Leserbrief zu: Donald Trumps Projekte (2/2)

Allerdings möchte ich zwei Bemerkungen zur Einordnung machen.
1. Meyssan schreibt, dass die Akademiker ihre ökonomischen Ideologien oft mit der Realwirtschaft, die sie ignorieren, verwechseln.
Das mag so sein; ähnliches trifft aber mindestens ebenso auf den Nicht-Akademiker Trump zu. Er scheint von der Realwirtschaft wenig Ahnung zu haben. Denn er glaubt offenbar, wenn er durch Zollschranken die Importe stoppt oder behindert, könne er im selben Atemzug die entsprechenden Produkte selbst im Land herstellen. Das ist eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber seiner Realwirtschaft, denn die entsprechenden Produktionsstätten samt zugehörigen Arbeitern liegen in USA entweder längst brach oder haben nie existiert und können kaum kurzfristig (wenn überhaupt) im eigenen Land ins Leben gerufen werden. Ich sehe da keinen Krieg zwischen zwei Formen des Kapitalismus (so Meyssan), sondern ein Destruktionswerk in Form von ideologischem Wunschdenken gegen die Realität. Das leitet über zu
2. Mir scheint, Trump hat den Kapitalismus generell nicht verstanden, auch wenn er Teil davon ist. Er könnte in einer klugen Analyse folgendes nachlesen:
„Die uralten nationalen Industrien…werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. … Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt.“
Soweit die jungen Revolutionäre Karl Marx und Friedrich Engels 1848 (!) in ihrem Manifest. Das ist eine bewundernswerte und ebenso aktuelle Vorausschau auf ein inneres Gesetz des Kapitalismus, das wir heute Globalisierung nennen. Marx hatte bekanntlich die Absicht, sein unvollendetes Werk „Das Kapital“ (vollendet nur der 1. Band über den Produktionsprozess der Waren, unvollendet der 2. und 3. Band über den Zirkulationsprozess der Waren und über ihren Gesamtprozess) um einen 4. Band zu ergänzen über den Welthandel – als logisches Resultat kapitalistischen Wirtschaftens unter Einschluss des Niederreißens aller Nationen, Grenzen, Traditionen… In dieser ziemlich realistischen Vorausschau erscheint Trump eher nicht als eine kapitalistische Fraktion, sondern als ein begriffsstutziger Romantiker, der ohne erkennbare ökonomische Kompetenz den Lauf der kapitalistischen Logik aufhalten will durch Rückbesinnung auf nationale Binnenwirtschaft mit wirtschaftlicher Selbständigkeit, zumindest solange, bis die Handelsbilanz ausgeglichen ist. Das erinnert eher an die merkantilistische Politik der französischen Könige im 17./18. Jahrhundert. Der von ihm bewunderte Präsident Andrew Jackson ist ja zeitlich und auch inhaltlich nicht so weit davon entfernt.
Natürlich ist es sympathisch, nationale Souveränität gegenüber rücksichtslosem Kapitalismus geltend machen zu wollen. Aber man wird wohl erleben, dass es inzwischen nicht mehr die chinesischen Mauern sind, die von den billigen Waren aus England niedergeschossen werden, wie zu Marx´ Zeiten, sondern die amerikanischen Mauern, die von den billigen chinesischen Waren niedergeschossen werden.
Nationale Souveränität, die demokratisch gewiss unverzichtbar ist, muss im 21. Jahrhundert als politisches Projekt im Rahmen internationaler Friedenspolitik verstanden werden, aber nicht als wirtschaftliche Abschottung. Immerhin hat (auch) der bereits von Marx vorausgesehene kapitalistische Welthandel zu technischen Revolutionen, Zivilisationsentwicklungen und massiven Lebensverbesserungen für eine enorm angewachsene Menschheit geführt, sodass man wohl nicht versuchen sollte, ihn wieder abzuschaffen. Wir stehen vielmehr vor der großen Aufgabe, den weiteren und global unumkehrbaren Zivilisationsprozess menschlicher zu gestalten. Dazu braucht es unbedingt friedliche Handelsbeziehungen. Handelskriege sind historisch dagegen meist Vorstufen zu militärischen Kriegen. Davon haben wir schon mehr als genug.
Freundliche Grüße
Christian Fischer, Köln
Donald Trumps Projekte (2/2)
Der Kern der Maßnahmen von Präsident Donald Trump besteht darin, die westliche Wirtschaft zu reformieren, indem die "amerikanische Globalisierung" beendet wird, laut der Komponenten komplexer Produkte in mehreren Ländern hergestellt werden müssen, bevor sie montiert werden. Er beabsichtigt, so viele Fabriken wie möglich in sein Land zurückzuführen, um in den Vereinigten Staaten komplexe Objekte von A bis Z herstellen zu können.
Im Gegensatz zu dem, was wir vielleicht denken, findet der Erste Handels-Weltkrieg nicht zwischen Washington und Peking statt, sondern zwischen zwei Formen des Kapitalismus.