sich aus vielseitig tätig, wenn es sich wohl fühlt und in der Situation sicher ist.

Mittun, spielen und erholen

Geben Sie dem Tätigsein und dem Spiel den nötigen klaren Rahmen: einen ungestörten Raum; Schutz vor Gefahren; Verhindern von absichtlichem Zerstören und gegenseitigem Plagen. 

Ihr Kind ist selber kreativ, probiert aus und entdeckt: Mischen Sie sich nicht in das Spiel der Kinder ein, ausser bei Grenzüberschreitungen oder wenn Sie gefragt sind.

Manchmal langweilen sich Kinder. Lassen Sie Ihr Kind in der Langeweile durchhängen; sorgen Sie nicht immer für Unterhaltung.
Jedes Kind, auch wenn Geschwister da sind, soll täglich einmal Zeit haben, ganz für sich zu spielen, um zur Ruhe zu kommen. Nicht alles soll von «Action und Fun» bestimmt sein.

Wenden Sie sich den Kindern im Spiel einmal pro Halbtag ganz zu, mehr ist nicht nötig. In der übrigen Zeit können Sie die Kinder in Ihre Tätigkeiten mit einbeziehen: Staubsaugen, Kochen, Einkaufen etc. Das Kind richtet sich nach Ihnen und nicht umgekehrt!

Spielen in der Kindergruppe

Ich und du

Das Spiel mit anderen Kindern ist für eine gesunde soziale Entwicklung sehr wichtig. Im regelmässigen Spiel mit Gleichaltrigen erprobt das Kind seine Wirkung auf andere. Es übt, auf sein Gegenüber einzugehen, sich einzufühlen oder zurückzustehen. Schon für kleine Kinder ist es möglich, erste Freundschaften zu entwickeln.

Wut, Enttäuschung und Versöhnung

Im gemeinsamen Spiel tauchen Meinungsverschiedenheiten auf. Kleine Kinder sehen oft noch keinen anderen Weg als ihren eigenen und fühlen sich rasch verzweifelt, ohnmächtig oder wütend. Meistens können sich Kinder selbst einigen und spielen bald wieder vergnügt weiter. Durch Ihre Anwesenheit geben Sie Ihrem Kind Sicherheit und Rückhalt, spenden Trost, helfen Ärger überwinden und machen ihm wieder Mut.

Einmal ich und einmal du

Kinder lernen voneinander, wie es ist, einmal der Stärkere und einmal der Schwächere zu sein, einmal den Ton anzugeben und einmal sich unterordnen zu müssen, einmal Erfolg und einmal Misserfolg in der Kindergruppe zu haben. Ihr Kind soll auch lernen, sich zu entschuldigen, wenn ihm ein Missgeschick passiert ist.

Ihr Kind begegnet unterschiedlichen Menschen und Situationen. Zeigen Sie ihm, dass es mit vielen spielen und alle respektieren kann.

Erwachsene sind Vorbilder

Eltern sein heisst vormachen, vorzeigen, vorsagen, vorleben. Ihr Kind beobachtet Sie im Alltag genau. Es hört genau hin und macht Sie nach. Es schaut bei Ihnen ab und ahmt nach, was es kann. So lernen die Kinder in ihren ersten Lebensjahren das Allermeiste und das Wichtigste für das ganze Leben. Sie leben einfach nach, was ihre nächsten und liebsten Bezugspersonen ihnen vorleben.

Sie lernen zum Beispiel, wie man sich am Morgen früh nach dem Erwachen begrüsst und am Abend vor dem Einschlafen gute Nacht wünscht. Sie lernen, wie man Spass hat miteinander, wie man streitet und wieder Frieden schliesst. Sie lernen, wann man fröhlich und wann man traurig ist. Sie lernen, was Humor und was Ernst ist. Sie lernen, wie man mit schwierigen und guten Gefühlen umgeht und wie man glücklich wird. Gute Vorbilder geben den Kindern Sicherheit und ein gutes Selbstvertrauen.

Geniessen Sie die kurze Zeit, in der Ihre Kinder Sie so fest brauchen und so viel von Ihnen lernen können.
Wir wünschen Ihnen viel Freude an Ihren Kindern. 

Ihre Erziehungsberatungsstellen 
des Kantons Bern

Fit für die Schule. Was kleine Kinder von ihren Eltern brauchen. Erziehungsberatung. Erziehungsdirektion des Kanton Bern, Sulgeneckstrasse 70, 3005 Bern. Telefon 031 633 85 11 
Die Broschüre kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden:

http://www.erz.be.ch/erz/de/index/erziehungsberatung/erziehungsberatung/fachinformationen/fit_fuer_die_schule/auftraege_erledigenbeduerfnisseaufschieben.html

Zitate aus der pädagogischen und psychologischen Fachliteratur

Kinder brauchen Geborgenheit

«Als wesentliche Voraussetzung für die psychische Gesundheit muss die Bedingung gelten, dass das Kleinkind eine warme, innige und dauerhafte Beziehung zu seiner Mutter (oder zu einer ständigen Ersatz-Mutterfigur) besitzt, in der beide Erfüllung und Freude finden.»

John Bowlby, Bindung, München 1975, S. 9.

«Nicht nur René Spitz und John Bowlby, auch andere Pioniere, wie zum Beispiel Erik Erikson oder Anna Freud, haben uns vor Augen geführt, dass es nicht reicht, Kinder lediglich nicht zu vernachlässigen, damit sie die frühen Lebensphasen erfolgreich bewältigen können; um Vertrauen, Empathie und Mitgefühl entwickeln zu können, sind sie auf sensible, fürsorgliche Betreuung angewiesen.» 

Urs Fuhrer, Lehrbuch Erziehungspsychologie, Bern 2009, S. 192

Das Mithelfen anregen

«Kinder in den ersten Lebensjahren können anderen spontan beistehen. Hinzu kommen muss aber allmählich auch die bewusste Anregung zum Helfen und damit die Gewöhnung an Hilfeleistungen.

Gelegenheiten bieten sich vor allem im Haushalt und überhaupt im gemeinsamen Wohnen: Papier in den Papierkorb werfen, einen Gegenstand für die Mama herholen, Spielzeug aus dem Weg räumen und in die Spielkiste legen u.ä. Es dürfte dabei wichtig sein, dass das Kind höflich angeredet wird, und zwar mit ‹Bitte!› und ‹Danke›, auch gegebenenfalls später mehr Zeit für gemeinsames Spielen in Aussicht erhält. ‹Wenn du mir hilfst, habe ich eher Zeit für dich!› Aber auch anerkennend: ‹Du bist tüchtig und kannst dem Papa schon helfen.› Selbstachtung und Hilfsbereitschaft können so in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Ausserdem erlebt das Kind, dass es durch Anerkennung ausdrücklich zu den anderen, zur Gemeinschaft, gerechnet wird. Es hat ein ureigenes Bedürfnis, von anderen geschätzt und in die Gruppe eingebunden zu sein.» 

Otto Speck, Erziehung und Achtung vor dem Anderen, 
München, Basel 1996, S. 157

Zeigen Sie Ihren Kindern, dass es Grenzen gibt

«Durch das Setzen von Grenzen wird   – besonders in der frühen Kindheit   – ein Rahmen für die Lebensführung geschaffen; Regeln und Routinen werden eingeübt, die dem Geborgenheitsbedürfnis des Kindes entgegenkommen. Wenn das Verhältnis zwischen Erzieher und Kind im Ganzen gut ist, werden Enttäuschung und Frustration, welche das Kind gegenüber den einzelnen Blockierungen empfinden kann, nicht als bedrohlich erlebt, sondern aus dem grösseren Zusammenhang heraus Sinn erhalten. Allmählich lernt das Kind zu verstehen, dass es etwas und jemanden neben ihm selbst gibt, worauf es Rücksicht nehmen muss. Die Fähigkeit zu entwickeln, eine Enttäuschung zu ertragen, und den Willen, seine eigene Entfaltung zu begrenzen, sind notwendig und machen ein positives Element in der Erziehung zur Mündigkeit und Selbständigkeit aus.

Erwachsene, die nicht an einem berechtigten Nein festzuhalten vermögen, werden als Unsicherheitsfaktor empfunden und werden impulsgesteuertes und egozentrisches Verhalten fördern. Ein zu hoher Grad an Nachsicht kann auf diese Weise dazu führen, dass das Kind nicht ausreichende Hilfe erhält, um Verantwortung und Selbstkontrolle zu entwickeln.» 

Reidar Myhre, Autorität und Freiheit in der Erziehung, 
Stuttgart/Berlin/Köln 1991, S. 72

«Grenzen und Strukturen müssen auf Zuwendung und Fürsorge aufbauen, denn mit dem Wunsch des Kindes, den Menschen, die es liebt, Freude zu bereiten, ist die Aufgabe, ihm die Internalisierung von Grenzen zu ermöglichen, bereits zu 90% gelöst.» 

