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Verschwörungstheoretiker blasen zur Hexenjagd auf Historiker Dr. Daniele Ganser

Besorgte Bürger in Witten fordern Zensur von Wissenschaft
Markus Kompa
29. Oktober 2015
Ein Bündnis begabter Verschwörungstheoretiker, getragen von Wittener SPD und Jusos, Wittener Bündnis90/Die Grünen und sogar der ehemals zensurkritischen Piratenpartei NRW, fordert

von der privaten Universität Witten-Herdecke die Ausladung des Schweizer Historikers Dr. Daniele Ganser, der am Donnerstag dort einen Vortrag über Medienkritik halten soll. Außerdem fordern die Wittener Verschwörungstheoretiker Distanzierung von Gansers "Thesen", ohne solche jedoch konkret zu benennen.

Die selbst ernannten McCarthys, die sich irreführend als "Bündnis gegen Verschwörungswahn" formiert haben, konstruieren in einem gemeinsamen offenen Brief selbst krude Verschwörungstheorien über Ganser und Personen, die rechtes Gedankengut verbreiten. Indiz für eine unerwünschte Gesinnung seien Auftritte des gefragten Redners auch auf Veranstaltungen, wo man tatsächlich fragwürdigen Personen eine Bühne bot. Ganser hat sich jedoch von Antisemitismus und Holocaust-Leugnung klar distanziert und bestreitet eine Kenntnis entsprechender Einladungen rechter Redner vehement.

Die aberwitzig-naive Zurechnung fremder Äußerungen und der reaktionäre Zensuraufruf der selbsternannten Inquisition grenzen an Realsatire, denn Gansers Thema lautet Wer kontrolliert die vierte Gewalt? Fakten, Meinungen, Propaganda   – Wie mache ich mir selbst ein Bild?. Die durchweg hysterische Hexenjagd auf den von Wittens besorgten Bürgern geächteten Dr. Ganser wird nämlich häufig mit Gansers Wikipedia-Eintrag begründet, dessen Objektivität der Schweizer Historiker bereits in der dritten Zeile bezweifelt. Über Entstehen und redaktionelle Hoheit des fragwürdigen Wikipedia-Eintrags erschien letzte Woche sogar eine detaillierte Filmdokumentation Die dunkle Seite der Wikipedia, die Ganser inzwischen kommentierte. Die Hetze gegen den Friedensforscher erinnert an den unbeholfenen Versuch von Spindoctors, die Berliner Anti-TTIP-Demo in die rechte Ecke zu stellen.

Wer seine Meinungsbildung nicht an die Wikipedia delegiert, kann sich von Ganser anhand von YouTube-Videos seiner Vorträge oder der Lektüre seiner Bücher selbst ein Bild machen. Ganser hatte sein eigenes Swiss Institute for Peace and Energy Research   – SIPER gegründet, um unabhängig zu Energie- und Friedenspolitik forschen zu können. Der Einfluss etwa der mächtigen Energieindustrie auf die etablierte Forschung ist kaum zu unterschätzen. So wurde dieser Tage bekannt, dass der Exxon-Konzern bereits 40 Jahre vom Klimawandel wusste und statt einer Warnung 30 Millionen Dollar in schwarze PR investierte, um die Lehre vom Klimawandel zu als Verschwörungstheorie zu diskreditieren. Umso beschämender ist es daher, dass ausgerechnet die aus der Ökologie und Friedensbewegung stammenden Grünen dem ökologischen Friedensforscher den Mund verbieten wollen.

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