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Grundprinzipien aus Sicht der personalen Psychologie

12. Juni 2013

von Dr. Annemarie Buchholz-Kaiser

Es gibt Grundprinzipien der Psychologie und Pädagogik, essentials, die   – weil sie der menschlichen Natur entsprechen   – sowohl beim heranwachsenden Kind zentral sind, im Leben der Familie und in der Schule ihre Gültigkeit haben als auch später in einem gesellschaftlichen Zusammenwirken, das der Stärkung und vollen Entfaltung der Menschen dient und sich an ihrem Wohl orientiert. Wir nennen hier die wichtigsten:

Die Würde des Menschen muss, wenn sie nicht blosses Postulat bleiben soll, eine erlebte emotionale Qualität sein, die sich nur im sozialen Bezug vollziehen und festigen kann. Sie beruht auf einem gegenseitigen Geben und Empfangen. Familie und Schule sowie die Gesellschaft können die Bedingungen schaffen, dass die Würde des Menschen nicht nur geachtet, sondern gelebt wird. Es war nicht von ungefähr, dass dieses Postulat 1948, nach dem Desaster des Zweiten Weltkrieges, als erster Punkt in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aufgenommen wurde:

«Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.»

Psychologie und Pädagogik, Familie und Schule können die Grundlegung in der Erziehung leisten und zur lebendigen Verwirklichung unter den Erwachsenen beitragen. Die Würde des Menschen ist kein Automatismus, sie fällt nicht fertig vom Himmel, ist keine aussermenschliche Entität, sondern sie muss im menschlichen Zusammenleben gelegt, gestärkt, gefördert, stets erneuert und weitergetragen werden: sie muss gelebt und so für die Kinder und Jugendlichen emotional fassbar werden. Damit sie als ein essential des menschlichen Lebens geschützt ist, muss sie aber auch in der Verfassung der Länder und in internationalen Konventionen unumstösslich verankert sein.

Soziale Verbundenheit mit der näheren und weiteren menschlichen Umgebung ist eine weitere Grundvoraussetzung für seelische Gesundheit und eine volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit. Ohne ein feinfühliges wechselseitiges Zusammenspiel von Mutter und Säugling   – die Empathie   – kann sich das Urvertrauen im Kinde nicht bilden. Ohne sichere Bindung und seelische Verankerung des Kindes in der ganzen Familie(einschliesslich des Vaters, der Geschwister, der Verwandten und derFreunde) kann das Kind seine Individualität nicht voll entfalten und festigen, kann es nicht volle Eigenständigkeit, Mitgefühl und Verantwortungssinn entwickeln.

Ohne inneres Zuhause in seiner Ursprungsfamilie ist der Jugendliche im Übergang zum Erwachsenwerden, der Pubertät, den Gefahren des Drogenkonsums, der Gewalt, der Perversionen, von Formen der Dissoziation oder der politischen Verführung in viel höherem Masse ausgeliefert; er hat in gewissem Sinne kein seelisches Immunsystem und keine ruhende innere Balance. Ohne soziales Verbundensein ist der Erwachsene viel schlechter gerüstet, um eine dauerhafte Ehe zu gestalten, was schwierig genug ist, eine neue Familie zu bilden, den vielfältigen Anforderungen des modernen Berufslebens standzuhalten und schliesslich die Rückschläge, die Enttäuschungen und Tiefschläge des Lebens ohne Depressionen, psychosomatische Erkrankung, Suizidalität etc. durchzustehen. Und dieser Sinn des Lebens und die Stärke und Kraft des Menschen durch menschliches Verankertsein macht schliesslich auch für den älter werdenden Menschen den ganzen Unterschied bezüglich seelischer Verfassung, Gesundheit und weiterem Hintergrundbeitrag zum Leben der zwei nächsten Generationen aus. Wir befürworten deshalb auch in vollem Umfange ein Wiederbeleben des Drei-Generationen-Modells (Gross­eltern, Eltern, Kinder) und machen damit die besten Erfahrungen.

Die Verankerung in der eigenen Kultur, das Verinnerlichen der allgemeingültigen Werte dieser Kultur ist die Voraussetzung, um in seiner Zeit und in dieser Welt einen Standort zu haben. Es ist Voraussetzung für eine gegenseitige Wertschätzung mit Menschen anderer Kulturen und für ein befruchtendes Zusammenleben der Völker. Wir meinen damit ausdrücklich nicht die Propaganda für ein multikulturelles Zusammenleben, die nur der politischen Manipulation, «hidden agendas», dient und die letztlich auf die Eliminierung der Werte und Ziele unserer christlich-abendländischen Kultur hinwirkt. Dieses unselige Produkt der Frankfurter Schule der Sozialwissenschaften hat einen neuen, rein materialistischen Sozialismus ohne Werte zum Ziele und ruft entsprechend auch den Widerstand ganzer Völker hervor.

Die Freiheit ist für das Leben ebenso eine essentielle Voraussetzung wie die Luft zum Atmen. Freiwilligkeit im menschlichen Zusammenleben ist notwendige Voraussetzung, damit die Kinder in der Familie erstarken und die Werte verinnerlichen können. Zwang stört das nur, wogegen Einsicht und Verbundenheit eine weit stärkere und vor allem langfristig tragfähigere Motivation ergeben.

Der grösstmögliche Grad an Freiheit, wie er in der direkten Demokratie verwirklicht ist, muss heute erneut zum Thema gemacht werden. Dies wird unumgänglich angesichts von weltweiten Tendenzen zu einer neuen Form von Sowjetisierung, aber auch angesichts der Rücksichtslosigkeit einer globalisierenden Wirtschaft, die imperialistisch wird und die nur den Profit und den Börsengewinn im Auge hat und die Menschen, das Bonum commune, opfert. Wirtschaft hat dem Leben zu dienen und nicht umgekehrt: Das ist die Schlussfolgerung des Naturrechts, der christlichen Soziallehre, aber auch jeder am Menschen und am Leben orientierten Ethik und der personalen Psychologie.

Auszug aus: Annemarie Buchholz-Kaiser, «Die Menschen stärken», Zürich, 2000

Quelle:
http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=1497

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