T. Berry Brazelton und Stanley I. Greenspan, zitiert in: Sigrid Tschöpe-Scheffler, Fünf Säulen der Erziehung, Mainz 2003, S. 69

Grenzen bewahren Würde …

«… die eigene ebenso wie die der anderen Menschen. Eltern haben ein Recht darauf, mit Respekt behandelt zu werden. Kinder, die ihre Eltern herumkommandieren, sollten schleunigst in die Schranken gewiesen werden. Das sind sie ihrer Selbstachtung schuldig. Aber ebenso haben Kinder ein Recht, dass sie geachtet werden. Klare Grenzen machen Fehltritte überflüssig.» 

Urs Fuhrer, Lehrbuch Erziehungs­psychologie, Bern 2009, S. 205

Empfindsamkeit gegenüber anderen Menschen fördern

Es ist ein notwendiges und positives Glied im Aufbau des Gewissens und des Charakters, dass das Kind Schuld empfindet, wenn es z.B. aus Wut das Spielzeug der Geschwister oder der Kameraden zerstört hat, wenn es im Geschäft Süssigkeiten gestohlen hat, wenn es kleinere Kinder und alte Menschen belästigt oder wenn es gelogen hat, um sich der Verantwortung für das, was es getan hat, zu entziehen. Deshalb gilt es in der Erziehung, Empfindsamkeit gegenüber anderen Menschen und Respekt vor Normen zu fördern, ohne dass dies zu einem überempfindlichen und tyrannischen Gewissen führt. 

Reidar Myhre, Autorität und Freiheit in der Erziehung, 
Stuttgart/Berlin/Köln 1991, S. 89  –90

Zumutungen schaffen Mut

«Ermutigung ist […] zur Entwicklung des Kindes unbedingt notwendig. Es entwickelt sich zu dem, wozu es ermutigt wird. […] Ermutigung regt das Kind an, sein Bestes zu geben; es hilft ihm, seine Fähigkeiten überhaupt als solche zu erkennen.» 

Don Dinkmeyer, Rudolf Dreikurs, Ermutigung als Lernhilfe, 
Stuttgart 1978, S. 67  –68

«Ermutigen bedeutet schliesslich auch, dass wir den Fehlern, den Misserfolgen weniger Bedeutung beimessen als den Stärken und dem Bemühen   – und dies auch so signalisieren   – kurz: Ermutigen geht von einem ressourcenorientierten Grundansatz aus.»

Jürg Frick, Die Kraft der Ermutigung, Bern 2007, S. 51

Jedes Kind ist von sich aus vielseitig tätig

«Auch wird der Mensch durch die Natur jeder dieser Kräfte in sich selbst angetrieben, sie zu gebrauchen. Das Auge will sehen, das Ohr will hören, der Fuss will gehen und die Hand will greifen. Aber ebenso will das Herz glauben und lieben. Der Geist will denken. Es liegt in jeder Anlage der Menschennatur ein Trieb, sich aus dem Zustande ihrer Unbelebtheit und Ungewandtheit zur ausgebildeten Kraft zu erheben.» 

Johann Heinrich Pestalozzi, zitiert in: Arthur Brühlmeier, Menschen bilden, Baden 2007, S. 30

Erwachsene sind Vorbilder

«Das Kind orientiert sich vornehmlich an dem Bild und den Mustern, die seine Eltern oder nächsten Personen im Miteinander und Füreinander an den Tag legen. Schillers Wort aus «Wallenstein»: ‹Wie er sich räuspert, und wie er spuckt, das habt ihr ihm glücklich abgeguckt!›, lässt sich auch auf Kinder übertragen, die sich ‹von Natur aus› in ihrer frühen Entwicklung mit ihren nächsten Erwachsenen, aber auch mit ihren Spielgefährten zu identifizieren suchen.

Die hohe Bedeutung des Modell-Lernens hat die Psychologie bestätigt. […] Es ist viel mehr, als wir wissen, was Kinder […] ihren nächsten Hauptpersonen so alles abgucken: Die verschiedensten Arten von Verhalten und auch diverse Unarten. Es ist dies Ausdruck ihres Bedürfnisses, sich an den Personen ihrer Achtung zu orientieren und sich mit ihnen zu identifizieren.»

Otto Speck, Erziehung und Achtung vor dem Anderen. Zur moralischen Dimension der Erziehung, München; Basel 1996, S. 155

Quelle: Nr.25 vom 21.6.2010
www.zeit-fragen.ch

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