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von M. K. Bhadrakumar  – 03.01.2025  – übernommen von indianpunchline.com
3. January 2025

Bhadrakumar: Kiew spielt Spielchen mit russischem Gastransit


Ein Abschnitt der Transit-Erdgasleitung Bratstvo („Bruderschaft“) in einem Wald in der Nähe von Mukatschewo, Westukraine (Archivbild)

Der Datensatz des in Brüssel ansässigen Think Tanks Brugel, der die Daten über die europäischen Erdgasimportströme und -speicherstände zusammenfasst, relativiert die Entscheidung der Ukraine, den Transit von russischem Gas nach Europa einzustellen. Die Statistiken zeigen, dass Russland Ende 2024 nach Norwegen zum zweitgrößten Gaslieferanten der EU geworden war und die Vereinigten Staaten überholt hatte   – und das drei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges und trotz der „höllischen Sanktionen“ des Westens.

Insbesondere im Dezember 2024 wurde russisches Flüssigerdgas in einer Menge von 2,16 Milliarden Kubikmetern nach Europa geliefert   – ein Rekord seit 2019. Die Einfuhr von russischem Flüssigerdgas in die Europäische Union belief sich im Jahr 2024 auf fast 21,5 Mrd. Kubikmeter gegenüber 17,8 Mrd. Kubikmetern im Vorjahr und 19 Mrd. Kubikmetern im Jahr 2022.

Was bedeutet das? Erstens ist es für die EU-Länder unumgänglich, LNG aus Russland zu beziehen, das zuverlässig, reichlich vorhanden und günstig ist. Zweitens wird die Entscheidung der Ukraine, die mitten in der Heizperiode im Winter getroffen wurde, eine Preisspirale für Erdgas in ganz Europa auslösen, allerdings nur kurzfristig. Um es mit den Worten von Ralph Nader zu sagen: Wenn die Nutzung von Solarenergie nicht erschlossen wurde, dann deshalb, weil die (russische) Ölindustrie nicht die Sonne besitzt!

Drittens wird die Nachfrage nach russischem Flüssiggas (LNG) infolgedessen nur noch steigen. Viertens herrscht in der europäischen Industrie weit verbreitete Unzufriedenheit darüber, dass die US-Lieferanten die Gasknappheit in Europa ausgenutzt haben, die durch die Sabotage der Amerikaner an den Nord-Stream-Pipelines (die eine direkte Verbindung zwischen russischen Quellen und deutschen Häfen unter Umgehung der Ukraine herstellten) mit Hilfe ukrainischer Handlanger entstanden ist. Die großen Ölkonzerne verkauften daraufhin Flüssiggas an die Europäer zum doppelten oder dreifachen Preis des US-Binnenmarktes und erzielten so unerwartete Gewinne. (Hier)

Fünftens werden die explodierenden Gaspreise die Produktionskosten in den europäischen Volkswirtschaften weiter in die Höhe treiben, insbesondere in Deutschland, wo am 23. Februar ebenfalls Parlamentswahlen anstehen. Sechstens wird es in Europa mit Sicherheit Ressentiments geben, dass die Ukraine „die Hand beißt, die sie füttert“. In Deutschland gibt es bereits eine unterschwellige Meinung, dass die Energiebeziehungen zu Russland für die wirtschaftliche Erholung wiederbelebt werden sollten, eine Meinung, die das politische Schicksal der Alternative für Deutschland (AfD) beeinflussen könnte, die nicht nur eine rechtsextreme und rechtspopulistische Partei, sondern auch euroskeptisch ist und eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland fordert.

Wenn die Pläne in Kiew jedoch darauf abzielen, Big Oil zufrieden zu stellen, werden die transatlantischen Beziehungen unter Donald Trump wahrscheinlich nur noch komplizierter. Elon Musk, Tech-Milliardär und enger Berater von Trump, verfasste letzte Woche einen Meinungsartikel, in dem er die AfD unterstützte. Musk hat sich seitdem noch mehr ins Zeug gelegt und der gewählte Vizepräsident JD Vance bezeichnete Musks Artikel auf Twitter als „interessant“.

Vance schrieb: „Ich unterstütze keine Partei bei den deutschen Wahlen, da es nicht mein Land ist und wir hoffen, gute Beziehungen zu allen Deutschen zu haben. Aber dies ist ein interessanter Beitrag. Auch interessant: Amerikanische Medien verleumden die AfD als Nazi-light, aber die AfD ist in denselben Gebieten Deutschlands am beliebtesten, die sich den Nazis am stärksten widersetzt hatten.“

Laut Pew Research Centre haben 19 Prozent der deutschen Erwachsenen eine positive Meinung von der AfD und die Partei liegt in Meinungsumfragen auf dem zweiten Platz. Außerdem vertritt die AfD eine starke einwanderungsfeindliche Haltung, wie Trump sie in Bezug auf die USA vertritt.

Um es ganz klar auszudrücken: Mir kommt der berühmte Satz des verstorbenen amerikanischen Philosophen und Gesellschaftskritikers Eric Hoffer in den Sinn: „Menschen, die die Hand beißen, die sie füttert, lecken normalerweise den Stiefel, der sie tritt.“ In dieser Hinsicht trifft die Erklärung der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, vom 2. Januar den Nagel auf den Kopf:

„Die Verantwortung für die Einstellung der russischen Gaslieferungen liegt ausschließlich bei den Vereinigten Staaten, dem Marionettenregime in Kiew und den Behörden europäischer Länder, die das Wohlergehen ihrer Bevölkerung geopfert haben, um die US-Wirtschaft finanziell zu unterstützen. Die Einstellung der Lieferungen von preisgünstiger und umweltfreundlicher Energie aus Russland schwächt nicht nur das wirtschaftliche Potenzial Europas, sondern wirkt sich auch negativ auf den Lebensstandard der Europäer aus. Der geopolitische Hintergrund der Entscheidung des Kiewer Regimes ist völlig klar. Die USA   – der Hauptsponsor der Ukraine-Krise   – sind die Hauptnutznießer der Umverteilung des europäischen Energiemarktes.“

Aber das ist ein Wunschtraum. Es ist nicht zu übersehen, dass Russland früher auch Öl zu einem vergünstigten Preis an Deutschland verkauft hat, der in langfristigen Verträgen verankert war. Präsident Wladimir Putin hat einmal ein Staatsgeheimnis gelüftet, dass die Deutschen sogar überschüssiges russisches Gas nach dem Eigenverbrauch an Drittländer, insbesondere Polen, verkauft haben, um einen ordentlichen Gewinn zu erzielen und den Inlandspreis zu subventionieren. Angesichts der zentralen Bedeutung der russisch-deutschen Energieallianz in der strategischen Kalkulation Russlands hat Moskau offenbar weggeschaut.

Solche Überlegungen beschäftigten Gorbatschow wahrscheinlich auch, als er grünes Licht für die deutsche Wiedervereinigung gab und dabei Margaret Thatchers Ängste und Frankreichs Präferenz ignorierte, dass die beiden deutschen Staaten (BRD und DDR) lediglich gute Beziehungen aufbauen sollten, höchstens in Form einer Konföderation. (Frankreich befürchtete sehr, dass Gorbatschows Politik der Glasnost die Deutschen dazu bewegen würde, Neutralität als Preis für die Wiedervereinigung zu akzeptieren.)

In solchen Momenten versteht man die „sentimentalen“ russischen Einstellungen nicht   – sei es zur deutschen Wiedervereinigung, zum Verkauf von Gas an Europa zu einem reduzierten Preis oder zur einseitigen Auflösung des Warschauer Pakts (was wiederum Thatcher für eine übereilte, verfrühte Entscheidung hielt). Das ist ziemlich verblüffend, da die Russen besser als jedes andere Land wissen, dass Politik ein hartes Spiel ist, da sie in ihrer bewegten Geschichte Opfer von Wellen westlicher Aggression waren.

Letztlich muss die Ukraine für diese rachsüchtige Entscheidung zur Verantwortung gezogen werden. Kiew hat jedoch seine Bereitschaft bekundet, mit den Europäern über die Aufrechterhaltung des Transits zu sprechen. Aus dem jüngsten Besuch des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico in Moskau und seinem Einzelgespräch mit Putin ging hervor, dass Europa bereit ist, den Umschlagplatz für russisches Gas in der Ukraine zu verlegen. Er behauptete, Putin habe ebenfalls zustimmend genickt.

Putin erklärte den Medien nach den Gesprächen: „Ungeachtet des Krieges wurden unsere Lieferungen regelmäßig durchgeführt und wir haben und zahlen immer noch ... Geld für den Transit.“ Tatsächlich erhielt die Ukraine jährlich 1 Milliarde US-Dollar als Transitgebühr! Putin fügte hinzu, dass Moskau auch bereit sei, Europa über Polen mit Gas zu versorgen und dabei die bestehende Jamal-Europa-Route zu nutzen. „Man muss nur einen Knopf drücken.“

Die russische Tageszeitung Rossijskaja Gazeta zitierte Expertenmeinungen, wonach Geschäftskreise wahrscheinlich Gespräche über die Wiederaufnahme des Transits einleiten werden. Tatsächlich haben Gasunternehmen aus Mitteleuropa bereits erste Schritte unternommen und eine Erklärung unterzeichnet, in der sie den Gastransit durch die Ukraine bis 2025 unterstützen.

Valery Andrianov, außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der russischen Regierung, sagte der Tageszeitung, dass eine Einstellung der Lieferungen über die Ukraine insgesamt wahrscheinlich kein erhebliches Gasdefizit in Europa verursachen wird, da dies bereits in den Gaspreisen berücksichtigt wurde und es daher keine Überraschung für den Gasmarkt sein wird. Allerdings wird jede Unterbrechung der Lieferungen die Instabilität des europäischen Gasmarktes erhöhen und ihn stärker von verschiedenen externen und weitgehend unkontrollierbaren Faktoren abhängig machen, wie z.B. den Gaspreisen in Asien, den Lieferzielen für amerikanisches Flüssiggas oder der Produktionsdynamik auf dem norwegischen Schelf.


Quelle: Indian Punchline
Mit freundlicher Genehmigung übenommen

Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus